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1. Kapitel

Das Erste, was mir an ihm auffällt, sind seine Haare- mir fällt bei Leuten eigentlich immer zuerst das Haar auf.
Seine sind dunkel und zerzaust und lang und kurz zugleich, was ihn auf eigenartige Art und Weise so perfekt wirken lässt, dass ich kaum noch meine Augen von ihm richten kann.

Er trägt Klamotten, die ich zuvor nur bei Bandmitgliedern auf Cover irgendwelcher Rockbandplatten gesehen hatte.
Lederjacke, zerrissene Jeans und abgenutzte Turnschuhe.
In seinem Mund steckt eine qualmende Zigarette. Er weiß offenbar nicht, dass auf dem Schulgrundstück ein Rauchverbot gilt.
Oder ihm ist es einfach schlichtweg egal.

Lässig trägt er seinen schwarzen Rucksack auf einer Schulter und schlurft über den Schulhof. Sein Blick ist geradeaus gerichtet. Er hat etwas Undefinierbares in seinen dunklen Augen.
Etwas Geheimnisvolles.
Etwas verboten Gefährliches.

Und genau das ist es, was mich wahrscheinlich so an ihm fasziniert.
Er hebt sich komplett von allen anderen Jungs ab, die ich jemals zuvor gesehen habe und es ist so unvorstellbar erfrischend, dass mir sein Anblick vor Aufregung glühende Wangen und kribbelnde Finger bereitet.

Er ist wahrscheinlich das attraktivste menschliche Wesen, welches meine Augen je erblickt haben und dennoch bin ich mir sicher, dass mehr hinter dieser traumhaften Fassade steckt.
Während ich den fremden Jungen beobachte, kralle ich ich mich enger an meine Umhängetasche und versuche vergeblich meinen schnellen Atem besser unter Kontrolle zu halten.

"Ist der gerade aus irgendeinem Loch gekrochen oder was?", spottet meine beste Freundin Quinn neben mir.
Ich schaffe es nur schwer, meinen haftenden Schmachtblick von ihm zu lösen, um meine Freundin entsetzt anzustarren.

Quinn hat ein sensationelles Gespür für Style und Mode.
Sie verbringt die meiste Zeit Zuhause mit dem Blättern in Modezeitschriften und das heißgeliebte eigene Designen und Selberschneidern.
Quinn atmet Fashion.
Sie lebt es bereits so intensiv, dass sie schon des öfteren Äufträge und Modelangebote von berühmten Modelabels bekommen hat.
Manchmal hängt sie großzügig ihre oberflächliche Seite heraus, aber das stört mich nur selten. Quinn ist nunmal, wie sie ist. Wunderschön und beineidenswert begehrt bei so gut wie jedem Männlein hier weit und breit.

"Was denn? Sieh ihn dir doch mal an. Das ist doch genau die Art Typ, vor dem unsere Eltern, uns früher immer gewarnt haben. Die verarschen dich nur naselang und benutzen deinen Körper für ihre beschissenen Psychospielchen."
Quinn ist normalerweise nicht verklemmt. Im Gegenteil. Sie ist die selbstbewussteste Person, die ich kenne. Ganz im Gegensatz zu mir. Deshalb wundert es mich auch, sowas aus ihrem Mund zu hören.

"Du kennst ihn doch gar nicht. Vielleicht ist er anders.", versuche ich einen Jungen in Schutz zu nehmen, mit dem ich noch nie in meinem Leben ein Wort gewechselt habe. Sprich: Selber nicht kenne.

"Blair, glaub mir. Ich kenne solche Kerle. Die sind alle gleich.", redet sie mir fachmännisch ein und steuert auf den Eingang zu. "Bringen nur Ärger und verhalten sich dabei auch noch super arschig. Schwanzgesteuerte halt."

Wir betreten das Schulgebäude und sofort fährt mir der vertraute Schulgeruch in die Nase und füllt meine Lungen mit Übelkeit. Eine Mischung aus alten Büchern, Klärreiniger, Stress, Hass und purem Wahnsinn.

Der erste Tag nach den Ferien schmeckt wie Gurkenwasser, verquirlt mit saurer Milch.
Erst Recht, wenn es den ganzen Sommer über kalt war, wie aus Eimern geschüttet hat und mein großer Bruder Aiden und ich tagelang mit Grippe im Bett flach gelegen haben, sodass meine Eltern die Ferien damit verbringen durften, uns gesund zu pflegen.
Aber außgerechnet am ersten Schultag scheint die Sonne grellend hell, die Temperatur steigt bis auf zweiunddreissig Grad und es ist keine einzige Wolke mehr am Himmel zu sehen.
So ein Mist.

Once upon a fuckboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt