Schlösser knacken

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Nach Medizin haben wir Programmieren. Da unter uns nur die Hacker einen Chip haben, werden nur sie virtuell geprüft. Sie lernen alles in der Praktik, während der Rest nur die Theorie durchnimmt. Normalerweise sitze ich im Programmierunterricht an einem Gruppentisch mit Delilah, Stepan und Wesper. Doch heute sollen die Hacker eine virtuelle Prüfung ablegen, während wir einige Passwörter unter Zeitdruck knacken sollen.
Unser Lehrer heißt Mr. Upa. Er ist sehr freundlich und hilfsbereit. Wenn ich Probleme habe, wende ich mich immer an ihn. Ich schätze sein Alter auf 53. Wenn er schmunzelt, bekommt er Lachfältchen um die Augen herum. Seine Augen sind blau und wenn man genau hinsieht, erkennt man ein paar silberne Fäden darin. Sie zeigen, dass man ein Hacker ist. Hacken ist eigentlich verboten. Deswegen wurde im Chip eine Flüssigkeit eingebaut, die in den Körper fließt, sobald man hackt. Da hacken dann aber zum Trend wurde, wurde es legalisiert und nicht mehr darauf geachtet. Nun sitze ich am Tisch und halte mein siebtes Schloss in der Hand. Neben mir tüftelt Wesper an seinem fünften, währen Delilah erst an ihrem vierten rumhantiert. Das Passwörter knacken ist eine sehr gute Übung. Man bekommt einen Zettel mit Informationen über die Person, die das Kennwort erstellt hat und ein dazugehöriges Schloss. Dann gilt es das Passwort in so kurzer Zeit, wie möglich zu knacken.
"Mein Gott, Jenna. Wie machst du das nur?" Fragt mich Delilah, als sie bemerkt, dass ich das Schloss geöffnet hab. Ich lache und gehe zu ihr herüber. Sie sieht mich hilfslos an.
"Also. Deine Zielperson ist 24 Jahre alt und lebt in Reihp. Ihr Haustier ist eine deutscher Schäferhund. Gekauft wurde er ebenfalls in Reihp. Das sind die wichtigsten Informationen." Sage ich, nachdem ich einen Blick auf ihren Infozettel geworfen habe.
"Wieso? Der Hund ist doch nur nebensächlich."sagt sie.
"Nein, dieses Mal nicht." Sage ich und gehe wieder zu meinem Platz. "Versuchs mal mit Koordinaten." Gebe ich ihr noch einen letzen Tipp, bevor ich mich an mein achtes Schloss mache. Der Infotext ist von einer alten Rentnerin. Ihr Mann ist letztes Jahr verstorben. Sonst hat sie auch noch einen Sohn und 17 Guppyfische.
'Bingo' denke ich. Die Fische und der Mann sind nur Fallen. Wichtig ist der Sohn. Er wird nur kurz erwähnt. Doch sein Geburtsjahr steht im Text. Ich gebe '2842' in das Schloss ein. Es öffnet sich.
"Jackpot." Eine Hand klopft annerkennend auf meine Schulter. Ich drehe mich um und erkenne Mr. Upas herzliches Lächeln.
"Wenn du so weitermachst, wirst du der Regierung noch gefährlich werden." Ich lache.
"Darauf können sie sich verlassen." Sage ich und grinse siegessicher.
"Du bist für heute fertig, Jenna. Hervorragende Leistung. Wenn du willst, darfst du an den Automaten." Er sieht mich ein wenig besorgt an. Hat er wirklich Angst, dass ich zur Regierung spaziere und ihr System lösche? Diese Vorstellung ist völlig absurd.
Lächelnd gehe ich zum Automaten. Er ist, wie ein damaliges Smartphone oder Tablet aufgebaut. Durch das Automatengehäuse geht der Akku nicht leer. Denn innendrin wird der sogenannte Strom erzeugt. Damit wurden die elektrischen Geräte früher aufgeladen. Heutzutage braucht man das nicht mehr. Virreals braucht man nicht aufzuladen und Smartwebmobiles werden durch Licht (egal ob natürliches oder künstliches) geladen. Also praktisch, die ganze Zeit.
Der Automat steht ganz hinten in der Ecke des Raumes. Das Gehäuse glänzt metallisch. Auf dem Gerät sind einige der alten Apps drauf. Unter anderem Temple Run, Crossy Road, Flappy Bird und Tetris. Nach kurzem Ünerlegen entscheide ich mich für Flappy Bird und tippe eifrig auf dem Bildschirm herum. Dabei versuche ich meinen eigenen Highscore zu knacken. Nach 4,78 Minuten habe ich es endlich geschafft. Ich habe 14 Versuche dafür gebraucht.
"Wie hast du das zehnte Schloss geöffnet?" Fragt mich jemand hinter mir. Wäre ich im Wald, würde ich ohne mich umzudrehen, der Person den Arm ausrenken. Doch in bin in der Schule. Deswegen drehe ich mich stattdessen langsam um.
"Welches zehnte Schloss? Ich hatte nur acht. Dannach hat mich Mr. Upa zum Automaten geschickt." Ich zucke mit den Schultern.
"Ich saß beim zehnten Schloss. Aber ich konmte es nicht lösen. Er hat mich mit einer neun bewertet." Sagt Wesper. Dannach schweigt er.
"Willst du?" Frage ich ihn und zeige auf den Automaten. Er schüttelt nur den Kopf. Dabei fallen ihm seine orangroten Haare in das helle Gesicht.  Er hat noch nie besonders viel geredet. Er wendet sich von mir ab und geht zu seinem Platz. Ich wende mich wieder dem Automaten zu. Der Bildschirm ist schwarz. Ruhemodus. Genauso, wie ich. Ich atme langsam ein und aus. Halte meinen Puls niedrig. 59.63.57.61. Schläge pro Minute. Ich stehe einfach nur da, während ich über das neunte und zehnte Schloss nachdenke. Dann ertönt die Schulklingel. Ohne weiteres gehe ich zu meinem Platz. Nehme meine Sachen und gehe. Ich spüre Wespers Blick in meinem Rücken. Er ist intilligent. Er ist sicherlich bereits dabei über Mr. Upas Beweggründe, mir die letzten Schlösser vorzuenthalten, nachzudenken. Stepan ist schon weg. Mist, ich habe es wieder nicht geschafft ihn anzusprechen.

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