Real

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Ich habe mir nie ein Virreal implantieren lassen. Meine Mom Roxanna war dagegen. Sie sagte immer, man sei dadurch 'kontrollierbar'. Dabei habe ich noch nie gehört, dass jemand durch sein Virreal kontrolliert wurde. Man kann vom Gehirn aus auf das Implantat zugreifen, wie auf eine Festplatte oder Hardware, aber nicht andersherum. Oder doch? Roxanna war ganz sicher nicht verrückt und dachte sich alles aus.
Ich hab kein gutes Gefühl bei Virreal und bin mir nicht sicher, ob ich mir je eines hole. Meine Mutter hat mir immer eingeredet, mich nicht von anderen beeinflussen zu lassen. Sie meinte immer: "Anders sein ist nichts falsches, sondern etwas außergewöhnlich wichtiges." Das ist eine der wenigen Sachen, an die ich mich von ihr erinnre. Roxanna ist vor 13 Jahren verstorben, als ich vier Jahre alt war. Ich vermisse sie. Alles, was ich von ihr habe, sind ein paar bröckelhafte Erinnerungen, eine Kette und dieselben grünen Augen wie sie. Ich gehe zum Spiegel im Wohnzimmer um sie zu betrachten. Plötzlich steht Cordelia neben mir und zwirbelt eine meiner rotbräunlichen Haarsträhnen zwischen ihren Fingern.
"Honey. Du brauchst definitiv ein neues Shampoo. Dein Haar glänzt kaum mehr. Wenn du dich nicht um dein Aussehen kümmerst, findest du nie einen Mann." Sie rückt ihren BH-Träger zurecht. Ich rolle mit den Augen.
"Ich brauche keinen Mann. Ich hab doch Stepan." Antworte ich. Stepan ist mein bester Freund. Ich habe ihn vor drei Jahren in der Schule kennengelernt. Wir helfen uns gegenseitig bei den Hausaufgaben und haben gemeinsam Spaß, jedoch ist er in letzter Zeit anders geworden. Er unternimmt weniger mit mir. Dafür klebt er aber die ganze Zeit an Angie, seiner neuen Freundin. Sie sind seit drei Monaten zusammen und seitdem sehen wir uns kaum noch. Dabei verstehe ich eigentlich nicht, was er an Angie findet. Sie ist die beste Freundin von Jamie, dem beliebtesten Mädchen der Schule. Angie ist nicht besonders smart und hübsch ist sie auch nicht. Ihre Haare sind von einem dreckigen Straßenköterblond. Jedoch glänzen sie. Vielleicht hat Cordelia ja Recht.
"Würde mich auch wundern, wenn sonst jemand, eine Frau ohne Virreal wie dich haben wollen würde." Mich auch.
Wer kein Implantat hat, ist ein Außenseiter.  Stepans Verlust tut mir deshalb sehr weh. Er war abgesehen von meinem Alkohol- und VRabhängigem Vater der Einzige, der zu mir hielt. Ich werde morgen in der Schule zu ihm gehen und versuchen mit ihm etwas zu unternehmen. Jetzt ist er wahrscheinlich damit beschäftigt in VR mit Angie rumzumachen.
"Cordelia, was gibt's heute eigentlich zu Essen?" Frage ich sie, als ich benerke, dass mein Magen knurrt.
"Wäre ich an deiner Stelle, würde ich das Abendessen ausfallen lassen. Deinem Gewicht würde es nicht schaden.  Außerdem habe ich nichts zu essen gemacht. Also mach dir selbst was, du verfressenes Kind."
Ich sehe ihr nach, als sie aus dem Zimmer verschwindet. Dann gehe ich zur Küche um mir ein paar Vitamine zusammenzuwürfeln. Einen großen Hunger habe ich sowieso nicht, obwohl ich kaum etwas gegessen habe. Cordelia hätte sich gefreut, wenn ich ihr das gesagt hätte. Sie ist eine sehr interessante Person. Sie hat selbst eine eigene Tochter, welche aber ihren Worten nach 'eher einer Warzenkröte ähnelt, als ihr selbst'. In der Tat sieht Jeyla nicht sehr hübsch aus. Ihr blondes Haar ist sehr dünn und geht nur kurz über ihre Ohren. Ihre Brüste sind nicht vorhanden und sie hat schlimme Akne auf der Stirn. Das Einzige, was sie von ihrer Mutter geerbt hat ist der schlanke, knochige Körperbau. Meiner hingegen ist um die Bauchzone ein wenig moppelig. Sonst hat Cordelia keine Makel an mir gefunden. Sie hasst mich dafür, dass ich besser bin, als ihre eigene Tochter, aber sie genießt es, mich zu perfektionieren und kauft mir gelegentlich neue Kleidung. Ein Luxus, den ich mir alleine nie leisten könnte. Mein Verhältnis zu ihr ist mittelmäßig. Ich mag ihre Art nicht, aber ich versuche mit ihr Auszukommen, da mein Dad sie liebt.
Ich greife in unseren Medikamentenschrank und suche mir die Vitamine C und E aus. Dann nehme ich mir Eisentabletten, weil es schon etwas länger her ist, dass ich Fleisch gegessen habe. (Ich hatte kaum Zeit zum Jagen.)
Am Ende nehme ich mir zusätzlich zwei Schlaftabletten und gehe zu meinem Zimmer hoch.
Aufgrund von einem kleinen Gendefekt, habe ich Macken, wie Schlafstörungen und nehme deshalb Tabletten.
Mir fällt auf, dass ich das Wasser vergessen habe. Es ist mir egal, denn ich kann meine Medikamente auch ohne Flüssigkeiten zu mir nehmen.
Ich bin so müde. Morgen darf ich nicht vergessen, mit Stepan zu sprechen. Aber jetzt gleite ich in einen tiefen Schlaf und hoffe auf einen spannenden Traum.

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