Kapitel 21

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An diesem Morgen hatte ich eine Nachricht von Max unter der Tür durchgeschoben bekommen, die aussagte, dass ich mich gegen um neun bei seinem Apartment einfinden sollte. Da ich heute etwas länger geschlafen hatte, war es bereits 8:30 Uhr und ich beeilte mich mit dem Duschen und Anziehen. Paul, der immer noch im Bett lag und sich gerade den Schlafsand aus den Augen rieb, fragte mich verschlafen: „Warum beeilst du dich denn so? Steht heute irgendetwas an?" – „Nein, theoretisch nicht, aber Max wollte gerne mit mir sprechen und ich bin schon etwas spät dran." – „Okay, dann viel Spaß. Ich hau mich noch mal hin."
Ich ging zu ihm hin, gab ihm einen vertrauten Kuss auf die Stirn und machte mich schließlich auf den Weg zu Max. Ich klopfte an seiner Tür und Max öffnete sie kurz darauf mit einem Lächeln im Gesicht: „Guten Morgen, schön dass du meine Nachricht noch bekommen hast. Komm bitte herein."
Ich nickte ihm zu und betrat schließlich die Wohnung. Dann fragte ich gespannt: „Also, warum hast du mich so früh hierher bestellt? Ist irgendetwas passiert?"– „Nein, keine Sorge. Es ist eher etwas organisatorisches. Wie du sicher weißt, ist heute der Eignungstest und jemand aus unserer Fraktion muss die Altruan prüfen. Wir haben uns dieses Jahr für dich entschieden, damit du uns beweisen kannst, dass wir dich vielfältig einsetzen und dir vertrauen können."– „Wow, ich fühle mich geehrt, aber ich weiß doch gar nicht wie das funktioniert. " – „Daran haben wir natürlich gedacht. Four wartet schon im Simulationsraum auf dich, um dir den Prozess zu erklären. Du wirst dann am frühen Nachmittag zum Regierungsgebäude gebracht, wo der Test durchgeführt wird." – „Okay, dann mache ich mich mal auf den Weg. Vielen Dank und bis später."
Er verabschiedete sich von mir und ich machte mich direkt auf den Weg zu Four. Als ich anklopfte und den Raum daraufhin vorsichtig betrat, sah ich wie er schon die erste Spritze aufzog. Er blickte kurz hoch, bemerkte mich und sagte: „Gute Morgen, so schnell hätte ich gar nicht mit dir gerechnet. Hat dir Max erzählt was deine Aufgabe ist?"– „Also theoretisch ja, aber ich habe keine Ahnung wie ich das anstellen soll." – „Kein Problem, dafür bin ich ja da."
Er erklärte mir: „Normalerweise würde man die modernste Technologie dafür verwenden und den Leuten einfach eine Spritze setzen. Da die Altruan jedoch etwas empfindlicher sind was diese Methode angeht, müssen wir auf die herkömmlichen Methoden zurückgehen. Das heißt deine Aufgabe wird es sein, die Elektroden an der richtigen Stelle am Kopf anzubringen, damit du den Vorgang überwachen kannst und ihnen dann eine Flüssigkeit zum Trinken gibst, mit der sie in diesen Zustand verfallen. Dann werden sie bewusstlos, du musst alles überwachen und so wird das Test-Ergebnis ermittelt. Verstanden?"– „Theoretisch ja, aber warum soll ausgerechnet ich das machen?" – „Ich habe da so eine Theorie. Bei diesen Tests kommt oftmals heraus, dass es sich bei bestimmten Personen um Unbestimmte handelt. Ich gehe davon aus, dass die Anführer dich überprüfen wollen, wie du reagierst wenn dieses Ergebnis auftauchen sollte. Deswegen wirst du heute auch nicht alleine sein. Tori, die Tattoowiererin, wird dich begleiten und beobachten." – „Na super, das kann ja nur ein Reinfall werden." – „Wohl oder übel wirst du wohl jemanden an die Regierung verpfeifen müssen ansonsten stellen sie deine Loyalität in Frage."-,,Da kann man ja nur hoffen, dass die meisten nur eine Eigenschaft der Bestimmung aufweisen."-,,Wohl oder übel, ja. Gut, kommen wir zu der eigentlichen Sache, weshalb du hier bist, zurück. Übe den Eignungstest - an mir."-,,Was?! Bist du wahnsinnig? Dein Ergebnis ist dann im System! Das ist viel zu gefährlich!"
Er legte sich bequem auf die Liege und meinte tiefenentspannt :,,Mach dir um mich keine Sorgen. Ich komme klar."-,,Wenn du meinst..."
Ich befestigte die Elektroden an seiner Schläfe entlang, so wie er es mir gezeigt hatte und gab ihm anschließend den Shot mit den nötigen Transmittern. Keine fünf Sekunden später schloss er seine Augen und ich stellte mich hinter den Monitor, um den Verlauf zu beobachten. Man sah ihm an, dass er genau wusste, was er tat und ich war am Ende sehr überrascht über das Ergebnis: Altruan. Er kam langsam wieder zu sich und ich entfernte alles von seinem Kopf, bis er dann schließlich lächelnd meinte :,,Deinem Gesichtsausdruck zufolge habe ich dich überrascht oder ?"-,,Ja! ich hätte niemals gedacht, dass du eine Eignung für die Altruan besitzt. Für mich warst du immer der geborene Ferox."-,,Der Schein trügt."
Four setzte sich auf und schaute etwas traurig nach unten, weshalb ich vorsichtig nachfragte: ,,Gibt es einen bestimmten Grund, warum du dich nicht für sie entschieden hast?"
Er zögerte einen Moment, atmete tief ein und aus und erzählte schließlich :,,Die Altruan sind meine gebürtige Fraktion. Mein Vater mich oft geschlagen. Das verfolgt mich noch bis heute."-,,Wow, Four das tut mir leid. Dann ist mehr als verständlich, dass du von dort weggegangen bist."-,,Tobias."-,,Was?"-,,Ich heiße Tobias. Das ist mein richtiger Name."-,,Ich soll dich aber bestimmt weiterhin Four nennen oder?"-,,Ich bitte darum."-,,Danke, dass du mir das anvertraut hast."
Er nickte :,,Ich schätze dich. Du bist einer der wenigen Menschen, die hier noch wirklich etwas wert sind und dass obwohl du so eine grausame Mutter hast."-,,Das musste jetzt natürlich sein."
Er zuckte mit den Schultern und ich umarmte ihn zum Abschied, denn die Zeit ist schneller vergangen als ich dachte und ich wollte noch schnell etwas zum Mittag essen, bevor der ganze Spaß losging. Da ich gerade wenig Lust auf Konversation hatte und sowieso noch niemand von den anderen Mittagspause hatte, saß ich alleine am Tisch und schlang mir die Nudeln herunter.
Gegen 14:00 begab ich mich dann wie geplant vor das Hauptgebäude und wartete zusammen mit Tori. Sie fragte mich :,,Na, bist du schon aufgeregt?" -,,Naja das kommt ganz darauf an. Einerseits finde ich es spannend und aufregend wie jede Person individuell auf den Test reagiert und andererseits erwarte ich bei den Altruan nichts anderes als ihre eigene Fraktion."-,,Da hast du wohl recht. Sie sind ziemlich entschlossen, was ihre Selbstlosigkeit angeht. Warten wir es mal ab. Ich denke mal allzu lange wird es wohl heute nicht dauern."
Wir stiegen zusammen in den Wagen und keine zehn Minuten später waren wir auch schon da. Keiner der Leute aus den anderen Fraktionen schien uns sonderlich zu beachten und so gingen wir nach einer kurzen Überprüfung unserer Identität in den zugewiesenen Raum. Dort war schon alles vorbereitet und so hieß es Däumchen drehen. Ich unterhielt mich mit Tori über viele Sachen und da sie auch schon etwas länger bei den Ferox war und erfuhr bei dieser Gelegenheit, dass sie ebenfalls von den Ken kam. Dann ging mitten in unserem Gespräch die Tür auf und der erste 16-Jährige kam hinein. Dem riesigen Spiegel im Raum schenkte er keine Beachtung und so setzte er sich auf den zugewiesenen Stuhl und ich befestigte die Elektroden. Da er ziemlich nervös schien und ich seine Schweißflecken durch das Hemd sehen konnte, legte ich meine Hand auf seinen Unterarm und sagte :,,Keine Angst, es ist halb so schlimm wie es den Anschein hat. Sei einfach du selbst."
Er nickte und Tori fragte ihn hinter dem Monitor stehend: ,,Robert Black?"-,,Ja?"-,,Ok, perfekt."
Ich gab ihm das kleine Glas und sagte zu ihm, dass er es nun bitte trinken solle. Dies tat er dann auch und schon ging unsere Beobachtung los. Am Ende kam heraus, dass er zu den Amite gehörte und er verlies etwas betrübt den Raum. Man sagte uns, dass es ungefähr fünfzig Jugendliche bei den Altruan gäbe, die wir zu prüfen hatten. Da jedoch die eine Hälfte zu den Ken für den Test ging und die andere Hälfte zu uns, war das Dilemma nicht ganz so groß.
Die Nachfolgenden Altruan bekamen zum Teil alle ihre gebürtige Fraktion empfohlen bis auf ein paar Ausnahmen und leider hatte ich auch noch keine Simulation gesehen, die auf Ferox hinauslief. Plötzlich kam ein Junge herein, der sich ganz genau im Spiegel betrachtet hatte und ich wusste, dass es somit ziemlich unwahrscheinlich war, dass er seine gebürtige Fraktion empfohlen bekommen würde, da die Altruan Spiegel verabscheuten. Das wäre ja selbstsüchtig. Die Simulation begann schließlich und er schnappte sich zur Abwechslung mal das Messer. Ich war beeindruckt, da es nun guter Dinge stand, dass er vielleicht die Empfehlung für die Ferox bekommen würde.
Doch dann kam alles ganz anders. Er sagte auch dem Mann mit der Zeitung die Wahrheit, was ein eindeutiges Indiz für Candor war. Tori und ich schauten uns geschockt an und sie sprach es schließlich aus :,,Ein Unbestimmter."
Die Simulation wurde schließlich beendet und er wachte auf, während Tori aus dem Raum ging. Der Junge, namens Daniel, fragte mich :,,Wo ist die andere von euch hin?"
Ich setzte mich behutsam neben ihn und meinte :,,Daniel, deine Ergebnisse sind leider nicht so ausgefallen wie erhofft. Du bist für mehrere Fraktionen geeignet, sprich du bist mutig wie die Ferox, ehrlich wie die Candor und selbstlos wie die Altruan."
Er schlug sich vor Schreck die Hände vor den Mund und fing an mit weinen. Ich wollte ihn zwar trösten doch in diesem Moment kam Tori mit zwei Männern von den Ken herein. Sie nahmen den Jungen ohne große Worte an den Armen und er versuchte sich zwar zu wehren, doch es war chancenlos. Er sah mich flehend an und rief :,,Hilf mir! Bitte! Ich kann nicht fraktionslos werden! Hilfe!"
Doch ich musste meinen Helferinstinkt unterdrücken und wandte meinen Blick ab, während sie ihn aus dem Raum schliffen. Die Tür ging wieder zu und Tori setzte sich bedrückt neben mich :,,Das war hart."-,,Da hast du recht, aber wir haben leider keine andere Wahl."
Ich nickte ihr zustimmend zu und probierte mich wieder zu konzentrieren. Glücklicherweise gab es keine weiteren Überraschungen, bis ein Mädchen namens Beatrice Prior den Raum betrat. Sie blickte zunächst mich und Tori an und bemerkte dann den Spiegel. Jedoch wandte sie ihren Blick schlaghaft ab und ich atmete tief durch. Das war schon mal ein gutes  Zeichen.
Wir forderten sie auf sich zu setzen und sie betrachtete währenddessen die Geräte ganz genau. Tori erklärte ihr das Procedere und hielt ihr anschließend das Glas hin. Sie fragte :,,Was ist das?"-,,Runter damit."
Sie stellte keine weiter Fragen, aber roch noch einmal daran, bevor sie es trank.
Schon am Beginn fiel mir auf, dass sie ihrem Spiegelbild nun deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkte und ich wurde nervös. Noch schlimmer wurde es als sie gefordert wurde zu wählen und sie es nicht tat. In diesem Moment warfen Tori uns wieder einmal besorgte Blicke zu und kurz vor dem Ende war es uns schließlich klar. Sie war wieder eine Unbestimmte.

Not alone  [Divergent/Eric FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt