Jo
„Ich möchte nicht, dass ihr euch weiterhin trefft." Ich weiß gerade nicht, ob sie das ernst meint oder ob sie mich nur verarschen will.
„Wie bitte? Ich kann mich treffen, mit wem ich will oder hörst du auf mich, wenn ich dir aus gutem Grund sage, dass du dich nicht mehr mit Frank treffen sollst?" Ich bin mit einem Mal auf 180 und völlig aufgebracht.
„Das ist etwas anderes. Ich bin eine erwachsene Frau und du bist meine Tochter!", wird sie ebenfalls lauter.
„Ich bin volljährig, du kannst es mir sowieso nicht verbieten! Außerdem hast du doch keine Ahnung!"
„Mein liebes Fräulein, jetzt reicht es mir aber. Ich muss mich doch von meiner eigenen Tochter nicht anschreien lassen! Wenn du dich mit diesem Alex triffst, kommt vielleicht noch raus, dass sein Vater eine Affäre hat. Dazu ist es auch seltsam, wenn du mit ihm zusammen bist, während ich mit seinem Vater sozusagen auch zusammen bin. Hör doch einmal auf mich!"
„Es weiß in dieser Familie doch eh schon jeder! Die sind am Ende und das alles nur wegen deinem ach so tollem Frank. Du scheinst ich gar nicht richtig zu kennen. Weißt du, was bei denen zu Hause los ist? Und verabschiede dich endlich von der Idee, er könnte sich von seine Frau trennen, das wird er niemals tun und du bleibst weiterhin unglücklich.", schreie ich weiter und merke, wie meine Mutter vor Wut schon ganz rot wird.
„Jetzt reicht es mir! Natürlich kenne ich ihn und ich bin nicht unglücklich! Hör auf, solche Lügen zu erzählen!" Sie schmeißt die Tasse, die sie eben noch in der Hand hielt auf den Boden, sodass sie hunderte Einzelteile zerspringt. „Ich räume das nachher weg." Sie drängt sich an mir vorbei nach oben und dann höre ich auch schon die Tür ihres Schlafzimmers zuknallen.
Ich hasse diesen dummen Streit zwischen uns. Was kann ich machen? Sie ist eine erwachsene Frau, ich kann ihr unmöglich verbieten, sich mit Frank einzulassen, da müsste ich sie schon einsperren. Noch absurder wäre es aber, mich von Alex fernzuhalten, schließlich ist er nicht derjenige, der Leute zusammenschlägt. Ich dachte immer, meine Mutter wäre eine emanzipierte Frau und würde sich sofort von einem Kerl trennen, der sie schlägt. Warum ist mein Leben gerade so dramatisch?
Ich verlasse unser Haus, die Stimmung dort ist mir viel zu deprimierend. Ich habe keine Ahnung, wo ich eigentlich hin will, laufe einfach die Straße immer weiter geradeaus. Ich habe nicht mal mein Handy mitgenommen, das ist eine wahre Seltenheit.
Mittlerweile bin ich ein paar Straßen weitergelaufen. Ohne es bemerkt zu haben in Richtung von Alex' Haus. Da möchte ich momentan lieber nicht hin.
„Jo!", höre ich von irgendwo meinen Namen rufen, sehe aber niemanden. Ich werde wohl schon paranoid. Doch da ist es nochmal! Gleich darauf schließen sich Hände um meine Augen, weshalb ich einen halben Herzinfarkt erleide. „Autsch!", beschwert sich die Person, als ich reflexartig nach ihr trete.
„Oh Gott, tut mir leid!", entschuldige ich mich bei Chelsea, obwohl sie selbst schuld ist.
„Naja, passiert. Was machst du hier?"
„Ich bin nur ein wenig durch die Gegend gelaufen, weil mir langweilig war.", lüge ich.
„Dann weiß ich was. Komm doch heute Abend mit!"
„Wohin denn?"
„Was macht man in unserem Alter schon abends, wenn man weggeht? Ein bisschen feiern gehen." Na super, genau darauf habe ich heute Lust!
„Du kennst mich doch, ich bleibe lieber zu Hause. Außerdem ist morgen Schule.", lehne ich ab.
„Wir bleiben nicht so lange. Komm schon, bitte! Nur dieses eine Mal!", quengelt sie wie ein kleines Kind. In letzter Zeit werde ich eindeutig zu oft zum Feiern genötigt. Eine Schande, dass ich zu schwach bin, um Chelsea etwas auszuschlagen. Sie hat so eine Art an sich, die es einem unmöglich macht, nein zu sagen.
„In Ordnung, dann komme ich eben mit. Ich weiß aber nicht, was ich anziehen soll." Vermutlich würde ich in den Tiefen meines Kleiderschrankes wieder etwas finden, wie auch die letzten Male, aber dies könnte meine letzte Rettung sein, nicht mitzugehen.
„Kein Problem. Du kommst jetzt mit zu mir." Damit schleift sie mich zu ihrem Haus, in ihr Zimmer. Verdammt, das hat natürlich nicht geklappt. In ihrem Zimmer erwartet mich ein riesiger Kleiderschrank. Ihr Zimmer an sich sieht relativ normal aus. Ich hatte schon gedacht, sie könnte ein richtig klischeehaftes Zimmer mit einer Menge rosa haben. Zum Glück ist das nicht, sonst wäre ich vermutlich an Augenkrebs gestorben. Ich möchte Chelsea gerade darauf hinweisen, dass ich wahrscheinlich gar nicht in ihre Klamotten passe, weil sie schlanker und größer ist als ich, da hat sie mir auch schon ein Kleid in die Hand gedrückt.
„Zieh das mal an! Ich glaube, die Farbe steht dir."
Das Kleid ist marineblau und hatte lange Ärmel. Diese und der Brustbereich sind bestickt, um die Taille verläuft ein Band, an den Seiten ist etwas Haut zu sehen, was ich sehr ungewohnt finde. Der Rock verläuft gerade und reicht mir nicht mal bis zu den Knien. Seltsamerweise passt das Kleid wie angegossen.
„Wow, ich hatte recht. Du siehst darin fantastisch aus! Du hast die perfekte Figur dafür.", staunt sie. Sie macht mir gleich noch die Haare und schminkt mich ein wenig. Ich bin erstaunt von meinem Spiegelbild. Zum dritten Mal wurde aus mir ein Schwan gezaubert und ich könnte mich fast daran gewöhnen. Danach zieht sich Chelsea ebenfalls um, auch sie trägt ein kurzes Kleid. Ich finde unsere Outfits viel zu schick, um einfach damit feiern zu gehen. Auf dem Flur treffen wir auf Alex, der ein weißes Hemd und Anzughose trägt. Spätestens jetzt sollte mir das alles spanisch vorkommen.
„Jo?", fragt Alex ungläubig und lässt seinen Blick langsam über meinen Körper gleiten.
„Ich lasse euch dann mal allein.", grinst Chelsea vor sich hin. „Kommt dann gleich runter."
Alex wirkt noch immer sprachlos und ich fühle mich irgendwie unwohl, wenn ich so angestarrt werde. Dazu habe ich das sehr starke Gefühl, dass es sich nicht um eine einfache Party handeln kann.
„Wo schleppt ihr mich heute wirklich hin?", will ich endlich von Alex wissen.
„Zur Betriebsfeier der Firma von meinem Vater. Das sieht Chelsea ähnlich. Sie langweilt sich dort jedes Jahr zu Tode, also nimmt sie immer jemanden mit. Glückwunsch, du hast einen steifen Abend unter viel zu wohlhabenden Geschäftsleuten ergattert.", erklärt er mir.
„Na super, habe ich noch eine Chance zu flüchten?", versuche ich zu spaßen, dabei hat meine Laune gerade ihren Tiefpunkt erreicht.
„Ich finde es gar nicht so schlecht, dass du mitkommst. Dann hält mich immerhin meine wunderschöne Freundin bei Laune.", flüstert er mir ins Ohr und küsst mich stürmisch. Seine Hand landet auf meinem Po und ich bekomme einen inneren Panikanfall. Sofort schlage ich seine Hand weg und entferne mich von ihm. Er hat gesagt, wir gehen es in meinem Tempo an. Das war eben um Weiten zu schnell.
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Love The Geek
Teen FictionSchüchtern, Außenseiter, Nerd. Genau das ist Jo. Im Gegensatz dazu ist Alex beliebt, Wanderpokal und ein Arschloch. Was für eine Ironie des Schicksals, dass Jo ausgerechnet Alex Nachhilfe geben soll. Schnell entzündet sich ein regelrechter Kampf zwi...