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Und da bin ich wieder. Eigentlich gibt's nichts zu sagen, nur, dass ich mit dem Kapitel nicht ganz zufrieden bin. Und nochmal viel Glück, für alle, die jetzt noch Prüfungen schreiben.

Alex

Mittlerweile finde ich es ganz amüsant, wenn mich die kleine Kratzbürste immer als Blödarsch bezeichnet. Ich hätte ihr gar nicht zugetraut, dass sie so schlagfertig ist. Im Unterricht ist sie immer sehr zurückhaltend und scheint einen halben Herzinfarkt zu bekommen, sobald sie vor der Klasse reden muss. Zudem läuft sie dann immer an wie eine Tomate. Da kann sie einem schon fast leidtun. Allerdings ist sie privat eben ganz anders und auf irgendeine Weise mag ich das sogar. Jo ist nicht so wie die anderen Mädchen, mit denen ich normalerweise zu tun habe. Diese würden wahrscheinlich alles tun, was ich von ihnen verlange, widersprechen nicht und halten auch sonst die Klappe, aber um mit ihnen zu schlafen, reicht es bestens aus. Bei Jo ist es im Gegensatz dazu sogar eine echte Herausforderung, sich nicht gegenseitig anzuschreien über einen längeren Zeitraum als fünf Minuten und das macht schon irgendwie Spaß. Nicht, dass ich irgendwann auch noch Sympathie für sie und ihr Temperament entwickle.

„Hallo, bist du wieder allein?", fragt mich Chelsea, die an meiner offenen Zimmertür lehnt.

„Ja, sieht man doch."

„Da hat aber jemand gute Laune. Wer war denn das Mädchen vorhin?" In ihrem Kopf malt sie sich vermutlich wieder aus, dass ich etwas mit Jo am Laufen habe, was man ihr nicht verdenken kann, nur in diesem Fall ist das völlig unpassend.

„Das war Johanna, sie hilft mir nur in Mathe." Chelsea haucht ein Aha, worauf ich ihr nur einen strafenden Blick zuwerfe.

„Wie dem auch sei. Ich hatte das Gefühl, dass sie einen falschen Eindruck von mir bekommen hat. Weiß sie, dass ich nur deine Schwester bin?"

„Nein, aber das ist auch nicht von großer Bedeutung. Es ist ja nicht so, dass sie mein Leben etwas angeht, geschweige denn meine Familie." Ich hatte vorhin das Gefühl, einen winzigen Schimmer Eifersucht in Jos Augen entdeckt zu haben, als sie mich fragte, ob sie gestört hat. Das kann allerdings auch nur bloße Einbildung gewesen sein, aber witzig fand ich es schon.

„Sie wirkte ganz niedlich. Sei schön brav zu ihr, verstanden?"

„Ja, Mama!", rufe ich ihr lachend hinterher, als sie lachend mein Zimmer verlässt. Chelsea und ich sind wie gesagt Geschwister, nur ist sie ein Jahr jünger als ich, also 17. Logischerweise bin ich dann wohl 18.

Von Mathematik kann man wirklich ernsthafte Kopfschmerzen bekommen, deshalb lege ich mich in mein Bett und höre ein wenig Musik. Als dann mein Handy vibriert, fahre ich vor Schreck kurz zusammen. Jan hat mir geschrieben.

Hast du mal die Nummer von Johann? Natürlich meint er Johanna. Etwas in mir regt sich und macht mich ein kleines bisschen wütend. Wenn ich sie beleidige, dann finde ich das in Ordnung und witzig, das machen Jo und ich schon seit Jahren. Das kann man gar nicht wirklich ernst nehmen. Aber wenn Jan das macht, klingt es nur abartig und dumm. Woraus sich mir nun also die Frage erstellt, warum er ausgerechnet ihre Nummer haben möchte.

Warum, Bro?

Ich habe ihr gesagt, dass ich ihr schreibe.

Nochmals, warum?

Wir gehen aus. Hast du unsere Wette etwa schon vergessen?

Ach stimmt ja, da ist ja diese dumme Wette. Die habe ich schon ganz vergessen. Wie bin ich nur auf diese hirnverbrannte Idee gekommen? Ich bin zwar manchmal ein ganz schönes Arschloch, das weiß ich, aber das ist ziemlich tiefes Niveau. Sogar für uns beide. Aber Moment mal! Jan hat ein Date mit Jo? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. So einfach kriegt man sie doch nicht rum und soweit ich weiß, hat sie mindestens ebenso einen Hass gegen Jan wie gegen mich. Wenn Jo wirklich mit ihm ausgeht, dann habe ich sie wohl doch überschätzt oder er lügt mich einfach nur an, was ich ihm durchaus zutraue. Widerwillig schicke ich ihm Jos Nummer, schließlich will ich fair sein. Im Prinzip kann es mir doch sowieso egal sein, oder?

Am Abend sitzt zum ersten Mal seit langem die ganze Familie am Esstisch. Niemand sagt etwas, niemand traut sich zu, etwas zu sagen. Mum trägt ihr Dauerlächeln auf den Lippen, nur als Fassade. Auch wenn ihr Mund lächelt, so erreicht es nicht ihre Augen, diese sind leer. Warum, um alles in der Welt, tut sie sich diesen seelischen Schmerz weiterhin an? Ist sie so von Dad abhängig? Macht sie sich Sorgen um mich und Chelsea? Sicher, nach einer Trennung würde es schwer für sie werden. Mum hat durch Dad und uns beide nie etwas gelernt, hat keinen Job. Sie hätte danach nichts. Das hat Dad wirklich gut eingefädelt. So läuft sie ihm niemals davon. Wenn ich später mein eigenes Geld verdiene, dann werde ich sie hier raus holen.

„Ich muss übrigens gleich nochmal ins Büro.", verkündet Dad in die Stille. Wie lange will er dieses Spiel noch fortsetzen? Denkt er wirklich, wir sind so naiv und haben noch nicht gemerkt, wie er fast jeden Abend nach einer anderen Frau riecht, wie traurig Mum ist oder was Mum herausgefunden hat? Meine Gabel sticht mit voller Wucht auf eine Nudel ein, verfehlt sie dann jedoch und es ertönt ein Quietschen, dass einem die Ohren bluten lässt. Chelsea wirft mir einen verurteilenden Blick zu. Schon klar, ich soll den braven Jungen spielen.

„Oh, lass es nicht zu spät werden. Du überarbeitest dich noch.", antwortet ihm Mum mit leiser Stimme. Ich habe Angst, sie könnte jeden Moment anfangen zu weinen. Sie darf ihm gegenüber bloß keine Schwäche zeigen! Einmal hatte sie ihn gefragt, ob er wirklich jeden Abend ins Büro fährt, worauf er fast ausgerastet ist und sie geschlagen hat. Ich weiß nicht, ob dies das einzige Mal war, ich hoffe es für ihn. Wenn er das noch-mal macht, dann werde ich ihn verprügeln und ihm alle Knochen brechen.

„Mieser Dreckssack.", presse ich durch meine zusammengebissenen Zähne hervor, mit einer Stimme, die so voller Wut steckt, dass ich fast daran ersticke, als er aufsteht und gehen will.

„Was hast du gerade gesagt?"; schreit er mich daraufhin an und holt weit mit der Hand aus. Ich kneife die Augen zusammen und mache mich auf den Schmerz bereit, doch er kommt nicht.

„John!", ruft Mum schockiert dazwischen.

„Tut mir leid." Dad scheint sich wieder etwas im Griff zu haben und nimmt die Hand wieder herunter.

„Das wird ein Nachspiel haben, mein Lieber.", flüstert er mir ins Ohr, was keiner zu hören scheint, bevor er endlich verschwindet.

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