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Jo

„Wir schreiben doch diese Mathearbeit morgen und ich hätte da mal noch so eine Frage.", spricht mich Alex nach dem Film an. Daher weht also der Wind seiner Freundlichkeit. So ein verdammter Heuchler, aber wie könnte er auch anders sein.

„Um was geht es denn?" Und somit beginnt eine einstündige Diskussion darüber, ob ich zu inkompetent oder er zu blöd ist, um diesen einfachen Sachverhalt zu verstehen. „Wenn du morgen nicht wenigstens sieben Punkt erreichst, dann erwürge ich dich, mit einer Zange!", drohe ich ihm sicherlich sehr überzeugend, um ihn anzutreiben, damit er sich auch richtig anstrengt.

„Nein, mal im Ernst. Danke, dass du mir geholfen hast. Auch wenn ich nicht gerade immer freundlich zu dir war, danke."

„Du sprichst im Präteritum, seit wann bist du denn nicht mehr unfreundlich?", frage ich ihn mit verschränkten Armen. So einfach nehme ich seinen Dank nicht an. Klingt das bescheuert, kindisch? Vermutlich, aber ich will ihn auch wenigstens mal ein bisschen quälen.

„Also gestern und heute war ich nicht gerade fies. Na gut, vielleicht auch nur heute. Tut mir im Übrigen auch Leid, dass ich oft so ein Arsch dir gegenüber war oder wie du es ausdrücken würdest, bist. Vielleicht sollten wir ja nochmal von vorne anfangen.", schlägt er mir vor und klingt dabei überraschend ernst.

„Sag mal, bist du auf Drogen?", kann ich nur lachend erwidern.

„Was ist daran bitte so witzig? Ich mache dir hier ein ernsthaftes Friedensangebot und du lachst?"

„Fassen wir doch mal zusammen, mein Lieber: In der zweiten Klasse hast du mir die Sachen geklaut, als wir nach dem Schwimmunterricht unter der Dusche standen. Am ersten Schultag in der fünften Klasse hast du rum erzählt, dass ich mir noch in die Hose mache, damit sich niemand neben mich setzen wollte. In den Sommerferien zur siebten Klasse haben du und Jan unter der Schaukel auf der ich saß, Hundevekalien abgelegt, mich dann runtergeworfen, damit ich mit dem Rücken reinfalle. In der neunten Klasse habt ihr mir einen falschen Liebesbrief geschrieben, ich bin darauf reingefallen und ihr habt euch köstlich darüber amüsiert. In der zehnten Klasse habt ihr mir im Winter einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf gekippt, wonach ich übrigens eine Woche schrecklich erkältet im Bett lag. Letztes Jahr bin ich auf der Exkursion mit angemaltem Gesicht aufgewacht und ich bin mir sicher, dass du das auch warst, mit Jan als deinen Komplizen. Wie willst du das alles wieder gut machen? Zu deiner Information waren das alles nur ausgewählte Vorfälle, hinzu kommen noch sämtliche kleinere Schikanen. Mit einer kleinen Entschuldigung ist das jedenfalls nicht alles wieder gut gemacht. Und du bist nicht nur ein Arsch, sondern ein Blödarsch!" Ich kann mich noch genau an alles erinnern. Schon immer hatte er es auf mich abgesehen gehabt, er ist zwar seit den letzten zwei Jahren nicht mehr ganz so schlimm, anscheinend kann sogar ein Alex erwachsener werden, doch aufgehört hat er immer noch nicht, weshalb mich sein angeblicher Sinneswandel ziemlich skeptisch werden lässt.

„Okay, das klingt nicht ganz so toll. War oder bin ich wirklich so schlimm? Ich kann mich an so gut wie gar nichts mehr davon erinnern.", meint er mit einem verlegenen Lachen. Das ist ja fast schon niedlich. Moment, was habe ich da gerade gedacht? Alex und niedlich? Vermutlich bin doch ich es, die auf Drogen ist.

„Aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass du früher auch nicht ganz ohne warst, auch wenn das keine wirkliche Verteidigung ist. Im Kindergarten hast du mich immer ganz schön zusammen geschlagen, für eine Fünf jährige." Mir stockt der Atem. Das kann doch nicht wahr sein! Ich meine, mir ist klar, dass ich im Kindergarten ab und zu etwas gewalttätig werden konnte, vor allem gegenüber einem gewissen Jungen, aber er will mir doch nicht sagen, dass er das war.

„Du warst das? Der kleine Junge, der ständig mit den Mädchen Barbies spielen wollte und sich beim Verkleiden immer als Prinzessin angezogen hat?", bekomme ich einen Lachanfall. Ich habe wieder das Bild dieses kleinen Jungen vor mir, wie er in einem pinken Rüschenkleid, Federboa und Plastikkrone vor mir stand. Ich, die damals immer Klamotten aus der Jungenabteilung getragen hat und sich schlicht weg geweigert hat, sich auch nur ansatzweise wie ein Mädchen zu benehmen. Damals war sozusagen ich der Bad Boy und er das Mädchen, das schikaniert wurde. Ich kann nicht glauben, dass hier genau der gleiche Junge vor mir sitzt, nur Jahre älter. Er hat sich seit dem Kindergarten wirklich stark verändert, heute würde niemand mehr auf die Idee kommen, wie er damals war.

„Hör auf zu lachen! Das ist wirklich verdammt peinlich und ich konnte auch nichts dafür, irgendwie wollte ich mich damals meinen Eltern widersetzen. Lustig, dass das ausgerechnet mit so jungen Jahren war, während die meisten ihre rebellische Phase mit vierzehn oder fünfzehn Jahren haben." Da muss ich ihm Recht geben. Haben wir gerade etwa eine Gemeinsamkeit entdeckt? „Du hast dich im Gegensatz zu mir aber kaum verändert, bis auf das Verprügeln. Heute würde ich gewinnen." Wir beide verfallen in tiefes Gelächter, in Gedanken an alte Zeiten. Das Ganze kommt mir so absurd vor. Eben noch war ich so wütend auf ihn, bis eben wusste ich noch gar nichts von damals, aber es ist so ein witziger Zufall.

„Also war das alles so eine Art Rache für damals?", grübele ich nun wieder ernst.

„Wahrscheinlich schon. Wie wäre es, Neuanfang?" Er eicht mir die Hand und ich überlege. Sollte ich das Angebot annehmen? Vielleicht ist es auch wieder nur ein blöder Streich von ihm.

„Dir ist schon bewusst, dass ich damals noch ein Kind war und das nicht mit der Absicht getan habe, wie du in den letzten Jahren."

„Ich war damals mehr als verletzt! Ich hatte auch Gefühle. Lass uns einfach sagen, dass wir quitt sind." Ich starre noch immer auf seine Hand, doch ich nehme sie nicht an.

„So einfach nicht." Ich habe meine Würde und meinen Stolz. Durch ein kurzes Entschuldigung und Gerede von wegen ausgleichender Gerechtigkeit reicht mir nicht. „Wenn du mir innerhalb einer Woche beweisen kannst, dass du gar nicht so schrecklich bist, können wir dieses Gespräch fortsetzen."

Ich hätte gerne nochmal drübergeguckt, aber habe keine Zeit. Überraschenderweise kann ich heute doch was hochladen.

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