T H I R T Y F O U R

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T H I R T Y F O U R | Es dauerte ewig, bis ich endlich am Stadtrand ankam. Zu meinem Glück konnte ich mich noch ungenau an den Standort des Hauses erinnern, auf dessen schiefem Dach ich eine Nacht verbracht hatte, und ein Schaudern erfasste meinen gesamten Körper bei dem Gedanken, dass ich in demselben Haus wie sie gewesen war, mich sicher fühlend und ohne zu sterben. Nur ein seltsames Gefühl hatte mich begleitet, und dieses machte jetzt mehr als Sinn.

Im Endeffekt musste ich aber doch noch ein wenig suchen, bis ich das Haus gefunden hatte. Der rote, verblasste Putz war nicht sehr auffällig zwischen den zerfallenen Häusern und der dicken Asche. Doch schlussendlich landete ich genau dort, wo ich hin gewollt hatte und starrte auf das Gebäude vor mir, ohne Anstalten zu machen, es zu betreten. 

Es war nicht zu verleugnen. Ich hatte Angst, vor dem, was mich dort drinnen erwarten könnte, und vor ihnen sowieso. Aber ich musste rein, wenn ich ihn finden wollte. Und natürlich, wenn ich nicht für immer und ewig hier bleiben wollte. Nur dass der letztere Teil erst einmal nicht der vordergründige war. Ich wollte nicht ohne ihn gehen.

Mit entschlossenem Schritt öffnete ich die knarzende, morsche Eingangstür. "Pshhht!", fluchte ich leise. Es mochte lächerlich sein, mit der Tür zu sprechen, doch sobald sie wussten, dass ich hier war, wäre alles vorbei.

Meine Füße stoppten mit einem Ruck. Sie würden es wissen. Sie wussten es wahrscheinlich schon. So konnte ich dort nicht hineinspazieren, sicher hatten sie schon eine Falle, in die ich widerstandslos weil unwissend hineinlaufen würde. Ich setzte einen Schritt rückwärts, dann noch einen, bis ich wieder draußen stand.  Ich hoffte, ich hatte es nicht schon verkackt. 

Frustriert stöhnte ich. Was sollte ich denn tun? Sie spielten mit uns, seit wir hier waren. Als gäbe es eine Möglichkeit sie auszutricksen. Denn hineinschleichen würde doch niemals funktionieren. Klar, wir waren tagelang geflüchtet und sie hatten uns nichts angetan, bis sie ihn schließlich entführt hatten. Aber ich zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sie genau das von Anfang an hätten tun können.

Ich verzog mich auf eines der Einfamilienhäuser in unmittelbarer Nähe und setzte mich rittlings auf einen Vorsprung des Fensters, das aus dem schiefen Dach herausragte und betrachtete mein Ziel. Das Haus, in dem sie waren, unentdeckt. Wer wusste schon wie lange. Wahrscheinlich seit Beginn dieser Zeit. Was natürlich die Frage aufwarf, wie lange es diese Welt schon gab.

Viele, viele Fragen, die wohl nie beantwortet werden würden. Ich würde wohl eher mit ihnen untergehen oder flüchten, als dass ich jemals eine Antwort darauf bekommen würde. Aber das störte mich recht wenig. So sehr interessierte es mich nicht. Eigentlich wollte ich hier nur raus und nie wieder an diesen Ort denken.

Lange ließ ich so die Gedanken schweifen, dachte nach, was ich tun konnte, um dem Jungen zu helfen und starrte in die Tiefe, bis schließlich die Nacht über mich hereinbrach. Na super. Eine weitere Nacht, die ich warten muss. Ich seufzte.

Es gab doch nichts. Sie hatten immer ein Auge auf mich. Egal, was ich tun würde, ob ich mich hineinschleichen oder brüllend mit einer Axt hineinrennen würde, es würde schief gehen. Und ich wollte ihm helfen, da brachte es recht wenig, mich auch noch fangen zu lassen. Dann würden wir beide sterben, und das war in niemandes Interesse, außer vielleicht in ihrer.

Ein Grunzen entwich mir. Es gab eine Lösung. Und selbst die war riskant. Doch an die wagte ich gar nicht erst zu denken. Ohne ihn zu flüchten, ohne eine Rettung probiert zu haben. Ich hätte Gewissensbisse für den Rest meines Lebens, und dieses würde doch hoffentlich lange dauern, wenn ich hier erst einmal raus kam. 

Und wenn das passierte, könnte ich alle Horrorfilme der Welt schauen und über sie lachen, weil ich Schlimmeres überlebt hatte. Zu allererst würde ich The Walking Dead zu Ende schau-

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