Heisenberg

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Ein kalter Luftzug durchströmte an dem darauf folgenden Morgen mein Zimmer. Ich wurde unsanft durch diese plötzliche Kälte geweckt. Fast schon leidend öffnete langsam ich meine Augen und sah zu der Fensterfront herüber. Die Balkontür stand sperrangelweit offen, weshalb die kühle Herbstluft ungehindert in das Zimmer strömen konnte. Frierend zog ich die hochgerutschten Ärmel meiner Sweatshirt Jacke herunter und musste Grausam feststellen, dass Lukas mir in der Nacht die Decke geklaut hatte. Einzig und allein blieb mir ein kleiner Zipfel, der zu einem drittel meine Schulter bedeckte. Genervt und noch total müde, griff ich mir mit der gegenüberliegenden Hand einen Teil der Decke und zog ruckartig an dieser. Doch dies blieb leider erfolglos; nicht mal einen Millimeter konnte ich für mich Gewinnen. Meine Stimmung verschlechterte sich immer mehr, doch anstatt einfach aufzustehen und die Tür zu machen, drehte ich mich mit einem Ruck von der Seite herüber zu Lukas. Doch mein Plan war nicht ganz durchgedacht, weshalb mein Kopf mit einem dumpfen knallen gegen seine Schulter schlug. Schmerzerfüllt kniff ich meine Augen zusammen und fluchte leise vor mich hin. Ich fuhr mit meiner eiskalten Hand über meine Stirn, in der Hoffnung die Schmerzen zu lindern. Und dann sah ich ihn da auch schon liegen. Komplett eingekuschelt und umhüllt von molliger wärmer, krallte Lukas förmlich die Decke an sich. " Man Timi. Was machst du da?", nuschelte er noch verschlafen ins Kissen hinein.

" Du Penner hast die Tür aufgelassen und hast die ganze scheiß Decke an dich gerissen .", grummelte ich vor mir hin, während ich ein weiteres mal versuchte, ihm ein Stück der Decke zu entreißen. Lukas verstand erst paar Sekunden später worum es ging, so verschlafen war er noch. " Warum schließt du nicht einfach die Tür oder weckst mich ohne mich zu schlagen?", fragte er mich gähnend und gab mir die hälfte der Decke ab. " Ich hab' dich nich' geschlagn'. Das wa' n' versehn' ", gab ich ihm so kurz wie möglich zu verstehen, woraufhin er einfach nur seufzte.

Die Decke war unheimlich warm und ich konnte mir ein leichtes genießendes Lächeln nicht verkneifen. Doch dies verschwand genauso schnell wie es auch kam. Lukas kletterte so tollpatschig wie nur möglich über mich herüber, wobei er sich an sämtlichen Gliedmaßen von mir abstütze. Ich stieß ein schmerzhaft gespieltes Stöhnen aus und sah ihn böse funkelnd an. Lukas grinste einfach nur und schlurfte langsam zur Tür herüber, um sie zu schließen. In dieser Zeit wärmte ich mich ein wenig auf und versuchte einfach wieder einzuschlafen.

Nicht wie angenommen, dass Lukas sich wieder zurück ins Bett legen würde, ging er Richtung Bad. Während er sich für den Tag fertig machte und mir immer wieder zu rief, dass ich endlich meinen Arsch aus dem Bett bewegen sollte, blieb ich stur liegen und ignorierte sein Gelaber. Ich fand einfach keine Motivation mich aus dem Bett zu erheben; keine Motivation dafür, um zu Leben.

Als ich kurz davor war wieder eingeschlafen zu sein, betrat Lukas das Zimmer. " Komm schon. Jetzt steh auf. ", versuchte er mich ein weiteres mal mit ernster Stimme zu überreden. Ich gab einfach nur mürrische Töne von mir und zog die Decke höher. Er lachte nur. "Du hast es gewollt Tim.", leitete er sein darauffolgendes Handeln ein. Ruckartig riss er mir die Decke weg und schmiss sie ans andere Ende des Zimmers. " Du Hurensohn!", schrie ich ihn an, doch ich wurde von einer Hose, die in meinem Gesicht landete, unterbrochen. Er bewarf mich weiter mit wahllos ausgesuchten Klamotten, die anscheinend am ende sowas wie ein 'Outfit' ergeben sollten. " Das ziehst du jetzt an.", versuchte er über mich zu bestimmen. " Nö." " Warum?" " Das sieht scheiße zusammen aus. Richtiger Lukas-Style.". Lukas schnaufte daraufhin beleidigt auf, welches in ein lachen überging.

Lukas redete weitere fünf Minuten auf mich ein und schlussendlich gab ich mich geschlagen und setzte mich langsam auf. Total demotiviert zog ich mir leidend meine Jeans aus und schmiss diese einfach auf den Boden. Nebenbei bekam ich mit, wie Lukas etwas vom Schreibtisch hochhob und damit auf mich zu kam. " Kiff der erstmal einen Timi.", lächelte er mich freundschaftlich an, was man sozusagen als Friedensangebot ansehen konnte. Schwerfällig hob ich meinen Kopf und sah wie er mir einen von meinen Fertig gedrehten Joints hin hielt. " Davon hattest du gestern anscheinend zu viel." Ich konnte mir diesen Kommentar einfach nicht verkneifen.

Dankend nahm ich den Joint an und sah zu wie er das Zimmer wieder verließ. Kurz dachte ich darüber nach mich einfach wieder hinzulegen, aber ihm zuliebe stand ich letztendlich doch auf. Da man die Klamotten, die mir Lukas 'rausgesucht' hatte, nicht anziehen konnte und ich zu faul war mir was besseres zu suchen, ging ich nur in Boxershorts und in einem einfachen Shirt bekleidet in die Küche. Auf dem Weg dahin zündete ich mir den Joint an und pustete den Rauch in den geschlossenen Flur hinein.

Die Asche von meinem Joint fiel auf die Arbeitsplatte, während ich die Dosen von Heisenbergs und Gustavos essen öffnete. Ich füllte dessen Inhalt in die passenden Näpfe, stellte diese auf den Boden und rief meine zwei Haustiere. Gustavo kam sofort angelaufen, als er das rascheln der Näpfe hörte. In dem Moment betrat auch Lukas die Küche und hielt mir mein Handy entgegen. Verwirrt blickte ich abwechselnd zu ihm und zu meinem Handy. " Max hat gerade schon zum zweiten mal angerufen. Ruf mal besser zurück." Ohne etwas zu sagen nahm ich mein Handy entgegen und drückte den ausgebrannten Joint im Aschenbecher aus, der sich auf de Küchentisch befand.

So wählte ich die Nummer von Max und hörte eine ganze Weile dem Tuten zu. " Versucht mich anzurufen, aber wenn ich zurückrufe geht er nicht ran. Super. ", dachte ich mir genervt und wollte gerade auflegen als er in dem Moment an sein Handy ging.

Es ging darum, dass er am kommenden Wochenende einen Auftritt in Bielefeld mit seiner damaligen Tour hatte. Bis dato hatte ich ihm noch gar nicht bescheid gegeben, ob ich nun wirklich als Unterstützung dabei sein werde. Max redete und redete die ganze Zeit, während ich angestrengt über eine Entscheidung nachdachte und Lukas beim Kaffee Kochen beobachtete. Einerseits wollte ich meinen Freund nicht im Stich lassen, aber andererseits hatte ich weder Kraft noch Motivation für ein Konzert. " Hallo? Bist du noch da? Kommst du jetzt?". Max riss mich aus meinen Gedanken und ich musste mich schnell entscheiden. " Ehm. Ja, also... ehm.. Ja. Bin dabei.", brachte ich etwas schwerfällig über meine Lippen. Er freute sich darüber riesig und bedankte sich noch tausendmal, bevor er auflegte. Er wusste ganz genau wie sehr ich mich für diese Antwort überwinden musste.

Mit dem frisch gekochten Kaffee von Lukas in der Hand, ließ ich mich auf einen der Stühle sinken. Immer noch etwas müde nippte ich an dem heißen Getränk. Als ich meinen Blick aber über den Boden schweifen ließ und Heisenberg nirgendswo erkennen konnte, stellte ich dieses weg. Während Gustavos Napf schon lange leer war, war der von Heisenberg noch voll. Verwirrt stand ich auf und rief immer wieder meinen Hund. Mein Weg führte mich ins Wohnzimmer wo ich ihn endlich fand. Er lag unterm Tisch und hatte seinen Kopf nur leicht in meine Richtung angehoben. Ich blieb ein paar Meter, mit seinem Essen in der Hand, von ihm entfernt stehen und rief ihn ein weiteres mal motivierend zu mir. Er rührte sich nicht und legte seinen Kopf fast schon leidend hin. Bedrückt ging ich auf meinen kleinen freund zu und stelle das Essen direkt vor ihm hin. Doch nichts. Heisenberg wollte partout nicht essen, oder sich gar bewegen.

Das Ende von TrailerparkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt