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Jo

Ich bin überrascht, wie spaßig der Nachmittag war und wie schnell die Zeit verflog. Jedoch waren weder ich, noch Alex eine großartige Hilfe beim Kochen. Chelsea hat das alles so gut wie allein in die Hand genommen und hat dabei sehr professionell gewirkt. Das einzige, was ich kochen kann, ist Rührei, ansonsten ist die Mikrowelle mein Freund und Helfer. Ich wehre mich einfach strikt dagegen, mich an die alte Rolle der Frau anzupassen, die immer brav in der Küche steht und kocht. Wohl eine lahme Ausrede. Meine Mutter hat es mir auch nie beigebracht und viele andere Mitglieder aus meiner Familie kenne oder habe ich gar nicht. Trotzdem kommt man prima ohne aus.

Wir sind so gut wie fertig, das Sushi sieht beinahe so gut aus wie beim Asiaten. Was für ein Zufall, dass sie genau für dieses Essen die passenden Zutaten parat hatte. Chelsea hat das mit Sicherheit geplant. Wir unterhalten uns nebenbei und die Stimmung ist ziemlich ausgelassen, doch mit einem Mal verstummen Alex und Chelsea, halten in ihrer Bewegung inne und drehen sich zur Tür.

Ich selbst höre jene Tür zufallen und drehe mich ebenfalls um, schnappe währenddessen ihre angespannten Gesichtsausdrücke auf. Ein Mann im Anzug und Aktenkoffer betritt das Haus und die ich spüre, wie die sich die Stimmung in den derzeitigen Zustand meiner verstaubten Gitarre verändert-im Keller. Das kann ich verstehen, die Miene, die dieser Mann verzieht, ist nicht sehr einladend. Man könnte schon regelrecht Angst vor ihm bekommen.

„Hallo Vater.", pressen die beiden Geschwister zaghaft hervor. Nanu, so habe ich Alex ja noch nie erlebt. Er wirkt ja schon fast ängstlich und das vor seinem eigenen Vater? Sollte ich mir Sorgen machen?

„Guten Tag.", begrüße ich ihn ebenfalls mit nicht viel lauterer Stimme. Er sieht überrascht zu mir, als hätte er noch gar nicht mitbekommen, dass noch eine Person mit im Raum ist. Ich sage ja, ich bin fast unsichtbar. Er räuspert sich und seine Miene verändert sich von einem eher ärgerlichen Ausdruck zu einem neutralen, womit man sich bei ihm wahrscheinlich sehr glücklich schätzen kann, bevor er mir zunickt und dann nach oben verschwindet. Was für ein seltsamer Mann.

Alex und Chelsea wirken beide erleichtert, doch gleichzeitig immer noch etwas angespannt. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand so auf seinen Vater reagiert. Da muss doch irgendwas faul sein. Schon allein die Art, wie sie Hallo Vater. gesagt haben, kam mir keinesfalls normal vor. Mein Problem ist leider nur, dass ich zu scheu bin, um die beiden zu fragen, ob sie Probleme haben.

„Dann lasst uns mal essen!", sagt Chelsea nun wieder in guter Stimmung, als hätte sie einfach einen Schalter umgelegt.

Nachdem wir aufgegessen haben, geht Alex auf sein Zimmer, da er angerufen wird, während ich Chelsea beim Aufräumen helfe. Das Zusammentreffen mit ihrem Vater will mir keineswegs aus dem Kopf gehen und ich weiß, wenn ich jetzt nicht nachhacke, dann wird mich das mindestens noch den ganzen Tag beschäftigen und jedes Mal, wenn ich Alex sehe.

„Sag mal, das war doch vorhin euer Vater, richtig?", beginne ich zögerlich.

„Ja, warum sollte ich ihn sonst so nennen?", meint Chelsea lachend. Noch lässt sie sich nichts anmerken.

„Tut mir leid, die Frage ist wohl ein bisschen dumm, aber ist mit euch...Also, was ich meine, ob ihr mit eurem Vater klarkommt?" Ihr Griff um den Teller in ihrer Hand verstärkt sich und sie beißt merklich die Zähne zusammen, als hätte ich einen wunden Punkt getroffen. Da ist also tatsächlich was nicht ganz in Ordnung.

„Wie kommst du denn darauf? Alles okay.", beantwortet sie meine Frage, als sie sich wieder gefangen hat.

„Chelsea, es ist eure Sache, ob ihr über sowas reden wollt oder nicht, aber wenn es zu schlimm wird, was auch immer her los ist, dann holt euch Hilfe." Mir kommen wieder die Narben auf Alex' Rücken in den Sinn und der Gedanke daran, dies könnte sein Vater gewesen sein, widert mich an. Das wäre eine plausible Erklärung, doch muss natürlich nicht der Wahrheit entsprechen. Es wirkt zu absurd. Ein Vater könnte doch niemals seinem eigenen Sohn so etwas antun, oder?

„Wozu denn, ich habe doch schon gesagt, hier ist alles gut. Uns geht es gut." Sie wird immer leiser und trocknet den Teller immer weiter ab, obwohl er schon vor einer Minute trocken war.

„Es ist okay und verständlich, dass du nichts sagen willst, aber verkauf mich nicht für dumm. Ein blinder mit einem Krückstock würde merken, dass du lügst. Entschuldige, dass ich das Thema überhaupt angeschnitten habe, es geht mich ja nichts an. Ich bin nur besorgt."

Chelsea atmet tief durch, packt den Teller endlich bei Seite und sieht mich an.

„Du hast ja Recht. Hätte ich gewusst, dass er heute so früh nach Hause kommt, hättest du gar nicht erst herkommen sollen. Aber von mir wirst du nichts erfahren. Wenn Alex dir etwas erzählen will, dann ist das seine Sache, aber ich sage dazu nichts."

„Ich will dich auch nicht zwingen. Du sollst nur wissen, falls etwas passiert, ich stehe dir jederzeit zur Verfügung."

„Das wird nicht nötig sein. Wenn du irgendwem davon erzählen solltest..."

„Keine Sorge, so bescheuert bin ich ganz sicher nicht. Ich werde schweigen wie ein Grab.", versichere ich ihr. Wir machen auch den Rest noch sauber, verfallen in Schweigen. Jetzt ist die Stimmung endgültig im Keller, doch manche Dinge muss man einfach mal ansprechen.

„Ich verabschiede mich noch von Alex."

„Mach das, es war trotzdem schön, dass du hier warst. Alex kann dir ja mal meine Nummer schicken." Chelsea umarmt mich noch einmal, bevor ich zu Alex gehe. Dieser sitzt auf seinem Bett und tippt irgendwas auf seinem Smartphone herum, was er sofort weglegt, als er mich bemerkt.

„Ich gehe dann mal. War ja ganz nett heute." Wir stehen uns gegenüber und ich habe absolut keine Ahnung, wie ich mich von ihm verabschieden soll. Ich fand nur, es gehört sich, sich trotzdem zu verabschieden, ob man die Person nun sonderlich mag oder nicht.

„Ja, fand ich auch. Soll ich dich vielleicht noch fahren?", bietet er mir sogar an.

„Nein, danke. Ich laufe gerne. Bis morgen." Ich wende mich zur Tür um, die ganze Szene ist so ungekonnt peinlich.

„Ach, Jo? Hat meine Schwester noch irgendwas gesagt?" Ich denke, mit seiner Frage spielt er auf die Situation mit seinem Vater an.

„Nein.", antworte ich und tue vorerst so, als wüsste ich von nichts.

Hello, it's me...again.
Wie gesagt, alle 2 Tage erscheint ja nun ein Kapitel und ich halte mich dran!
Lasst mir gerne eure Meinung da und ansonsten schreiben wir uns am Mittwoch wieder.

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