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Jo

Schweren Herzens überlasse ich Chelsea und Tom sich selbst, obwohl ich nur zu gern das Ganze mitverfolgen würde. Unglaublich, da schwärmt er einem ununterbrochen etwas von anderen Jungs voll und plötzlich scheint er durch ein Mädchen wie vom Blitz der Liebesgötter getroffen. Vielleicht habe ich da auch was falsch gedeutet, aber diese Gesichtsausdrücke waren viel zu eindeutig. Da Alex gerade nicht in der Nähe zu sein scheint, beschließe ich, eine Runde zu drehen und muss erneut feststellen, dass ich die Leute wirklich nur vom Sehen kenne. Gut, von dem ein oder anderen kenne ich durch gemeinsame Kurse auch mal den Vornamen.

„Alles Gute, Jo." Oh nein, nicht der schon wieder. Ich drehe mich zu dem Individuum hinter mir um, auch bekannt als Jan.

„Du bist also auch hier?", frage ich ihn wenig begeistert.

„Na klar, keine Sorge, ich werde dich schon nicht nerven. Einen Tanz mit dir hätte ich nachher dennoch gerne." Als ich an das erste und letzte Mal denke, dass wir gemeinsam getanzt haben, möchte ich mich gerne auf sein Gesicht übergeben. Wortlos lasse ich ihn stehen und gehe weiter, tue so, als hätte ich ihn heute gar nicht gesehen. Das steigert meine Laune wieder, die allein durch seine Anwesenheit stark minimiert wurde. Nach mindestens zehn Minuten weiß ich genauso viel mit mir und meiner Zeit anzufangen, wie Scientology menschenwürdig ist; genau null. Wie lange soll das noch so gehen? Rein theoretisch ist das hier sowieso mein Haus, also könnte ich das alles abbrechen, wann und wie ich will, aber ich weiß ganz genau, dass ich dazu viel zu feige bin. Dann heißt es wohl abwarten. Zur Not kann ich einfach in mein Bett gehen und schlafen, aber da ist die Angst zu groß, dass hier alles außer Kontrolle geraten könnte. Eine Weile stelle ich mich in die gut besuchte Ecke mit den Getränken, wo mich kaum jemand für voll nimmt. Aus reiner Genervtheit und Langeweile greife ich nach einem Bier und dem Flaschenöffner und trinke drauf los, hauptsächlich um meinen Durst zu löschen. Einerseits schmeckt es recht gut, andererseits finde ich Bier zum Kotzen. Viel zu schnell ist es geleert, also kommt das Zweite dran, bei dem ich nicht langsamer verfahre. Dann muss eben noch ein her. Nach zweieinhalb Flaschen fühle ich mich plötzlich angetrunken. Natürlich, Bier ist das Letzte, was ich vertrage. Als ich mich aus meiner Ecke entferne, ist auf einmal alles in dezenter Schieflage und ich mache Bekanntschaft mit der Wand, da es mir ziemlich schwer fällt, geradeaus zu laufen. Mein Weg führt mich schlussendlich in die Küche, weil ich mit einem Mal total hungrig bin, dabei fühlte ich mich vor nicht allzu langer Zeit noch wie schwanger. Aber in diesem Raum finde ich Alex vor. Und Samantha. Beide stehen jeweils mit einem Glas in der Hand an die Theke gelehnt und unterhalten sich mit einem ausgelassenen Lächeln. Dabei macht Samantha doch tatsächlich den Move, bei dem man gekünstelt kichert und sich das Haar über die Schulter wirft. Wirklich mitbekommen, was sie sagen, tue ich leider nicht, die Musik im Hintergrund ist einfach viel zu laut. Bei dem Anblick, wie die beiden Spaß zusammen haben, tut sich irgendwas in mir, was mir keinesfalls gefällt. Ich will mich gerade abwenden, da lehnt sich Alex nach vorne, keine Ahnung mit welcher Absicht, also mache ich auf mich aufmerksam. Alex kann von mir aus zusammen sein, mit wem er will, aber garantiert nicht mit Samantha, einfach aus Prinzip.

„Hier bist du ja, Alex!", kommt es viel zu quietschig aus mir heraus. Dieser verfluchte Alkohol, dadurch kann ich mich ja nicht mal selber ernst nehmen. „Ich habe dich schon überall gesucht.", lüge ich.

„Ach echt?". Alex wirkt überrascht.

„Ja, mir ist langweilig und das hier ist mein Geburtstag, also musst du was mit mir machen." Die Worte flutschen einfach so aus meinem Mund und sofort empfinde ich im nächsten Moment wieder Scham für sie. Wie peinlich, ich bettele Alex an, dass er etwas mit mir unternimmt. Wie verzweifelt oder angetrunken muss ich sein?

„Na gut und was wäre das?" Genau im richtigen Mund wird eines meiner absoluten Lieblingslieder gespielt. Wer hat die Musik ausgesucht? Da ist ja tatsächlich mal was Gutes dazwischen.

„Oh mein Gott, ich liebe diesen Song!", schreie ich voller Freude, nehme noch einen tiefen Schluck von meinem Bier, was ich dann in der Küche abstelle und flitze hinaus ins Wohnzimmer, wo für meinen Geschmack viel zu wenige Leute tanzen. Ohne lange darüber nachzudenken, beginne ich zu tanzen, überlege gar nicht, was ich tue, sondern mache es einfach. So ist es am befreiendsten. Es muss nur das richtige Lied laufen und all deine Hemmungen verschwinden. Im Gegensatz zu sonst ist es mir vollkommen egal, wer mir zusieht und was irgendwer darüber denken mag, denn das einzige was mich gerade interessiert, ist die Musik, die mich völlig einnimmt. Ich hüpfe durch die Gegend und beim Refrain gröle ich mit. „Come on Eileen!"

Alex steht grinsend an der Küchentür. Ich renne auf ihn zu und zerre ihn wieder mit zurück.

„Du musst mitmachen!", befehle ich ihm.

„Lass mal, das ist echt nicht mein Ding.", will er sich rausreden.

„Meins doch auch nicht. Vergiss einfach alles und hab Spaß.", lache ich.

„Wer bist du und was hast du mit Jo gemacht?" Nach einem unsicheren Blick durch die Menge, die uns so gut wie gar nicht weiter beachtet, fängt er langsam an, sich ebenfalls zur Musik zu bewegen. Als das Lied zu Ende ist, bin ich etwas traurig, weil ich denke, damit ist der ganze Spaß auch schon vorbei, aber ich werde überrascht, indem noch ein gutes Lied gespielt wird. Das steht stark im Kontrast zu dem Schrott von vorhin. Ich bin ebenfalls überrascht, dass Alex mitmacht und sich dabei sogar wohlzufühlen scheint. Nach ein paar Liedern benötige ich eine Pause und schwitze schon.

„Lass uns mal kurz rausgehen.", schlägt Alex vor.

„In Ordnung, warte kurz." Mein Bier steht noch immer dort, wo ich es gelassen habe. Ich kippe mir den Rest der Flasche hinter, weil ich furchtbar durstig bin. Darauf wird mir erstmal kurz schwindlig, dann habe ich mich aber wieder gefasst. Draußen gerate ich erstmal in eine Schockstarre. Das ist ja saukalt! Ich fange leicht zu bibbern an und schon wieder lege ich mein Gehirn in die hinterste meines Kopfes und lehne mich von hinten an Alex. Er ist so schön wärmend. Überrascht dreht er sich um und wir starren uns in die Augen. Wir können nicht damit aufhören. Hilfe, was wird das hier? Und warum bewegt sich mein Körper noch weiter auf ihn zu, um die kleine Lücke zwischen uns zu schließen?

„Hier bist du ja, Alex!", kommt es von nebenan. Samantha. Sofort springen wir einen Meter auseinander. Ihr Gesichtsausdruck soll mir wohl ungefähr so viel sagen wie: Wie du mir, so ich dir. Wenn sie wüsste, dass sie uns damit eigentlich einen Gefallen getan hat.

Hier ist wie versprochen das zweite Kapitel für heute!

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