S E V E N

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S E V E N | Es überraschte mich, als der Junge schlafen ging, während ich noch wach war. Seine Augen folgten mir ständig, er war stets auf einen möglichen Angriff meinerseits bereit. Es machte keinen Sinn. Schlafend war er wehrlos und er fühlte sich in meiner Gegenwart nicht sicher. Doch wer war ich schon, um auf Nummer sicher zu gehen.

Hinkend stand ich auf und schlich leise zu ihm herüber. Es war Tag und es würde noch etwas dauern, bis Nacht sein würde. Und während er schlief, konnte ich vielleicht meine Waffe holen und verschwinden, auch wenn ich doch sehr langsam war. 

Ich hielt die Luft an, als ich mich über ihn beugte und in sein schlafendes Gesicht sah. Selbst im Schlaf sah er gefährlich aus, seine Augenbrauen waren zusammengekniffen. Es sollte mich nicht wundern, wer weiß, wie langer er schon nichts Gutes mehr gesehen hatte. Vorsichtig hob ich seine Jacke etwas an, um zu sehen, was ich dort so finden konnte, doch er bewahrte nichts außer Patronen dort auf.

Zögernd schob ich sein Shirt etwas hoch und.. Meine Augen blieben an seinem trainierten Bauch hängen. Schnell schüttelte ich den Kopf um mich zu konzentrieren. Ja! Da war meine Pistole, er hatte sie in seine Hose gesteckt. Schnell ging ich durch meine Gedanken, wie ich am besten die Pistole nehmen sollte, bevor er aufwachte. Da ich aber nicht viel Zeit hatte, griff ich schließlich einfach danach, doch da packte er mich schon am Arm und ich begann panisch, ihm in die Seite zu treten. Dadurch dass er lag, hatte ich einen Vorteil und als er endlich losließ, rannte ich los, warf mich fast schon vom Dach, ließ mich an der Leiter runterrutschen und rannte die Straße hinunter. 

Ich hatte noch nie so starke Schmerzen in meinem Bein, doch ich rannte und rannte, bis ich dachte, ich würde zusammenbrechen. Als ich dann merkte, dass er mir nicht gefolgt war, überkam mich die Angst. Konnte das sein? Als würde er mich einfach so flüchten lassen! Plötzlich war ich auf der Hut, schlich vorsichtig die Straße entlang. Noch nie in meinem Leben war ich so leise gewesen. Ich hatte auf einmal Angst, dass er von überall her kommen könnte. Es hatte sicher einen Grund, wieso er mich hatte gehen lassen.

Inzwischen kam ich nur noch langsam voran. Ich spürte mein Bein gar nicht mehr, mit jedem Schritt hatte ich Mühe mich aufrecht zu halten. Immer wieder knickte ich ein, fing mich immer wieder an der Wand auf. Als ich mich irgendwann dazu entschloss nach meiner Wade zu sehen, bemerkte ich, dass die Nähten wieder aufgerissen waren und Blut mein Bein hinab floss. Wie hatte ich das nicht bemerken können?

Ein neues Gefühl von Angst packte mich. Ich würde mein Bein verlieren! Ohne Bein würde ich hier nicht überleben! Zittrig kletterte ich auf einem Bein die nächstbeste Leiter hinauf aufs Dach. Ich war verloren. Schnell zog ich meine dreckige Jacke aus und band mir sie fest um die Wunde. Das würde zwar eine Infektion geben, doch das war besser als zu verbluten. Dann beschloss ich bis morgen hierzubleiben und zu sehen, wie es weitergehen würde. 

Schließlich dauerte es nicht allzu lange, bis der Himmel rot wurde und ich unter Schmerzen schlafen ging.

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Als ich die Augen wieder aufschlug, war meine Sicht verschwommen vor Schmerz. Ich konnte nicht erkennen, wo ich war, ob es Tag oder Nacht war, ich konzentrierte mich nur auf mein pochendes Bein. Als ich die Jacke abnahm, klebte sie an der Wunde durch die Kruste und Flüssigkeit. Ich packte das Messer, das ich am Anfang in einem der Gebäude gefunden hatte, aus dem Rucksack und schnitt die Stelle, die klebte, aus der Jacke raus. 

Das Stehen war eine Qual, doch ich konnte inzwischen viel mehr ertragen als ganz am Anfang, als ich hierher kam. Außerdem war ich fest entschlossen, dieser Stadt zu entkommen. Wenn ich erst einmal draußen war, würde ich auch in ein Krankenhaus gehen können.

Es war der einzige Lichtblick, der mich vorwärts drängte, der mich dazu brachte, die Leiter hinunterzuklettern und wieder den festen Boden der Tatsachen unter meinen Füßen zu spüren und vorwärts zu hinken, immer geradeaus. Niemand hielt mich auf. Ich war noch immer schockiert und überrascht, dass der Junge mich einfach hatte entkommen lassen.

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