Kapitel 4

1.5K 57 0
                                    

Da ich mich die ganze Zeit im Bett nur hin und her wälzte, entschied ich aufzustehen und ein paar Runden zu drehen. Es hatte etwas schönes an sich im Dunkeln durch die leeren Gänge zu gehen, während alle schliefen. Diese Ruhe war genau das, was ich gerade gebraucht hatte. Schlussendlich kam ich an der Plattform über der Schlucht an und ich beschloss mich an den Rand zu setzen, um dem rauschenden Wasser etwas zu lauschen. Nun war ich mit meinen Gedanken alleine und ich hinterfragte bereits jetzt meine Entscheidung.
War es richtig sich für die Ferox zu entscheiden? Oder hätte ich doch lieber den Ken bleiben soll? Es war ein ewiges hin und her. Plötzlich ertönte so eine tiefe Stimme aus der Dunkelheit: „Ziemlich früh, um sich herunterzustürzen."
Ich blickte nach rechts und sah wie Eric aus der Dunkelheit heraustrat: „Nein, ich konnte nur nicht schlafen und brauchte einen Ort, um klar zu denken. Damit ich aufgebe muss schon ein wenig mehr passieren."
Doch auf einmal zog er mich an meinem Hals nach oben und ich baumelte über dem Abrund.
„Ich hatte anscheinend vergessen zu erwähnen, dass ab 22:00 Uhr Ausgangsverbot für euch besteht. Deshalb würde ich dir empfehlen, dass du auf dem schnellsten Weg wieder zurückgehst. Verstanden?"
Da mir die Luft langsam knapp wurde und ich schon langsam anfing schwarz zu sehen, nickte ich ihm zu. Er beförderte mich zurück auf die Plattform und ließ endlich meine Kehle los. Ich schnappte verzweifelt nach der Luft und schaute ihn böse an. Wie konnte man wegen eines kleinen Regelverstoßes, von welchem ich noch nicht einmal etwas wusste, so überreagieren?
Ohne mich auch noch einmal anzusehen, ging er den Gang weiter entlang und ich machte mich auch wieder auf den Weg ins Bett. Hier würde es definitiv nicht einfach werden.

Ich schaffte es dann doch noch irgendwie die Augen für ein paar Stunden zuzumachen, bevor ich von einem lauten kontinuierlichen Klopfgeräusch wach gemacht wurde. Mein Puls schoss sofort in die Höhe und ich erschreckte mich zu Tode. Was war das bloß für ein schrecklicher Lärm? Mein Blick ging zu Four, der eine Eisenstange gegen das Geländer schlug: „In fünf Minuten in der Grube."
Da es ein ziemlich weiter Weg bis dorthin war, sprang ich sofort auf und wechselte meine Klamotten. Dann rannte ich den Weg entlang, da ich keinerlei Zeitgefühl hatte und nicht zu spät kommen wollte. Ich stolperte kurz und rempelte die Person vor mir an. Es handelte sich dabei um eines der Mädchen von den Amite.
„Entschuldigung. Das ist nur alles so stressig hier." – „Kein Problem. Ich wäre auch froh, wenn ich mich irgendwann mal zurechtfinden würde." – „Ja, da hast du recht. Ich bin übrigens Liv."– „Ava, nett dich kennen zu lernen."
Wir rannten weiter und kamen überraschender Weise als Allererstes an. Eric blickte ungeduldig auf die Uhr und fragte uns: „Wo ist der Rest?"
Ich zuckte nur mit den Schultern und er machte schon wieder dieses zornige Gesicht. Ein paar Sekunden später trafen auch die anderen Initianten ein und Eric hielt ihnen gleich wieder eine Predigt: „Solltet ihr noch einmal zu spät sein, setze ich euren Namen ans Ende des Rankings."
Wir runzelt alle die Stirn und einer von den ehemaligen Candor fragte: „Was? Welches Ranking?"
Nun trat Four hervor und erklärte uns: „Die erste Initiationsphase absolviert ihr zwar getrennt von den gebürtigen Ferox, werdet aber trotzdem zusammen beurteilt. Am Ende der Ausbildung wird euer Ranking im direkten Vergleich mit den Ferox-Initianten stehen. Es entscheidet hauptsächlich darüber, welche Jobs ihr später bei den Ferox antreten werdet."
Eric unterbrach ihn: „Das Ranking ermittelt auch wer geht."
Wir schauten uns alle verwundert an und er fuhr fort: „Am Ende der erste Initiationsphase fliegen vier raus. Weitere sechs scheiden nach dem abschließenden Test aus."
Ich hakte nach: „Was passiert mit uns, wenn wir rausfliegen? Sind wir dann fraktionslos oder was?"
„Das hast du richtig erkannt, Matthews."
Ich sah wie ein Amite Junge neben mir in Tränen ausbrach und ich musste zugeben, dass ich ihn dafür nicht verurteilte. Es war niemals die Rede davon gewesen, dass man nach seiner Fraktionswahl so enden könnte.
Eric schnauzte ihn natürlich sofort wieder an: „Entweder du reißt dich jetzt zusammen oder du kannst sofort gehen!"
Der Junge riss sich dementsprechend zusammen und Four sagte abschließend: „Folgt mir!"
Wir gingen alle zusammen auf's Dach und dort standen schon mehrere Pappfiguren, auf denen Kreise aufgezeichnet waren. Eric drückte uns allen eine Waffe in die Hand:
„Das Erste was ihr heute lernen werdet ist wie man schießt das Zweite, wie man einen Kampf gewinnt. Die Initiation gliedert sich insgesamt in zwei Phasen. Eure Leistungen werden in jedem dieser Abschnitte bewertet. Wir sind davon überzeugt, dass man Feigheit mit Training überwinden kann. Die zwei Phasen gliedern sich wie folgt: Die Körperliche, wo es hauptsächlich um Kraft geht und die Gefühlsphase verbunden mit der mentalen Phase", erklärte uns Four.
Sie zeigten uns die Handhabung der Waffe und schon waren wir auf uns alleine gestellt. Es war erschreckend, wenn man bedachte, was eine solche Waffe alles anstellen könnte, aber es reizte mich zugleich. Four und Eric stellten sich an den Rand und beobachteten jeden von uns haargenau. Es war ja auch nicht besonders schwer, acht Leute im Auge zu behalten. Ich fixierte nun das erste Ziel und schoss. Da der Rückstoß jedoch ziemlich heftig war, erschreckte ich mich kurz. Anschließend sah ich auf die Scheibe und bemerkte, dass ich das Ziel komplett verfehlt hatte. Ich setzte für den zweiten Schuss an und auf einmal hatte ich das unangenehme Gefühl, dass mich jemand anstarrte. Mein Blick ging über meine rechte Schulter und ich sah in die Augen von Eric.
„ Wenn du das Ziel treffen willst, schau gefälligst nach vorn.", meckerte er mich an.
Wenn das so weiterging, würde meine Ausbildung zu einer reinen Geduldsprobe werden. So biss ich mir also auf die Zunge, fixiert das Ziel erneut und feuerte ab. Natürlich traf ich wieder nicht, was mich selbst sehr ärgerte. Ich wollte erneut anlegen, doch spürte Erics Atem in meinem Nacken: „Du hast die falsche Haltung."
Er korrigierte mich und meinte ich solle es nun erneut probieren. Also drückte ich ab und erstaunlicherweise traf ich das Ziel. Sein selbstgefälliges Grinsen stand ihm ins Gesicht geschrieben und er ging ohne Worte weiter zum nächsten Initianten. Ich musste zugeben, dass ich nach Erics Korrektur wirklich besser traf und so verliefen die weiteren Durchläufe eindeutig besser. Wir wollten gerade den letzten Durchgang starten, als voreilig ein Schuss fiel und ich hinter mir einen Körper am Boden sah. Es war der Amite Junge. Er hatte sich in den Kopf geschossen. Ich hielt mir geschockt die Hand vor den Mund und unterdrückte einen Schrei. Eric sagte nur unbetroffen: „Four, hilf mir ihn wegzubringen und ihr bewegt euch schon mal zur Trainingshalle."
Ich war immer noch in diesem Schockzustand und wusste nicht wie ich reagieren sollte. Gerade eben hatte sich ein Junge neben mir umgebracht, weil er vermutlich nicht zu den Fraktionslosen gehören wollte.
Würde ich diese Maßnahme auch ergreifen, wenn ich sehe, dass ich keine Chance habe zu bestehen? Vermutlich nicht. Ich würde es niemals schaffen, mein Leben selbst zu beenden. Mein Ideal bestand schon immer darin, dass wenn ich vorzeitig sterben würde, es wenigstens für eine gute Sache gewesen sein sollte.
In der Trainingshalle angekommen, legten wir die Waffen zunächst nieder und man sah jedem von uns an, dass wir ein wenig unter Schock gestanden. Ich ging zu Ava, die sich mit einem anderen Amite Mädchen im Arm hatte und sie weinten beide. Sie blickte mich traurig an und ich fragte: „Kanntest du ihn?"
Sie nickte: „Ja, du musst wissen, bei den Amite sind wir alle sehr vertraut. Er war ein sehr guter Freund von mir und Janes fester Freund."
Sie zeigte auf das Mädchen neben sich und ich meinte schließlich: „Das tut mir so leid für euch. Das ist bestimmt nicht leicht."
„Heult nicht so rum. Er hat dem Druck nicht standgehalten, d.h. dass er nicht hierher gehört hat. Er war zu schwach. Akzeptiert es und konzentriert euch lieber auf euch selbst.", meinte ein ziemlich großer und stark gebauter Junge mit blondem Haar.
„Entschuldige Mal, die Reaktion der beiden hat nichts mit Schwäche zu tun. Das sind Gefühle und wenn du sowas nicht kennst, dann akzeptier es wenigstens bei anderen und halt dein Maul."
Er baute sich auf einmal vor mir auf: „Ach ja? Und was willst du dagegen unternehmen Blondie?"
Ich lächelte kurz und gab ihm darauf hin einen Tritt in seine Weichteile: „Das mache ich dagegen."
Er holte mit seiner flachen Hand aus und scheuerte mir anschließend eine. Ich wollte gerade eben wieder auf ihn losgehen, als Erics Stimme von hinten ertönte: „Hey! Hört sofort damit auf. Ihr werdet noch genug Gelegenheiten bekommen, euch zu prügeln."
Ich ging zurück zu Ava und Eric zeigte uns auf einer digitalen Tafel das Ranking. Es standen viele Namen darauf und die meisten davon kannte ich nicht. Da das Ranking bis 20 ging, konnte man schlussfolgern, dass es dreizehn gebürtige Ferox Initianten gab.
Unter der roten Linie standen vier Namen und das Problematische dabei war, dass einer dieser Namen meiner war. Obwohl ich dachte, dass ich das mit dem Schießen einigermaßen gut hinbekommen hatte, scheint es, dass andere doch deutlich besser waren. Na super, jetzt konnte ich nur noch probieren das mit den Kämpfen auszugleichen und den einzigen Bonus den ich dabei hatte, war die drei Jährige Absolvierung eines Selbstverteidigungskurses. Das war's dann aber auch. Mein Lehrer sagte aber immer zu mir, dass mein Vorteil im Kampf die Geschwindigkeit sei, da ich mit meinem Körpergewicht und meinem Erscheinungsbild bei Kraft nicht punkten konnte.
Die Anzeigetafel verwandelte sich nun in eine Kampftafel. Jedem war ein Partner zugeteilt, nur ich blieb übrig, da wir durch den Tod des Amite Jungen nun eine ungerade Zahl waren.
Four erklärt uns dann zunächst die Basics und bevor die Partner-Arbeit losging, arbeitete jeder von uns am Sandsack. Mir taten schon die Hände weh von den vielen Schlägen, die ich dem Sandsack gegeben hatte. Dann wurde es Zeit für die Mittagspause und wir begaben uns in Cafeteria.
Ich bekam keinen Bissen herunter, da ich das Bild des toten Jungen nicht aus dem Kopf bekam und ich stellte fest, dass es den anderen ähnlich ging.

Nach der Mittagspause, ging dann jeder zu seinem Partner und ich machte einfach eine Dreiergruppe mit Ava und Jane. Da wir nur Ausweichschläge übten und uns zunächst nicht richtig verletzten, stellte diese Übung für mich kein Problem dar. Doch gerade als ich das dachte rief Eric: „Erste Springerin in den Ring, letzter Springer in den Ring. Es ist Zeit für einen richtigen Kampf."
Ich machte mich auf den Weg und war geschockt als ich sah, wer mein Gegner sein würde: Es war der blonde Junge, mit dem ich vor ein paar Stunden schon eine kleine Auseinandersetzung hatte. Das machte Eric definitiv mit Absicht, denn er wusste genau dass es da zuvor schon diese brenzlige Situation gab.
Mir war in dem Moment bewusst, dass er all seine Kraft in diesen Kampf investieren würde. Zum einen, damit er gut bei Eric und Co. dastehen würde und zum anderen damit er es mir heimzahlen konnte. Er grinste mich fies an und sagte: ,,Mach dich auf eine Abreibung gefasst!"
Das war wirklich ein Moment, in dem mich meine Angst überkam und ich fragte Four: ,,Wie lange kämpfen wir?"-,,Bis Einer von euch nicht mehr kann oder sich ergibt."
Ich begab mich in meine Kampfposition und versuchte mich so gut wie möglich zu konzentrieren. Eric gab uns nun ein Zeichen, dass es losgehen konnte und schon stürmte er auf mich zu, packte mich und schmiss mich kurz darauf auf die andere Seite des Boxrings. Der Schmerz, welchen ich beim Aufprall empfand, war unbeschreiblich, aber ich ließ mich nicht unterkriegen und stand sofort wieder auf. Doch es würde definitiv kein Zuckerschlecken werden und ohne dass ich mich in irgendeiner Form wehren konnte, zog er mein Bein weg und ich lag erneut auf dem Boden. Ich sah schon alles verschwommen, da mein Kopf ziemlich heftig auf dem Boden aufschlug. Mir kam es nie in den Sinn aufzugeben beziehungsweise wäre ich in diesem Zustand auch nicht mehr in der Lage gewesen. Ich dachte es sei vorbei, aber da verpasste mir der Muskelprotz noch einen letzten Tritt und alle Lichter waren aus.

Not alone  [Divergent/Eric FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt