7.

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7. Kapitel

"Was tust du da?", fragt er mit einem prüfenden Blick auf dem Armband in meiner Hand.

"Ähh..." Ich bekomme in seiner Anwesenheit kein vernünftiges Wort aus dem Mund. Mir strömt lauter Nervosität das Blut in den Kopf und ich kann es irgendwie noch nicht richtig realisieren, dass der Junge vor mir gerade mit mir gesprochen hat.
Seine Attraktivität hat mir die Sprache verschlagen.

"Warte kurz...bist du nicht das eigenartige Mädchen aus der Bücherei?"
Ich muss schlucken.
Er erinnert sich noch daran?
Na großartig.
Jetzt wird mein Gesicht auf ewig in seinem Kopf als das der Verrückten aus der Bücherei eingeprägt sein.

"Ok, vergiss das." Er schüttelt den Kopf. "Es ist mir egal wer du bist, ich will nur wissen, was zum Teufel du hier machst?"

Ich bewege meine Lippen und deute zaghaft auf das Armband meiner Großmutter.
"D-das... ist meins."

Ein hohles Lachen entspringt seiner Kehle. "Na klar."
Er legt die Stirn in Falten. "Glaub mir, mit diesem Armband wirst du deine Geldprobleme nicht los. Das Ding ist so gut wie nichts wert."

Lüge.
Wenn dieser Hohlkopf sich auch nur annähernd mit dem Thema Reingold beschäftigt hätte, wüsste er, dass dieses Armband ohne Probleme so einige Mietbeträge bezahlen könnte.
"Ich glaube, das ist ein Missverständniss.", versuche ich zu erklären. "Dieses Armband..."

"...gehört meiner Mutter, richtig.", unterbricht er mich und mein Magen wird flau. Wie bitte?
"Du bist süß, deshalb werde ich dir hiermit ein kleines Angebot machen. Du legst es zurück, verschwindest von diesem Grundstück und es ist alles vergessen. Oder willst du 'ne Anzeige an den Hals bekommen?" Er wirft mir noch einen letzten, abwertenden Blick zu und will schon den Raum verlassen, doch ich halte ihn auf.

Meine Stimme bebt. "Dieses Armband kann deiner Mutter nicht gehören. Es gehört mir." Ich schnappe nach Luft. "Meine Großmutter hat es von einer begabten Ballerina geschenkt bekommen und an mich weitergegeben. Es ist einzigartig.", spreche ich mit tauber Zunge.
Meine Hände zu Fäusten geballt füge ich noch hinzu: "Ich habe es Montag am See verloren."

Jason bleibt im Türrahmen stehen und dreht dann langsam seinen Kopf zu mir herum.
"Am See also?"
Ich halte die Luft an.
Er kommt fast schon in Zeitlupe ein paar Schritte auf mich zu und bleibt dann mit einem schiefen Lächeln vor mir stehen.
Das Herz schlägt mir bis zum Hals, doch ich lasse es mir so gut es geht nicht anmerken.

"Ich kann dich dennoch anzeigen."
Jason tritt immer näher an mich heran, bis er schließlich direkt vor mir stoppt und seinen Oberkörper leicht zu mir runter beugt, damit wir auf Augenhöhe sind.
Ich mache einen Schritt zurück und stoße dabei gegen die Kommode hinter mir. Atmen, Blair. Atmen.
"W-wieso?"

"Körperverletzung.", antwortet er bloß und deutet mit dem Finger auf eine Narbe über seiner linken Augenbraue. Sie war mir zwar schon vorher aufgefallen, doch ich hatte ihr in seinem Gesicht nicht sonderlich Aufmerksamkeit geschenkt.
Als viel faszinierender empfinde ich seine grün-braun gesprenkelten Augen, die ich jetzt aus nächster Nähe bewundern kann.

"D-das wa-war... ich?"

Er nickt.
"Da will man einmal in Ruhe schwimmen gehen und wird direkt von verrückten Mädchen mit Goldarmbändchen attackiert."
Er lacht. Und er hat ein so schönes Lachen. In meinem Bauch drehen sich wilde Flugzeuge.

"Warte, ich helfe dir." Er nimmt mir das Armband aus der Hand und zieht mein Handgelenk näher an sich heran.
"Ich habe gesagt, dass es meiner Mutter gehört, damit sich hier niemand  an Dingen bedient, die ihm nicht gehören. Du musst wissen, hier laufen einige rum, die nicht mal ein richtiges Zuhause haben."
Langsam legt er das Band darum herum und verschließt den Verschluss wieder fest. Ich vergesse fast zu atmen. Er ist mir so unwirklich nah. Alles in mir schmilzt dahin.

"BLAIR!", vernehme ich eine bekannte Stimme aus dem Untergrund, doch ich schenke ihr keine Aufmerksamkeit.
Meine Augen gelten nur den vollen Lippen und den geschwungenen Wimpern des hübschen Jungen vor mir.

"Blair, da bist du ja!"
Ich erwache aus meinem kleinen Tagtraum, indem ich unsanft an meinem Ärmel von Jasons perfektem Ebenbild weggezogen werde.

Alex steht vor mir und sie sieht sichtlich besorgt aus.
"Wir müssen sofort hier raus!"

"Was? Aber wieso?"
Ich konnte die Enttäuschung in meiner Stimme nicht verbergen.
Jetzt, wo es doch gerade so schön wurde?

"Aiden ist verschwunden und ich nehme an, dass er stockwütend auf dem Weg zu dir nach Hause ist. Und wenn Aiden deinen Eltern alles erzählt, sind wir beide aufgeschmissen!"

"Lasst mich raten...", mischt sich der britsche Akzent hinter mir ein. "Ihr habt euch rausgeschlichen?"

"Das tut es doch jetzt nicht zur Sache!", mault Alex und zwirbelt nervös an ihren Zöpfen.
"Wir müssen deinen Bruder finden, bevor er uns verrät! Deine Eltern werden mit Sicherheit meine informieren und dann brennt die Hütte, das kannst du mir glauben."

"Wann hast du ihn denn zuletzt gesehen?", gehe ich taktisch vor.

"Vor fünf Minuten ungefähr."

"Dann kann er noch nicht weit sein. Lass uns gehen." Ich folge ihr aus der Tür und auf dem Absatz drehe ich mich nochmal zu Jason um.
"Entschuldige nochmal für das Missgeschick."

Er lächelt als Antwort und dann laufe ich auch schon mit Alex die Treppe hinunter und mache mich mit ihr gemeinsam auf die Suche meines großen Bruders.
Auf dem Weg drängeln wir uns durch eine schwitzende Menschenmasse und viele betrunkene Jugendliche, die einen scharfen Geruch mit sich ziehen.
Ich schaue hektisch auf meine Armbanduhr und muss verwundert feststellen, dass es bereits Mitternacht ist.

Und meinen Traumprinzen muss ich schweren Herzens zurücklassen...
Oh, Cinderella. Life is a bitch.

Once upon a fuckboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt