F I F T E E N

73 11 4
                                    

F I F T E E N | Ich spürte den Wind unter mir, der meine fettigen Haare nach oben und in mein Gesicht wirbelte, spürte das Kitzeln im Bauch, den Fall. Spürte, wie ich fiel und fiel, ohne Ende. Wie weit der Grund wohl noch entfernt war? Mir schien schwummrig zu werden, etwas sehen tat ich schon lange nicht mehr. Ich fiel bloß, immer tiefer und tiefer, der Druck in meinem Kopf immer größer und größer, als herrschte dort unten ein so hoher Luftdruck, dass er mich zu zerquetschen drohte.

Ich fühlte mich nicht wohl. Das war mein einziger Gedanke. Bis ich aufgefangen wurde von einer unmenschlichen Kraft, doch- nein. Es waren keine starken Arme. Es war, als würde ich schweben. Plötzlich wandelte sich die Geschwindigkeit des Falls zuvor, in die andere Richtung, nach oben. Ein Sog, der mich wieder Richtung Oberfläche brachte. Tat er das wirklich? Ich war verwirrt.

Der Wind peitschte mir grob ins Gesicht, als ich das Bewusstsein verlor.

----

Ich spürte nichts, mein Körper war taub. Frei von Schmerz und jeglichem Gefühl. Nur ein grelles Licht kam mir entgegen, ohne Formen, ohne Gestalt. Hatte Gott mein Gebet erhört?

Erst dann merkte ich, dass meine Augen offen waren, denn die Asche über mir begann Strukturen anzunehmen. Ansonsten befand sich nichts im Himmel. Ein weiterer trüber, ascheverhangener Tag an diesem Ort wie sonst auch.

Noch immer spürte ich nichts. Nicht einen Finger konnte ich bewegen, nicht ein Zucken zustande bringen. Also lag ich dort einfach, und hoffte, dass mich nichts finden würde, das mich qualvoll zerfleischen würde, während ich so wehrlos war.

Doch kurz darauf überkam mich die Panik. Wieso spürte ich nichts? War ich zu hart aufgekommen? War ich vielleicht sogar querschnittsgelähmt? Krampfhaft versuchte ich einen Muskel - irgendeinen - wenigstens ein wenig zu bewegen, nur um sicherzugehen. Entspannen konnte ich erst, als es mir nach Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, gelang kleine Teile meines Körpers zu bewegen.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder volles Gespür in meinen Gliedmaßen hatte und mich aufsetzen konnte, doch ausgelaugt fühlte ich mich trotzdem. Erschöpft blieb ich auf dem harten Boden sitzen. Solange ich einen Überblick hatte, war es mir egal, ob ich nun wieder in die Enge getrieben werden konnte oder nicht. Anscheinend konnte ich ja jederzeit wieder springen, wenn es darauf ankam. 

Doch darauf anlegen wollte ich es nun wirklich nicht, wenn ich über die Nachwirkungen des Sprungs nachdachte. Wieso ich mich so fühlte, ich hatte keine Ahnung. Doch noch einmal wollte ich es nicht mehr machen, erst recht nicht heute. 

Also stand ich mit wackeligen Beinen auf und lief in langsamem Tempo zurück zu den ersten Häusern. Es waren Einfamilienhäuser, keine Reihenhäuser wie in der Stadt, und die Dächer hier waren weder flach, noch hatten sie Fluchtleitern. Doch ich spürte jetzt schon, wie meine Beine nachgeben wollten,also suchte ich nach einen etwas länglicherem dünnen Gegenstand, den ich als Waffe benutzen könnte, wenn etwas passierte.

Das erste, das ich fand, war ein herausgebrochenes Stahlrohr, woher es genau kam wusste ich nicht, doch es war mir recht, also nahm ich es und öffnete vorsichtig die Haustür zu einem der Häuser. Zu meinem Glück stand das Haus leer, und ich begab mich schnell auf den Dachboden des Hauses, bevor die Nacht über mich hereinbrechen würde.

Es lag nun mal daran, dass ich auf den Dächern an diesem Ort die sicherste Erfahrung gemacht hatte, weswegen ich eines der kleinen Dachfenster öffnete und mich durch die winzige Öffnung auf das schiefe Dach des Hauses zwängte. Ich fühlte mich so einfach am sichersten, auch wenn das Schlafen bei so einer Neigung nicht sehr vorteilhaft war, weil ein Sturz vom Dach - egal, ob im Schlaf oder Wachzustand - wahrscheinlicher wurde als auf einer flachen Fläche. 

IsolatedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt