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Jo

Ich liege in meinem Bett, zerdrücke mein Kuscheltier, welches ich in meinen Armen gefangen halte und grinse wie eine Blöde vor mich hin. Was soll das bitte? Ich benehme mich wie ein verliebter Volldepp. Das bin ich nicht, so ein Quatsch. Ja, wir haben uns geküsst, na und? Sofort denke ich wieder an seine weichen Lippen und was sie in mir ausgelöst haben. Verdammt, natürlich bin ich verliebt oder ich habe eine sehr seltene Krankheit, doch Google sollte ich da lieber nicht fragen, sonst wird mir nur prophezeit, dass ich nächste Woche sterben werde. Zum Sterben fühlt es sich zu gut an. Wie konnte das nur passieren? Warum ausgerechnet in Alex und wie kann es sein, dass er anscheinend auch so fühlt? Gut, er hat sich geändert, so kommt es mir zumindest vor, aber ich bin doch gar nicht sein Typ. Ich habe zu viel Hirn und zu wenig Sexappeal, das totale Gegenteil zu seinem üblichen Beuteschema, das an sich ungefähr wie Jessica vorstellen kann. Große Brüste, wahnsinnig schlank und attraktiv. Was ist, wenn er mich einfach nur verarscht oder er morgen nicht mal mehr mit mir reden will? Jetzt sei nicht so misstrauisch, Jo. Ich muss endlich versuchen, Menschen positiver gegenüberzutreten. Ich muss mit jemandem reden. Meine Mutter? Nicht unbedingt meine erste Wahl. Chelsea? Die Schwester von Alex, dabei würde ich mich unwohl fühlen. Tom? Passt am ehesten, auch wenn er ein Junge ist. Über so ein Thema habe ich bisher mit niemandem geredet, weil ich noch nie etwas damit zu tun hatte. Manch einer würde lachen, dass ich erst mit achtzehn Jahren den ersten Kuss meines Lebens hatte, mir ist das aber egal, denn einen schöneren hätte ich nicht haben können.

Nachdem ich Tom angerufen habe, ist er auch schon da.

„Danke, endlich hatte ich eine vernünftige Ausrede, um Sam loszuwerden. Dieses Mädchen treibt mich in den blanken Wahnsinn. Die Tage kommen mir mit ihr so unendlich lang vor und es ist erst die Hälfte rum.", lässt er sich verzweifelt über Sam aus. „Also, was ist der dringende Notfall, für den ich hierher sprinten musste?"

„Ich glaube, ich mag jemanden.", versuche ich, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Ich schrecke zusammen, als Tom mich plötzlich an den Schultern packt und über das ganze Gesicht strahlt.

„Ich fasse es nicht, mein kleines Mädchen wird erwachsen! Endlich entdeckst du auch eines der schönsten Gefühle auf dieser Welt, ich freue mich so!" Er nimmt mich in den Arm und erdrückt mich dabei fast so stark, wie ich zuvor mein armes Kuscheltier.

„Jetzt spiel das nicht so hoch. Ich habe doch nur gesagt, dass ich jemanden mag."

„Und in deiner Sprache bedeutet das, dass du in jemanden verliebt bist. Erzähl schon und spann mich nicht weiter auf die Folter! Wer, wann, wo und wie?", fordert er mich auf, scheinbar ohne zwischendurch Luft zu holen.

„Ich weiß gar nicht mehr, ob ich es dir noch erzählen sollte. Es mir ein bisschen peinlich."

„du Feigling, jetzt hab dich nicht so! Wie oft habe ich dir erzählt, dass ich mich verknallt habe?", beschwichtigt er mich.

„Apropos, was läuft jetzt eigentlich zwischen dir und Chelsea?", lenke ich das Thema auf die beiden.

„Wir haben uns lange auf der Party unterhalten, mit einander getanzt und uns geküsst, treffen uns jeden Tag und schreiben viel miteinander. Kurz gesagt, wir sind zusammen. Siehst du, so einfach geht das.", rattert er runter. Ich konnte es mir zwar schon denken, aber es nochmal aus seinem Mund zu hören ist toll. Hätte mir jemand vor einer Woche gesagt, Tom würde das tollste Mädchen, das ich kenne aufreißen, den hätte ich ausgelacht, so oft wie er mir die Ohren über einen Haufen voll Typen vollgeschwärmt hat. Da fällt mir ein, dass unter diesen Typen auch einmal Alex war. Das nimmt mir meine Hemmungen ein wenig.

„Es ist Alex. Ich weiß, das ist schwer zu glauben, ich selber habe es nicht mal richtig begriffen, aber es kam einfach so. Nach der Schule hat er mich mit zu seinem Lieblingsort genommen und da hat er mich dann geküsst. Hattest du auch schon mal so ein komisches Gefühl im Bauch? Ich kann es schwer beschreiben.", lasse ich meinen Worten freien Lauf.

„Und wie ich das schon mal hatte. Das was du meinst wird häufig auch als ‚Schmetterlinge im Bauch' bezeichnet. Glückwunsch, du bist zum ersten Mal in deinem Leben verliebt, das müssen wir gefälligst feiern!"

„Ich denke nicht, dass wir das müssen.", bin ich gleich dagegen.

„Lüg mich doch nicht an! Eigentlich würdest du doch gern nochmal richtig feiern. Hey, wie wäre es, wenn du mit Alex und ich mit Chelsea gehen." Ich muss daran denken, dass die Feiern, auf die mich Alex geschleppt hat, immer beinahe mit einem Kuss endeten.

„Streich dir das erstmal aus dem Kopf. Ich weiß ja gar nicht, ob Alex und ich eine Beziehung miteinander anfangen wollen."

„Warum denn das? Ihr scheint euch beide auf diese Weise zu mögen. Das ist der perfekte Grund, um eine Beziehung zu haben.", argumentiert Tom. Unrecht hat er natürlich nicht, trotzdem sollte man bei sowas auch das Einverständnis des anderen haben und wer weiß, was in dem Kopf von Alex vorgeht. Er kann seine Meinung noch ändern, genauso wie ich.

„Ach Kleines, du musst noch so viel über die Liebe lernen."

Eine Stunde, nachdem ich Tom gegangen ist, kommt auch meine Mutter nach Hause. Mir fällt sofort auf, wie schick sie sich gemacht hat. So aufgebrezelt ist sie für die Arbeit im Normalfall nie. Von Näherem kann ich dann aber auch die roten Augen erkennen. Als wären unsere Rollen getauscht, stelle ich mich mit verschränkten Armen und strafendem Blick vor sie.

„Wo warst du?", frage ich mit strenger Stimme.

„Nirgends, arbeiten. Und, was hast du heute Schönes gemacht?", lügt sie mir ins Gesicht und geht an mir vorbei in die Küche.

„Ich weiß, dass das nicht die Wahrheit ist."

„Herrgott nochmal! Bist du meine Mutter oder ich deine? Ja, ich habe mich mit ihm getroffen. Zufrieden?", antwortet sie endlich wahrheitsgemäß.

„Warum triffst du ihn, nach dem, was er dir angetan hat?" Man kann ihren blauen Fleck, das Veilchen und die Schrammen, so sehr und gut sie auch versucht hat, diese zu überschminken.

„Ich liebe diesen Mann. Ich weiß, du kannst das nicht nachvollziehen und das verlange ich nicht von dir. Was er auch tut, obwohl er verheiratet ist, ich fühle mich in gewisser Weise abhängig von ihm. Er hat so eine tolle, liebevolle Seite, der ich nicht widerstehen kann und die mich wieder zu ihm zieht. Wenn du mal verliebt bist, kannst du das vielleicht eher verstehen." Fast lache ich laut auf.

„Du hast Recht, ich verstehe niemanden von euch! Wieso lasst ihr euch alles von ihm gefallen?" Voller Wut und Enttäuschung renne ich auf mein Zimmer und bin für heute fertig mit der Welt.

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