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Jo

Auf den Kommentar von unserer Lehrerin laufe ich rot an wie ein Feuerlöscher, sogar Alex scheint peinlich berührt. Hoffentlich denken die anderen jetzt nichts Falsches. Ich habe absolut keine Lust auf Gerüchte und schon gar nicht auf welche, die mit dem kleinen Blödarsch zu tun haben. Nein, es tut mir leid, ihn Blödarsch zu nennen, wo ich doch jetzt von seinem Vater mehr oder weniger weiß. Wie sollte er sich auch anders verhalten, wenn er es zu Hause nicht anders mitbekommt? Wer hätte damit gerechnet.

Ich weiß, er hat meine Blicke gemerkt, aber ich kann nicht aufhören, ihn wie eine einsame, verletzte Babykatze anzustarren. Als hätte ich ihm vorhin seine Lüge abgekauft. Er könnte sich zwar wirklich am Tisch verletzt haben, aber ich kaufe ihm nicht ab, dass sein Vater dabei keine Rolle gespielt hat. Er hat viel zu nervös gewirkt. Aber kann ich es ihm verübeln? Er wird schon seine Gründe haben, nicht darüber zu reden, selbst wenn er sich nur nicht bereit dazu fühlt. Wann bin ich eigentlich zur Psychoanalytikerin mutiert?

„Bitte sag mir, dass du Alex eine reingehauen hast." Tom fängt mich im Schulflur ab und gemeinsam gehen wir zu unserer nächsten Stunde. Er ist heute untypischer Weise komplett in schwarz gekleidet, dabei trägt er diese Farbe so gut wie nie, nicht mal bei seinen Schuhen.

„Wie kommst du denn darauf und was soll die Stilveränderung?", frage ich überrascht.

„Also warst du es nicht. Und heute ist ein dunkler Tag, da heute Samantha, unser Sonnenschein zu Besuch gekommen ist und ich sie für die gesamte nächste Woche ertragen muss.", erklärt er deprimiert. Samantha ist seine Cousine. Sie scheint wie der Engel auf Erden und ist einem am Anfang super sympathisch und wenn sie dich dann erstmal in ihrem Netz gefangen hat, fängt sie an dich zu quälen, auf die verschiedensten Arten. Tom hat mich zum Glück immer vor ihr bewahrt, aber ich konnte praktisch zusehen, wie sie sich ein Mädchen zur Freundin gemacht und sie dann maßlos ausgenutzt hatte.

Ich kann mir nicht erklären, warum manche Menschen solch einen verdorbenen Charakter haben. Jedenfalls muss Samantha auch immer wie die größte Prinzessin behandelt werden und somit darf Tom nebenberuflich für eine Woche Sklave spielen, der Arme.

„Oh nein, nicht Samantha. Außerdem könnte ich das unmöglich gewesen sein, immerhin bin ich Pazifistin." Zumindest tue ich so, in Gedanken stelle ich mir schon manchmal vor, wie ich dem einem oder anderem mal schön eine reinhaue. Wenn ich an meine Kindergartenzeit zurückdenke bin ich mir ziemlich sicher, keine zu sein oder gewesen zu sein.

„Nur, weil du noch nie jemanden geschlagen hast oder sonstiges, bist du nicht gleich Pazifistin. Entschuldige, dass ich dir nicht gesagt habe, dass uns das kleine Biest erwarten wird und das auch noch, wo du doch bald Geburtstag hast." Ja, am Samstag habe ich Geburtstag und dazu auch noch meinen Achtzehnten, der ja ach so besonders sein soll. Mir sind Geburtstage total egal, nur meinen Mitmenschen nicht. Sollte man nicht eher seine Mutter an diesem Tag feiern, dafür, dass sie einen fast zehn Monate mit einem rumgetragen hat, die Hälfte ihres Körpergewichtes zugenommen und dann auch noch durch eine ziemlich kleine Körperöffnung hinaus gepresst hat? Das ist mal eine Leistung, ich selbst kann ja nichts dafür, dass ich geboren wurde. Dementsprechend feiere ich auch nie meinen Geburtstag und werde es auch nicht tun, so sehr mich Tom und meine Mutter auch dazu zwingen wollen. Ganz davon abgesehen würde dies sowieso eine sehr, sehr einsame Party werden.

„Was machst das schon, wenn ich Geburtstag habe? Das ist ein Tag wie jeder andere, von daher ist es ziemlich egal, wann Samantha da ist. Und komm nicht auf die Idee, mir etwas zu schenken!", warne ich ihn.

„Habe ich jemals gegen diese Regel verstoßen? Du hast echt einen an der Klatsche.", meint er freundschaftlich.

„Dann ist doch alles gut und jetzt tritt in die Hufen, ich will nicht zu spät kommen!"

Nach der letzten Stunde bin ich die Letzte, die den Raum verlässt, da mich meine Lehrerin noch eine ganze Weile aufgehalten hat, um mir eine Uni zu empfehlen. Dabei weiß ich schon seit der siebten Klasse, wo ich mal studieren will. In nicht mehr allzu langer Zeit mache ich schließlich mein Abi und davor habe ich mehr als Angst, aber noch sind es ein paar Monate. Ich kann nicht glauben, dass es danach geschafft sein soll, doch das Lernen wird noch fünf Jahre weitergehen. Ich bin ja mal gespannt, wie Alex das Ganze trotz Mathe meistern wird. Ich weiß, dass er dafür in einigen anderen Fächern seine Stärken hat.

Der Schulflur ist schon leer, als ich das Klassenzimmer endlich verlassen darf. Nein, ich wurde enttäuscht, das Universum meint es nicht gut mit mir. Natürlich muss in dem Moment, in dem ich dran vorbeilaufe, Jan aus der Jungentoilette kommen und das auch noch mit einem ekelhaft breitem Grinsen. Das gleiche Grinsen, das man auch von einem durchgeknallten Vergewaltiger oder Mörder erwarten könnte. Kurz gesagt, es macht mir Angst.

„Vor dir ist man doch nirgends sicher, oder?", murmele ich mehr als genervt vor mich hin.

„Tu doch nicht immer so, als würde ich dir irgendwas antun wollen? Du gibst mir nicht die geringste Chance, dir zu beweisen, dass ich ein netter Kerl bin.", heuchelt er mir vor.

„Lieber, lieber Jan. Du magst sicher viele Seiten haben, aber garantiert keine, die ich persönlich nett finde. Da ist mir ein hungriger Komodowaran um einiges angenehmer. Wenn ich dann bitte endlich nach Hause gehen dürfte." Ich laufe an Jan vorbei, aber dieser ist anscheinend noch nicht fertig. Ich schnaufe genervt.

„Dann geh nochmal mit mir aus. Komm schon, was hast du zu verlieren?", bittet er mich.

„Meine Würde. Nein, das eine Mal hat gereicht, wozu das Alles?"

„Ach komm schon, angeblich verbringst du doch so viel Zeit mit Alex, was ist an ihm besser?"

„Wo hast du das denn aufgeschnappt? Ist eigentlich auch egal, nein heißt nein und ich traue dir nicht über den Weg.", lasse ich mich nicht rumkriegen.

„Alles in Ordnung bei euch?" Auch Alex kommt aus der Toilette zu uns. „Lass uns gehen, Jan." Er schiebt Jan in Richtung Ausgang und nimmt es sich doch tatsächlich heraus, mir zuzuzwinkern. Schon klar, mein heiliger Retter in der Not.

Hier ist ein neues Kapitel, die Geschichte geht noch bis Kapitel 42 und hoffe, dass ihr dran bleibt. Übrigens schade, dass es in letzter Zeit keine Kommentare mehr gibt, aber wenn keiner was zu sagen hat, geht das ja auch schlecht.

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