40.

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Als Zac mich am nächsten Morgen abholt und wir zusammen das Schulgebäude betreten, schwanke ich zwischen völliger Verzweiflung und unterschwelliger Wut. Benommen taumle ich durch den Schulflur und ich merke, wie einige Schülerinnen tuschelnd meinen Namen sagen, weil Zac schützend den Arm um mich gelegt hat.

"Macht dir das was aus?", fragt Zac, als er bemerkt, dass mir das Tuscheln und die heimlichen Blicke bereits aufgefallen sind.
Es ist kein Geheimnis, dass Zac und ich miteinander befreundet sind. Seit Anfang des Schuljahres, hängen er und Eddie häufiger mit uns ab, als sonst. Dennoch ist es tatsächlich noch für einige Mädchen aus dieser Schule ein Dorn im Auge, dass Zac Körperkontakt mit einem weiblichen Wesen austauscht, das nicht gerade den höchsten Rang der Populärenliste genießt.
Zac ist nicht der typische Frauenheld, der in Zeitlupe auftritt, jedes Mal, wenn er den Schulflur betritt.
Mädchen schreien ihn auch nicht nach, so sollte man es sich nicht vorstellen.
Dennoch ist er ein Mädchenschwarm. Die Freshmans aus der Unterstufe schauen ihm nach, wie einem Objekt der Begierde und es ist sofort überall Thema, wenn Zac ein Footballmatch hat.

Er ist einfach ein charmanter Gentleman, den keiner so richtig hassen kann. Es könnte an seinem warmen Lächeln liegen und den Lachfältchen, die sich immer dabei bilden, wenn er über seine eigene Witze lacht. Es könnte an seinem guten Körper liegen.
Oder es liegt daran, dass er zu jedem höflich ist und viele Mädchen das mit Flirten verwechseln. Mir manchmal eingeschlossen.
Zac ist kein Superstar, aber ganz nah dran.

"Nein.", antworte ich und meine es auch so.

An meinem Spind bleiben wir stehen. Quinn wartet dort schon mit großen Augen auf mich.

"Guten Morgen, Sonnenschein.", flötet sie und drückt mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.

Ich lächle angestrengt, doch bekomme beim besten Willen keine gute Laune zustande.

"Was ist denn mit ihr los?", fragt Quinn Zac und betatscht meine Stirn. "Bist du krank?"

Kopfschüttelnd öffne ich meinen Spind und nehme mein Geschichtsbuch heraus.
Ständig flimmert mir das Bild von Jason und Rebecca vor den Augen. Wie sie auf diesem Sofa liegen und es schwer danach aussieht, dass sie es getan haben. Ich stelle mir vor, wie sie vor seinem Haus stand. Wie sie wild angefangen haben, sich zu knutschen und er anfing, sie auszuzie-

"Blair?"

Ich erstarre. Mein Buch fällt mir aus der Hand und landet krachend zu Boden.
Es ist, als hätte man mir einen spitzen Säbel mitten in die Brust gerammt und ich beginne von innen schmerzhaft auszubluten. Die Stimme entsprang nahezu aus meinem Kopf.

Als ich mich langsam herumdrehe und in Jason's müdes Gesicht blicke, spüre ich, wie schwer mein Herz wird.
Ich bringe keinen Ton raus. Am liebsten würde ich ihn anschreien. Oder anspucken. Ich spüre so viel Wut und Trauer in mir. Aber alle Emotionen fallen zu Staub, sobald ich in seine Augen sehe. Ich versuche die Reue darin als Gift zu verstehen, dass mich unmittelbar mit Mitleid infizieren soll. Mein Atem wird schwer. Er sagt nichts. Ich sage nichts. Wir schweigen uns einfach eine Zeit lang an, bis er die ohrenbetäubende Stille zwischen uns schließlich unterbricht.
"Können wir reden?" Er haucht diese Wörter tatsächlich eher, als das er sie mit diesem gewohnten Selbstbewusstsein ausspricht, von dem gerade absolut nichts mehr zu spüren ist.

Quinn neben mir schaut irritiert zwischen Jason und mir hin und her. Sie hebt mein Buch vom Boden auf und hält es mir hin.

Auf Jasons Frage bezogen, schüttel ich den Kopf und schließe den Spind wieder.
"Nein."
Und diese Antwort kostet mich so unvorstellbar viel Kraft, dass meine Beine zu Gummi werden, als ich an Jason vorbeilaufe. Zac folgt mir nicht, bevor er ihm nicht noch einen bedrohlichen Gesichtsausdruck schenkt.

"Wichser.", raunt er zu mir, als wir durch den Flur gehen und ich muss tatsächlich kurz lächeln.

Doch Jason wäre nicht Jason, wenn er jetzt so einfach aufgeben würde.

"Blair, bitte warte." Er läuft mir durch den Flur hinterher, holt mich ein und bleibt auf dem Gang vor mir stehen.
Seine Augen suchen meine.

"Ich will nicht mit dir reden.",entgegne ich kalt und laufe weiter.

"Hör mir nur ku-"

"Nein."

"Blair, ich habe nur versucht dich zu schützen! Bitte glau-"

"Jason!", fahre ich ihn an und bleibe stehen.

Er verstummt und einige Schüler auf dem Gang drehen sich interessiert zu uns um.

Ich habe meine Augen fest auf Jason gerichtet. Meine Stimme bebt. "Lass mich absofort in Ruhe. Ich will dich nie wieder sehen, verstanden?"

Jasons Schultern sacken zusammen. Seine Augen verdunkeln sich, während er von mir zu Zac schaut. "Ich verstehe. Besorgst es dir jetzt woanders und brauchst mich nicht mehr, hab ich Recht?"

Bitte?
Panisch ringe ich nach Luft.
Mir ist die Kehle so zugeschnürt, dass ich kein Wort mehr rausbekomme.
Scheiße, ich muss hier weg.
So schnell es geht.
Ich balle meine Hände zu Fäusten und
als ich mich an Jason vorbeischieben will, packt mich dieser energisch am Arm. "Wir wissen beide, dass du auf mich stehst."

Jason kracht zu Boden.
Aber es war nicht meine Faust, die ihn getroffen hat.
Es war Zacs.

"-Ahhhh!" , flucht Zac und reibt sich dabei die Hand.

Ich halte mir erschrocken den Mund zu. Oh, Gott. Hat Zac gerade Jason geschlagen?

Jason liegt kurz am Boden und hält seine blutende Lippe, ehe er sich aufrappelt, auf Zac zutaumelt und ihm am Kragen packt. Mit Kraft schubst er ihn gegen den Spind, sodass es laut knallt. "Du elender Bastard!"
Ich sehe die Wut in seinen Augen und es läuft mir kalt den Rücken runter.
Jason. So habe ich ihn noch nie erlebt.

Jason stürmt genau in dem Moment auf Zac los, als Mrs. Han auftaucht und sich auf Schläge gefasst macht.
"Hey, hey, HEY! Was ist denn hier draußen LOS?" Unsere Biologielehrerin geht dazwischen und funkelt die Jungs böse an. "Alle beide. Zum Direktor. SOFORT!" Ihre sonst so weiche Stimme hat einen neuen, bedrohlichen Ton angenommen.

Sie dreht sich herum und widmet sich an die herumstehenden Schaulustigen, die sich inzwischen zu einem Pulk um uns herum versammelt haben. "Und ihr solltet jetzt mal lieber in eure Klassen gehen. Hier gibt es nichts zu sehen!"

Zac und Jason weichen meinem Blick aus und machen sich auf in Richtung Direktorbüro. Jason etwas weigerlicher als Zac, weshalb Mr. Hansen ihm noch einmal in einem verschärftem Tonfall erinnern muss. "Auch Sie Mr. Ben! Auf der Stelle!"

Jason trottet los und auf dem Weg, dreht er seinen Kopf noch ein kurzes Mal nach hinten um und wirft mir einen Blick zu, den ich nicht ganz deuten kann.

***

Als ich den Klassenraum von meinem Geschichtskurs betrete, herrscht überall dicke Luft. Verhaltenes Raunen, geht durch die Reihen und verstummt, als ich an den Tischen vorbei zu meinem Platz gehe. Als ich mich auf den Stuhl fallen lasse, muss ich seufzen.
Natürlich ist die Schlägerei bereits nach nicht mal zehn Minuten Thema Nummer eins in der Schule und das Gerücht, ich wäre Auslöser dafür gewesen, ließ auch nicht lange auf sich warten.

Ich will gerade meinen Schreibblock auspacken, als Mr. Wayne unser Geschichtslehrer, den Raum betritt und kurz darauf zwei Polizisten in Uniformen hereintreten.
Schlagartig ändert sich die Temperatur und mir wird unwohl im Magen.
Alle im Klassenraum erstarren und es wird so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen lassen können.

Einer der Polizisten schaut ernst in die Runde. "Guten Tag. Es besteht keinen allzu großen Grund der Panik. Ich mache es kurz. Wir sind hier, wegen ihrer Klassenkameradin Rebecca Henky."
Meine Hände verkrampfen sich, als er weiterspricht. Ich halte den Atem an.

"Sie gilt seit Freitag als vermisst."

Once upon a fuckboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt