18.

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Nach dem aufbrausendem Gespräch mit Olivia mache ich mich sofort auf dem Weg zur Schulbibliothek um dort nach Jason zu suchen. Hier hält er sich jedenfalls immer zu den Pausen auf, wenn er nicht gerade auf dem Schuldach seine Zigaretten raucht.
Nein...ich bin ihm nicht hinterherspioniert.

Oh man. Das sollte wirklich nicht zur Gewohnheit werden.

Tatsächlich. Da sitzt er gegen ein Bücherregal gelehnt und hört wiedereinmal über seine Kopfhörer diese Bassmusik.
Keine Ahnung, warum er hier sitzt, aber nicht zum Unterricht erscheint. Neben ihm steht ein kleiner Joghurtbecher mit einem Löffel. Er isst hier sein Mittagessen? Allein?
Ihm scheint auch alles egal zu sein. Offenbar ist ihm das Leben so scheißegal, dass er mir aus heiterem Himmel einfach irgendwelche Massenmörder an den Hals jagen kann, ohne weitere Informationen oder Warnungen.
Oder vielleicht hat er mich auch einfach nur verarscht? Das wäre diesem Spinner eher zuzutrauen.
Ich will gerade auf ihn zugehen und ihm seine schwarzem Kopfhörer aus dem Ohr ziehen, als ich plötzlich inne halten muss und stehen bleibe.

Wow.

Ich habe Jason zuvor noch nie so gesehen.
Er sitzt wieder auf dem Boden, Kopfhörer auf den Ohren und die Augen geschlossen. Seine Hände liegen lässig verschränkt auf seinen angewinkelten Knien und sein Kopf in den Nacken gelehnt, sodass seine dunkelbrauen Strähnen nach hinten fallen. Er wirkt so seehlenruhig und entspannt, als könnte ihn nichts gerade mehr aus der Bahn bringen. Mein Blick mustert ihn so genau und mit jedem Detail, dass ich auf der Stelle ein originalgetreues Porträt von ihm zeichnen könnte, ohne ihn dabei auch nur ein weiteres Mal anzusehen.
Ich bemustere alles und präge es in meinen Kopf ein, als wäre es das Letzte, was ich jemals noch von ihm für eine Erinnerung bekommen könnte.
Seine vollen, rosigen Lippen. Die spitzen Wangenknochen und der klar definierte Unterkiefer. Seine geschwungenen Wimpern und die vollen Augenbrauen. Seine linke Augenbraue geziert mit der durchlaufenden Narbe. Seine weichen Haare, in die ich am liebsten jeden Moment beim Küssen greifen würde und seinen männlichen Körperbau, der mein mädchenhaftes Herz schwer werden lässt.
Er ist so schön.
Bei seinem Anblick bleibt mir die Luft weg.

Ein Anblick, der irgendetwas Beunruhigendes in meinem Inneren erwecken lässt. Etwas, das mir unangenehm ist, weil ich weiß, was es bedeutet. Dieses eigenartige Flattern in meinem Brustkorb und die taube Zunge sind eindeutige Symptome:
Mein Körper fängt, langsam aber sicher an, Jason zu mögen und ich kann bei Gott nur hoffen, dass mein Kopf diesem Trieb nicht folgt.

Zuerst zögern meine Füße, da ich ihn unter keinen Umständen stören will. Aber immerhin geht es hier um mich und mein Leben und manchmal... manchmal muss man einfach egoistisch handeln.

Ich setze mich sofort zu ihm und reiße ihm die Kopfhörer von den Ohren.
Träge öffnet Jason die Augen und blickt zu mir hoch, als wüsste er bereits, dass ich es bin.
Dieses Gefühlvolle in seinem Gesicht ist augenblicklich verschwunden und mich sieht jetzt wieder der kalte und unfreundliche Jason an, wie ich ihn kenne.

"Wir müssen reden.", presse ich hervor.

Jason hebt seine linke Augenbraue.
Ich sehe ihn an und bin einen Moment lang aus dem Konzept gebracht.
Bei dem Lichteinfall des Fensters hinter mir, wirken seine Augen nicht mehr giftig und bedrohlich grün, sondern so unfassbar klar und türkisblau, dass ich beinahe behaupten möchte seine Augen sind so türkisblau, wie das Wasser in der Karibik, auch wenn ich noch nie in meinem Leben dort gewesen bin und es somit auch nicht wirklich beurteilen kann.
Im nächsten Moment schleudert Jason mich jedoch mit einem Blinzeln von karibischen Traumstrand wieder zurück in die Schulbibliothek aus Colarado Springs.

"Was gibt's, Pfefferspray-Prinzessin?", fragt er ruhig und spricht dabei eher mit meinem Ausschnitt, als mit mir selbst.

Sein lächerlicher Kosename für mich und der fehlplatzierte Blick lässt mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen und realisieren, was für eine Art Typ hier eigentlich nochmal vor mir sitzt:
Meine Damen und Herren, Typ à la Fuckboy des Feinsten.

"Erstens...nenn mich nie wieder so und zweitens..." Meine Lautstärke verringert sich und ich spreche leiser. "...will ich nochmal über das sprechen, was du mir gestern erzählt hast. Ich werde langsam nämlich wirklich verrückt und habe Angst. Also bitte sag mir einfach, dass das ganze nur ein blöder Scherz war und gut ist."

Jason schüttelt den Kopf und sein Blick wandert endlich von meinem Ausschnitt hoch, an meinem Dekolleté entlang bis zu meinen Lippen. Mir wird heiß.
"Das kannst du vergessen.", sagt er schließlich und starrt auf das Handy in seiner Hand.
Und ich weiß dabei nicht, welchen Teil genau er damit meint, aber locker lassen tue nicht dennoch nicht.

Mit gedämpfter Stimme fahre ich ihn an.
"Mein Leben steht auf dem Spiel und ich habe ein Recht darauf, zu wissen, wer Ric und Moose-"
Doch weiter komme ich nicht.
Zischend packt mich Jason mit einem Mal und hält mir den Mund zu. Ich bin ihm plötzlich unheimlich nahe. Mit dem Rücken gegen seine Brust gepresst und seinem Gesicht direkt an meinem Ohr, verkrampft sich alles in mir. Mein Kopf ist wie leergefegt. Ich drücke meine Augen zusammen.

"Bist du komplett bescheuert?" Er sieht sich mit düsterem Blick um. "Schrei ihre Namen doch noch ein bisschen lauter, damit es auch jeder hier mitbekommt, Idiot!"
Wir verharren kurz in diese Position.
Und ich wäre auch für mein Leben gerne fürimmer so liegen geblieben, jedoch passt das Idiot aus seinem Satz nicht ganz in meine Vorstellungen von romantischen Büchereimoment.
Ich reiße mich schweren Herzens los. "Ich bin kein Idiot. Ich will nur Sicherheit, ohne dass ich anfange durchzudrehen oder paranoid zu werden!"

"Auf dieser Welt gibt es keine Sicherheit.", sagt er.

Ich atme aus, weil sein ernster Blick etwas in mir bewirkt.
"Ich weiß."

Jason rauft sich nachdenklich durch die Haare, aber sieht mich dabei nicht an. "Komm einfach nach der Schule zum Parkplatz. Ich fahre dich nach Hause und auf dem Weg besprechen wir alles andere."

"Ich steige garantiert nicht bei dir ins Auto."

"Wieso? Hättest du Angst, ich könnte dich vergewaltigen?" Zum ersten Mal seitdem ich ihn heute gesehen habe, lächelt er. Es ist ein provokantes, verschmitztes Lächeln und vielleicht nicht mal ernst gemeint, aber das macht nichts.
Seine Augen blitzen.
"Oder...müsste ich dich dazu nicht mal mehr zwingen?"

Mir pulsieren die Schlagadern.
"Das reicht." Schnell springe ich auf und kämme mir mit meinen Fingern die Haarfranse über meine Stirn zurecht. Mir laufen die Wangen knallrot an, weil er wahrscheinlich genau den Nagel auf den Kopf getroffen hat.

Sein breites Grinsen macht es nicht besser.

"Ich hau jetzt ab."

"Warte."

"Was?"

Langsam richtet er sich auf und beißt sich auf die Unterlippe.
"Geh bitte nicht."

Mein Herz schlägt höher. "Wieso nicht?"

Jason senkt verlegen seinen Blick und scheint mir zunächst den Grund nicht nennen zu wollen. Er kratzt sich langsam am Kopf.
Ist es ihm peinlich oder... weiß er es selbst nicht? Ich halte die Luft an. Warte eine Sekunde.
Will er mich etwa bei sich haben... fängt er an mich zu mögen?
Jason hebt seinen Blick und schaut mir jetzt direkt in die Augen.

"Du hast dich auf meinen Becher gesetzt. Dein Hintern ist voller Joghurt."

____

Schreibblockade. Es tut mir so leid.
Ich strenge mich an.

Once upon a fuckboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt