Kapitel 1

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Es klopfte dreimal an der Tür, ich gähnte und antwortete verschlafen: „Ja?"
„Miss Matthews darf ich hereinkommen?"-,,Na selbstverständlich, George."
George war quasi mein persönlicher Beschützer/Begleiter, der mir überall hin folgte und für mich zuständig war, da ich leider Gottes eine der beiden Töchter der obersten Führungskraft der Ken bin - Jeanine Matthews und es ihrer Meinung nach zu gefährlich wäre, wenn wir alleine umherlaufen würden. Unseren Vater kennen wir nicht und wir werden ihn auch bestimmt nie treffen, da Mom sich für die Karriere und nicht für die Familie entschieden hatte. Wir sehen sie sehr selten, aber der Name sagt natürlich alles.
Heute ist der Tag des Eignungstestes.
Meiner Meinung nach war der Test für mich und meine Schwester eher irrelevant, da wir sowieso keine Wahl hatten. Unsere Mutter würde uns umbringen wenn wir uns für eine andere Fraktion entscheiden würden also Sad Life und Ken Life.
George betrat mein Zimmer mit verschränkten Armen und meinte: „Es ist höchste Zeit aufzustehen. Sie sollten sich noch ein Frühstück genehmigen bevor ich Sie zum Test begleiten werde. Heute ist ein wichtiger Tag."-„Hm, total wichtig..."
Er sah mich nur mit ernstem Blick an und sagte: „ In zehn Minuten sind Sie unten. Ich werde das Frühstück vorbereiten lassen und wehe wenn nicht junge Dame."
Er lächelte und verließ schließlich mein Zimmer. George war schon immer ein kleiner Vaterersatz und ich weiß nicht was ich ohne ihn machen würde. Neben meiner Schwester ist er die einzige Bezugsperson, die ich habe.
Ich zog mich also an, schminkte mich ein wenig und ging schließlich die Treppe herunter.
,,Guten Morgen meine geliebte Familie.", rief ich ironisch in die offensichtliche Leere. Doch plötzlich kam meine zweieiige Zwillingsschwester um die Ecke und meinte zu mir: „Oh welch' Überraschung, wer ist denn da endlich mal aufgestanden?"
Alexandra war schon immer die vorbildliche Ken aus dem Bilderbuch: engagiert, wissbegierig, klug und natürlich stets pünktlich. Ich hingegen, war das komplette Gegenteil: faul, eher an Sport als an Naturwissenschaften interessiert, zwar klug aber dennoch extremst unpünktlich.
Auch äußerlich würde ich nicht behaupten, dass wir unbedingt die typischen Zwillinge sind.
Ich ging zu dem Buffet, welches vorbereitet wurde und packte mir meinen Teller mit einem Brötchen und diversen Beilagen voll. Dann machte ich mir noch schnell einen Kaffee und setzte mich neben meine Schwester an den Tisch. Ich fragte sie: „Na bist du schon aufgeregt?"–„Na ja schon etwas. Ich meine theoretisch entscheidet der Test über unser gesamtes Leben, aber ich glaube nicht, dass wir eine Wahl haben."– „Ja, das habe ich mir auch schon gedacht. Aber nach ihrer Meinung fragen können wir sie ja auch schlecht. Es wäre ja schon einfacher, wenn man wüsste, wann sie mal zu Hause ist."
Auf einmal ertönte es hinter uns: „Jetzt, bin ich zu Hause."
Wir drehten uns beide um und da stand sie und lächelte uns an.
„Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass ich mich am Tag eures Eignungstestes nicht von euch verabschieden würde."
Ich antwortete: „Nun ja in den vergangenen Jahren haben wir auch nicht so viel von dir gesehen, liebste Mutter."
Sie bemerkte die Ironie in meinem Ausdruck und sagte: „Olivia, Alexandra – ihr seid die stärksten jungen Damen, die ich kenne und ich habe euch nie aus den Augen gelassen. Auch wenn ich nicht direkt anwesend war, so habe ich dennoch mit diversen technischen Mitteln alles miterleben können ."
Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „ Ihr werdet als allerletztes dran sein und auch wenn es gegen die Richtlinien ist, so werdet ihr inoffiziell von einem Ken getestet, nicht von einem der anderen Fraktionsmitglieder, das möchte ich nicht. Offiziell wird es natürlich anders aussehen."
Alexandra nickte zustimmend, so wie sie nun mal ist, aber ich sah die Sache etwas anders.
„Warum sollen wir denn die Ausnahme sein? Es reicht doch schon, dass wir diesen Nachnamen und den Sicherheitsdienst haben. Können wir nicht einmal normal behandelt werden?!"-„Olivia bitte. Du hast es in deiner Aussage doch gerade schon bestätigt. Ihr seid nicht wie die anderen. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet, ich werde noch woanders gebraucht."
Sie gab uns jeweils einen Kuss auf die Stirn und verließ dann schließlich die Wohnung.
Keine Sekunde später kamen George und Phil, der Sicherheitsdienst von Alexandra, und wir verließen die Wohnung, um dann schließlich in eine schwarze Limousine zu steigen.
Im Auto öffnete George dann einen Koffer, in welchem zwei Perücken und zwei Brillengläser drinnen waren: „ Eure Mutter möchte, dass ihr diese tragt, damit ihr nicht erkannt werdet. Weder ich noch Phil können euch heute bis zum Schluss begleiten."
Vor dem Gebäude sahen wir schon einige Leute, die sich in den Reihen der jeweiligen Fraktion eingeordnet haben. Wir stiegen aus und taten schließlich dasselbe.
Drinnen war wie eine Art Aufenthaltsbereich, indem alle 16-Jährigen, aus den verschiedenen Fraktionen zusammensaßen. Es wurden nach und nach immer eine bestimmte Anzahl von Leuten aufgerufen, die dann schließlich in die jeweiligen Kabinen gingen.
Als am Ende dann wirklich nur noch meine Schwester und ich da waren, ertönte es aus dem Lautsprecher: ,,Kabine eins Alexandra Matthews."
Sie stand auf, glättete sich ihren Rock, atmete tief ein und aus und machte sich schließlich auf den Weg. Nun war ich ganz alleine. Aber nach zwei Minuten ertönte es erneut: „Kabine vier Olivia Matthews."
Als ich die Tür zur Kabine öffnete, war ich erstaunt. Denn anstatt eines Ken, stand dort eine junge Dame der Amite. Sie lächelte mich herzlich an und sagte: „Hallöchen Liebes. Ich weiß, eigentlich solltest du bei jemand anderem sein, aber die Beauftragte der Ken hat wohl leider etwas Kreislaufprobleme von dem Ganzen hier bekommen. Das arme Ding."
Ich setzte mich auf den Stuhl und sie befestigte die Sensoren an meinem Kopf und gab mir nun ein kleines Gläschen mit einer Flüssigkeit und sagte: ,,Hier, Bitteschön. Einmal austrinken, bitte."
Es sah für mich aus wie ein Wodka Shot und genauso schnell, war dieser auch weg.

In dem Moment, in welchem ich die Augen wieder öffnete, war ich auf einmal komplett alleine in dem Raum. Mein Blick schweifte nach links, doch statt der Eingangstür sah ich eine riesige Spiegel-Wand. Ich stand auf und ging auf diese hinzu. Dort sah ich mein Erscheinungsbild, was ja nichts ungewöhnliches war, aber das Besondere war, dass es sich in die Ferne und unendlich vervielfachte. Dann ging ich ein paar Schritte hin und her , doch wandte den Blick meiner selbst im Spiegel nie ab, da es mich auf eine skurrile Weise faszinierte.
Plötzlich wurde ich von hinten an der Schulter angetippt und sah wieder mich selbst: ,Wähle!" Ich blickte auf den Boden und sah rechts drei Schüsseln, auf denen Fleisch lag und links ebenfalls drei Schüsseln auf denen Messer lagen.
Ich fragte: ,,Und wozu?"-,,Wähle bevor es zu spät ist!"-,,Ok ok."
Ich schnappte mir das Messer, da ist mir in dem Moment wesentlich effizienter erschien. Doch plötzlich hörte ich ein Knurren hinter mir. Als ich mich umdrehte sah ich einen Hund, der die Zähne fletschte und mich anknurrte. Der Hund rannte auch mich zu und ich ließ das Messer sofort fallen, da ich niemals ein Tier verletzen könnte. Plötzlich stolperte ich über eine der leeren Schalen und hielt mir die Hände schützend vor mein Gesicht.
Auf einmal war da statt des bedrohlichen Hundes nur ein kleines süßes Hündchen, das winselte. Ich streichelte den Hund voller Freude,hörte dann aber eine Stimme hinter mir, die den Hund zu sich rief. Im ersten Moment war ich nicht besorgt, da der Hund nicht mehr gefährlich aussah, aber als ich mich wieder zu dem Hund wandte sah ich, wie er wieder "böse" wurde. Der Hund wollte das Mädchen attackieren, doch ich stürzte mich ohne Nachzudenken auf ihn, bevor ich wortwörtlich im Erdboden versank.
Ich wachte nach Luft schnappend auf und entfernte die Sensoren von meinem Kopf.
,, Ui Ui Ui, das war eine Reise. Wie ist denn mein Ergebnis?"
Sie sah etwas verängstigt aus und schluckte schwer. Ich wiederholte daraufhin meine Frage: ,,Gibt es ein Problem?"-,,Ähm..Also... Olivia es war nicht ganz eindeutig."-,,Was heißt das?"-,,Du bist eine Unbestimmte."
Ich hielt mir meine Hand vor den Mund :,,Meine Mutter wird mich umbringen"-,,Nein. Das wird sie nicht. Olivia Liebes hör mich jetzt ganz genau zu! Verrate niemandem dein Ergebnis. Ich habe eingetragen, dass dein Ergebnis Ferox ist, da dieser Prozentsatz am Höchsten war. Ich selbst habe schon ein Kind an diesem Ergebnis verloren und ich glaube, dass du das nicht verdient hast."
Ich nickte ihr zu und sagte: ,,Ich weiß gar nicht, wie sehr ich Ihnen danken soll. Vielleicht kann ich mich ja eines Tages revanchieren."
Ich verabschiedete mich von ihr und ging völlig perplex aus dem Raum. Draußen wartete bereits meine Schwester auf mich: ,,Na Schwesterchen. Wie ist es gelaufen? Du musstest wohl doch zu einer anderen Fraktion, habe ich gehört."-,, Ja, es war eine sehr nette Frau von den Amite und alles lief so wie es sein sollte."
Den Rest des Tages verkroch ich mich in meinem Zimmer, da ich total verängstigt und verwirrt war.
Ich - eine Unbestimmte.
Ich habe ja mit allem gerechnet, aber damit ganz bestimmt nicht.
Wenn meine Mutter das jemals erfahren sollte, bin in in ernsthaften Schwierigkeiten.

Not alone  [Divergent/Eric FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt