13.

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Am Mittwoch sitzen wir wieder in der angenehm kühlen Balletthalle auf dem Holzparkett und dehnen mit einigen Floor Barres unsere Oberschenkelmuskulatur.
Dabei werden immer wieder abwechselnde Blicke mit den Jungs auf der anderen Seite ausgetauscht, welche grinsend zu uns rübergaffen.

Jason ist heute mal pünktlich.
Er ist gegen die Wand gelehnt und kaut lässig auf einem Kaugummi herum, während er abseits von der restlichen Gruppe steht.
Ich frage mich die ganze Zeit, weshalb er nicht auf sie zu geht oder sie anspricht und sich ständig aus allen interaktiven und sozialen Aktionen komplett selbst ausklingt. Er ist jetzt bereits schon eine Woche auf der Schule und hat noch keinen einzigen Freund gefunden.
Dabei ist es garnicht so, dass er nicht die Chance hätte, Freunde zu finden. Bei Jungs geht das sowieso immer einfacher.
Aber Jason ist anders.
Jason ist still in der Gruppe, enthaltsam und kühl zu jedem, der ihn anspricht.
Jason ist ein Einzelgänger.
Der radikalste Einzelgänger, den ich je gesehen habe.
Ich frage mich wirklich, was sein Motiv ist, sich derartig zum einsamen Wolf zu entwickeln.
Hatte er schlechte Erfahrungen mit Freunden?
Oder ein traumatisches Erlebnis mit Freundschaften?
Ist er vielleicht einfach nur schüchtern?
Den letzten Punkt schlage ich mir sofort wieder aus dem Kopf. Jason und schüchtern? Niemals.

"Blair? Hey, Blair!? Kannst du mal wieder zurück zu uns in die Runde kommen?"

Uuund Rücksturz zur Erde...
"Mh? Wie, was?"

Die Mädchen fangen an zu lachen.
Alex grinst verschmitzt.
"Bist du wieder da?"

"Ähh ja...klar, ich war doch garnicht weg..."

"Aber anscheinend auch nicht hier, sonst hättest du wahrgenommen, dass ich dir gerade eine Frage gestellt habe.", sagt Alex und legt vorwurfsvoll ihren Kopf schief.

"Was für eine Frage?"

"Ob du weißt, wo Madame Guiot bleibt."

"Nein." Ich schüttel den Kopf und zucke mit den Achseln.

Die Frage wird sich im nächsten Moment von selbst beantwortet, als unsere Tanzlehrerin den Tanzsaal betritt und auffordernd in die Hände klatscht .
"Alors, 'opp, 'opp, Mädschen! An die Stangen und Grundposition einnehmen!"

Wir stehen auf und stellen uns in die Grundhaltung.
Inzwischen ist auch Daniel, der Hip-Hop-Tanzlehrer aufgetaucht und beginnt den Jungs einige Übungen zu zeigen.
Die Tanzstunden gehen schnell vorbei und auch, wenn es immer etwas schwierig war, sich nur auf eine Musikrichtung zu konzentrieren, so hat es dennoch Spaß gemacht.

Auf dem Weg zur Kabine, holt mich Ivy ein und tippt mir leicht auf die Schulter.
"Blair! Madame Guiot möchte dich sprechen."
Ich nicke und gehe zur Madame, die bereits auf mich wartet.
"Blair...",fängt sie an und ihr Tonfall lässt schon entnehmen, dass es nichts Gutes zu heißen hat. "Was war denn los mit dir 'eute? Du bist völlisch abgelenkt und über'aupt nischt bei der Sache."

Ich beiße mir auf die Unterlippe.
Mist. Vielleicht habe ich doch ein wenig zu sehr auf Jason geachtet.
"Entschuldigung, Madame. Es kommt nicht wieder vor."

"Das will isch auch 'offen. Du willst doch die Rolle der Odette oder nischt?"

"Natürlich will ich das."

"Dann konzentrier disch, mon amour."

"Mach ich, Madame."

Once upon a fuckboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt