Once upon a fuckboy

36.

Jason

"Ich hab hier jemanden, der zu dir gehört."

Es dauert ein paar Sekunden, bis ich begreife, wer mich da mitten in der Nacht anruft. Ich setze mich im Bett auf und reibe mir die Augen. "Dex?"

"Scheiße man, schläfst du etwa schon?" Er klingt völlig entsetzt. "Es ist noch nicht mal zwei Uhr."

Ich schwinge die Beine über die Bettkante und presse mir den Handballen an die Schläfe. "War eine harte Woche. Ich hab nicht viel geschlafen." Stöhnend stehe ich auf und suche den Boden nach meiner Jeans ab. "Warum rufst du an?"

Am anderen Ende ist es still, dann höre ich Gläser klirren.

"HEY, STOPP!", brüllt Dex. "Du fasst hier nichts an, verstanden? Setz dich sofort wieder hin!"

Ich halte das Handy weiter vom Ohr entfernt, um mein Trommelfeld zu schonen.

"Jason, beweg jetzt deinen Arsch hierher. Ich muss den Laden gleich zumachen und ich hab das Gefühl, dass sie nicht damit einverstanden ist, dass sie nichts mehr bekommt."

"Wovon redest du? Von wem redest du?"

Und dann trifft es mich.
Mein Puls beginnt wie wild zu rasen und ich bin augenblicklich hellwach.

Blair.

"Scheiße. Bin gleich da."

Dex legt auf, ohne sich zu verabschieden. Ich ziehe mir ein T-Shirt über den Kopf und stürze die Treppe hinunter.
Scheiße Blair, warum bist du dort? Warum allein?
Ich höre zwei Wochen lang nichts mehr von dir und jetzt betrinkst du dich in der Bar meines besten Freundes?

Unten knalle ich fast mit meinem Bruder zusammen.
Er zieht seine Mütze tiefer ins Gesicht, als wir uns begegnen. Ich weiß, dass er eine Wunde versteckt. Er hat sich geprügelt und will nicht, dass ich mir Sorgen mache. Phil steckt in Schwierigkeiten.
Doch ich frage nicht nach.

"Wo willst du denn noch so spät hin?", erkundigt mein Bruder sich und wischt sich mit einer Hand die blutigen Fingerknöchel an der Hose ab, als wäre es Dreck.

"Zu Dex."

"So plötzlich?"

"Ja, es ist wichtig." Ich reiße meine Jacke vom Haken und werfe sie mir über.

Phil nickt grinsend.
"Hat nicht zufällig was mit dem Mädchen zu tun, weswegen du zwei Wochen lang nicht mehr dein Haus verlassen hast und sogar die Edelnutte abweist, die ich dir bestellt habe?"

Ich antworte ihm nicht.

"Ich dachte, du nimmst zur Abwechslung mal meinen Ratschlag an. Verdammt Jason-"

"Der Verbandskasten liegt bei mir auf auf der Kommode", unterbreche ich ihn trocken und Phil wird still.
Beim Hinausgehen lasse ich die Tür geräuschvoll ins Schloss fallen.

Draußen atme ich tief durch.
Er hat Recht. Genau genommen, habe ich längst verloren.
Ich bin der letzte Mensch, von dem sie jetzt gerettet werden will.
Aber ich schaffe es trotzdem nicht, meinen Kopf davon abzuhalten, in den Wagen zu steigen und wenige Minuten später trotzdem vor der Bar zu stehen.