Alex
Jessica ist ein wenig betrunken und tanzt mich schon eine Weile an. Sie geht mir auf die Nerven. Warum gibt sie nicht auf, obwohl ich ihr doch durch meine Haltung und Ignoranz klar und deutlich machen sollte, dass ich nichts von ihr möchte. Vielleicht sollte ich ja doch etwas trinken, aber ich habe mir geschworen, die Finger von Alkohol zu lassen. Das klappt zwar nicht immer ganz so gut, wie man schon mal mitbekommen hat, aber das sind seltene Einzelfälle.
Als der ganze Mist mit meinem Vater begonnen hatte, da war ich fünfzehn, wenn ich mich recht erinnere, versuchte ich, es mir durch Alkohol schönzutrinken. Aber das war natürlich nicht der einzige Auslöser. Allgemein haben alle in dem Alter gemeint, es wäre ungemein cool, sich jeden Tag die Kante zu geben. Jedoch hat mich das irgendwann unberechenbar gemacht und es ging mir einfach noch schlechter als vorher.
Man kann seine Sorgen niemals ertränken. Sie werden immer da sein, solange man sie nicht ernsthaft bekämpft, sie können schwimmen. Also versuchte ich so klarzukommen, so schwer es auch war, doch ich hatte ein Ziel.
Und bald würde ich hoffentlich von diesem Arschloch befreit sein, denn eins ist klar: So bald ich meinen Schulabschluss habe, bin ich im Nu weg. Mein Rücken tut immer noch weh, Gott sei Dank nicht mehr so stark wie vorher. Ich hasse diesen Bastard, war er tatsächlich mal ein normaler Vater gewesen? Wie lange ist das schon her? Heute ist er für mich nur noch ein Monster.
Er ist wieder da. Unten poltert es, ich höre, wie er Mum anschreit. Sie muss auf der Couch eingeschlafen sein. Wie dumm von ihr, wie riskant. Er hat getrunken, das merkt man sofort. Es ist schon halb drei in der Nacht, das heißt, er hat sich wieder mit einer anderen Frau vergnügt. Vermutlich habe ich es daher, so untreu zu sein. Es macht mir Angst, Gemeinsamkeiten zwischen mir und ihm zu finden.
Auch wenn es schon so spät ist, ich habe noch kein Auge zugetan, konnte es nicht, hatte Angst, immer noch. Ich erinnere mich noch genau an seine Worte, bevor er gegangen ist. Er hält immer sein Wort, zumindest was Drohungen betrifft. Plötzlich verstummt es draußen. Ich lausche, doch kann nichts mehr hören. Ob er sie geschlagen hat? Ob sie weint? Sie wird weinen, sie tut es immer. Doch wenn er sie weinen sieht, steigert es seine Aggressivität nur noch viel mehr. Dann knarzen die Stufen. Er kommt. Ich kann nur hoffen, dass er weitergeht, doch das wird er nicht. Sein Hirn ist ausgeschalten, er hat nur noch Triebe im Kopf, den Trieb, jemandem wehzutun.
Als das Knarzen aufhört, weiß ich sofort, dass er vor meiner Tür steht. Ich habe mir gemerkt, wie viele Schritte man von der Treppe bis zu meinem Zimmer benötigt und das hat er eingehalten. Die Tür öffnet sich, ganz langsam, quälend. Es ist die reinste Qual, genau zu wissen, dass nun etwas Schreckliches passieren wird. Doch ich muss mich zusammenreißen, muss daran denken, endlich von ihm loszukommen und ihm nicht nachzugeben, doch mich in gewisser Weise zu unterwerfen.
„Hey, Alex! Papa ist da! Willst du nicht hallo sagen?", säuselt er mit lieber Stimme. Denkt er wirklich, er kann mich so trügen? Wie alt bin ich? Als ich keine Regung zeige, wird er nur noch aggressiver.
„Steh auf!", brüllt er nun und zerrt mich aus dem Bett. Normalerweise wäre das nicht so einfach für ihn, doch ich weiß, dass es nichts bringt, wenn ich mich weigere. So würde es nur noch schlimmer werden. In der Dunkelheit kann ich kaum etwas sehen, doch Dad steht perfekt im Mondlicht, sodass ich erkennen kann, was er in seiner Hand hält. Der Gürtel. Ich schluck schwer und könnte kotzen. Dies ist nicht meine erste Begegnung mit diesem teuflischen Teil, schon zweimal ist ihm ausversehen die Hand damit ausgerutscht. Die Erinnerungen daran sind fast so scheußlich wie der eigentliche Schmerz. Dad sieht mein Entsetzen und fängt breit an zu grinsen. In diesem Licht sieht er einfach unheimlich aus.
„Dreh dich um!", fordert er und ich tue es ohne Widerspruch. Nicht Lange muss ich warten, da spüre ich schon den betäubenden Schmerz. Die harte Schnalle hat perfekt getroffen. Anfangs merke ich kaum etwas, doch schnell breitet sich dieses scheiß Gefühl aus, bei dem man sich am liebsten die Haut vom Körper reißen möchte. Er lässt mir aber keine Chance, mich vom ersten Schmerz zu erholen, schon trifft mich der Gürtel erneut. Ich will weinen, ich will mich wie ein Kind unter meiner Bettdecke vor den bösen Monstern verstecken, ich will schreien, ich will ihm selbst wehtun, sodass er nie wieder in der Lage sein wird, auch nur einer Fliege etwas anzutun. Doch ich schweige. Würde ich irgendwas von den genannten Dingen tun, würde er bekommen, was er will. Er darf mich nicht leiden sehen, er wird mich nicht leiden sehen. Sechs. Der sechste Schlag und es wird von Mal zu Mal schlimmer. Die Abstände dazwischen variieren, dadurch bin ich jedes Mal unvorbereitet. Das ist das Schlimme daran, die Person nicht zu sehen. Du weißt nie, wann es dich wieder trifft. Ich beiße die Zähne so fest zusammen, dass es schon wehtut. Wann ist es nur vorbei? Bekommt Mum es mit? Ich hoffe nicht. Sie soll nicht noch mehr Schmerzen haben und helfen könnte sie mir auch nicht. Nein, ich brauche keine Hilfe, ich stehe das ganz allein durch. Nach zehn Schlägen scheint er genug zu haben. Ich höre nur noch eine Tür kräftig zuschlagen, dann ist alles ruhig. Meine größte Angst ist in diesem Moment, dass er Chelsea etwas antun könnte. Bisher hat er sie nur geohrfeigt, aber so unberechenbar, wie er momentan ist, da würde ich ihm alles zutrauen.
Ich will mich hinlegen, will schlafen und den furchtbaren Schmerz vergessen, wenigstens für den Moment, doch er ist gerade alles, woran ich denken kann. Bewegen kann ich mich absolut nicht. Jede noch so kleine Zuckung eines Muskels verursacht nur noch mehr Schmerzen. Also hocke ich weiterhin in meiner Position, fühle mich wie erstarrt, wie eine Statue. Würde ich nicht noch diese Qual verspüre, würde ich denken, ich sei tot.
Die Gedanken an diesen Abend lassen meine Laune nur noch tiefer sinken, als sie eigentlich schon ist. Ich mache mich auf den Weg in Richtung Ausgang, doch dann fällt mir Jo auf.
Dam, dam, daaaaaam...Heute melde ich mich doch mal am Ende des Kapitels. Mir hat der Teil mit Alex und seinem Vater verdammt viel Spaß gemacht. Und ein kleiner, aber feiner Cliffhanger wurde eingebaut. Ach ja, habe jetzt übrigens Ferien, wer auch und in welche Klasse kommt ihr jetzt?
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Love The Geek
Teen FictionSchüchtern, Außenseiter, Nerd. Genau das ist Jo. Im Gegensatz dazu ist Alex beliebt, Wanderpokal und ein Arschloch. Was für eine Ironie des Schicksals, dass Jo ausgerechnet Alex Nachhilfe geben soll. Schnell entzündet sich ein regelrechter Kampf zwi...