38.

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Ich bin nicht doof.
Ich erkenne sofort, dass ich diesen Namen schon einmal gehört habe. Ich erkenne die Stimme wieder und sein Gesicht ist mir eindeutig auch nicht unbekannt.
Nur woher?

Zögernd will ich Moose ebenfalls meine Hand hinhalten, als sich die Puzzleteile in meinem Kopf plötzlich nacheinander zusammenlegen und ein vertrautes Gefüge bilden.
In mir gefriert alles.
Er ist es.
Er ist einer der Kerle aus der Nacht, in der ich Jason bis zum Bahnhof gefolgt bin und ihn aus dieser Prügelei gerettet hatte. Er ist einer der Kerle, vor dem Jason mich gewarnt hat.

Doch jetzt gerade macht Moose auf mich keinen gefährlichen Eindruck. Er sieht nicht aus, wie jemand, der mal wen umbringen möchte.
Seine hellbraunen Locken fällen lässig auf seine Schulter und er hat eine lustige Knubbelnase, die an eine klein geratenen Kartoffel erinnert.
Ich bezweifle sogar, dass er mich überhaupt erkannt hat.

"Hey.", hüstle ich leise und schüttle vorsichtig seine Hand.

Moose mustert mich einen Moment lang und zieht dann seine Stirn zusammen.
"Entschuldige, falls das jetzt komisch klingt, aber... sind wir uns bereits irgendwo begegnet?", fragt er und fährt sich durch seine schulterlangen Locken.

Zu früh gefreut. Er erinnert sich.

Mein Herz pulsiert schneller.
Jetzt lass dir bloß nichts anmerken.
Ich schüttel den Kopf.
"Nein. N-Nicht... dass ich wüsste..."

Aiden klatscht sich derweilen hinter uns seelenruhig was von den Nudelresten auf einen Teller. "Allerweltsgesicht. Das kommt einem manchmal nur so vor."

Moose lacht und ich senke schnell meinen Blick.
"Was redest du da? Ich finde, deine Schwester hat ein außergewöhnlich hübsches Gesicht."

Meine Wangen glühen und ich höre, wie mein Bruder Moose gegen den Oberarm haut. "Kein Wunder, dass jeder denkt, du wärst schwul. Männergesichter sprechen dich an.", spottet er und durch meine Brust zieht sich ein eisiger Stich. Ich kenne meinen Bruder und seine Scherze. Ich kenne seinen Unterton, wenn er sich aus Spaß über mich lustig macht.
Wir sind nicht gerade das Vorzeige-Geschwisterpärchen, aber immerhin kann ich erkennen, wann er mich bloß hochnehmen will und wann er mich wirklich verletzen möchte.
Und jetzt gerade will er mich mit boshaftiger Absicht vor seinen Kumpel schlecht dastehen lassen.
"Und außerdem...", fügt Aiden hinzu und würdigt mir dabei keines Blickes. "...hättest du eh keine Chance. Blair ist schon anderwärts mit ihren Bekanntschaften beschäftigt."

Ich fasse es nicht, dass er das gerade gesagt hat.

Moose Lachen vergeht ihm langsam aus dem Gesicht. Er schaut zwischen mir und Aiden prüfend hin und her. Selbst er merkt, dass hier etwas nicht stimmt.

"Was redest du da für einen Scheiß?", blöffe ich meinen Bruder empört an.

Mein Bruder wirft die Dose Restnudeln zurück in den Kühlschrank und dreht sich zu mir um. "Nicht frech werden, Zicke." Er tätschelt mir kühl auf den Kopf und deutet Moose mit dem Kopf, zu gehen.

Gerade will ich protestieren, da sind die Jungs auch schon nach oben hin verschwunden und wenig später höre ich, wie lauter EDM-Bass durch die Zimmertür dröhnt.

Was war das bitte?
Weiß er etwas?

Doch ich habe keine Zeit, mich groß über meinen Bruder aufzuregen.
Moose ist in meinem Haus und er hätte mich fast erkannt. Oder hat es bereits.
Ich denke nicht lange darüber nach, ehe ich den Entschluss fälle.

Ich muss sofort mit Jason reden.

***

Als ich auf der großen Veranda stehe und auf die Klingel drücke, die zu der modernen Villa gehört, dauert es nicht lange, bis sie sich schwungvoll nach innen öffnet.
Mir rutscht beinahe das Herz in die Hose.

Once upon a fuckboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt