T W E N T Y T H R E E

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T W E N T Y T H R E E | Baff starrte ich ihm ins Gesicht, unsicher, was ich sagen sollte. "Uh.. Warte, was? Das kann ich nicht.. Du musst verrückt sein, wen-"

"Ich kann dich nicht zwingen. Aber die Chancen, dass das gut ausgeht, wenn du die Kugel drinnen lässt, stehen nicht so gut.", murmelte er schwach und schloss kurz darauf die Augen, um ruhig durchzuatmen, "ich sage dir, was du machen sollst. Schiefer als schief kann es nicht werden, und schief ist es sowieso schon gelaufen."

Aufgebracht fuhr ich mir über mein Gesicht. "Ich fasse es nicht, was du von mir erwartest, oh mein Gott!", fluchte ich und zog kurz an meinen Haaren, dann atmete ich tief ein. Ich musste mich beruhigen. Ich konnte ihn hier nicht sterben lassen. "Was soll ich tun?", fragte ich dann so ruhig wie nur möglich, auch wenn mein Inneres noch immer am Schreien war. 

"Nimm meinen Rucksack. Da sind ein paar Sachen aus dem Krankenhaus drinnen. Und dann guck, was am besten passt, um die Kugel rauszuholen." Seine Stimme klang schmerzverzerrt und erschöpft, doch darauf konnte ich nicht eingehen. Ich war schockiert, dass er das eine Anleitung nannte.

"Ich will dir nicht wehtun.", jammerte ich. Ein leises Lachen entfuhr ihm, dicht gefolgt vom Husten. "Vor einer Weile wolltest du mich töten.", grinste er schief.

"Halt die Klappe! Das ist was anderes.", fluchte ich und nahm dennoch seinen Rucksack, den ich mir zwischen die Beine stellte und durchsuchte, langsam immer panischer werdend bei dem Werkzeug, das ich fand. "Hör mal, ich weiß wirklich nicht, wie ich das anstellen soll.", murmelte ich angsterfüllt, während ich das rostige Skalpell zwischen den Fingern hielt. 

Ich hörte ihn seufzen. "Ich hab bessere Überlebenschancen, wenn du das einfach versuchst. Ich werd's schon aushalten."

Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Ich konnte nicht fassen, dass ich wirklich tat, um was er mich bat, als ich die kleinste der zur Auswahl stehenden Zangen in die Hand nahm und das Shirt von seinem Bauch löste. "Sicher?", fragte ich zweifelnd.

"Mach jetzt! Ich will hier nicht widerstandslos untergegangen sein.", entgegnete er etwas grober als davor. Selbst wenn er verletzt war, konnte er ein Arschloch sein. Kurz kniff ich die Augen zusammen und atmete tief durch, dann legte ich eine Hand auf seinen Bauch, um die Wunde etwas auseinander zu ziehen.

Das Geräusch, das dabei entstand, als ich die Zange in der Wunde versenkte, löste ungewollt einen Würgreflex in mir aus. Mit zusammengepressten Lippen und leicht tränenden Augen suchte ich unprofessionell seine Bauchgegend nach der Kugel ab. Dass der Junge dabei durchgehend laute Schmerzenslaute von sich gab, machte es mir nicht gerade leichter. Meine Hände zitterten, während ich dem Geschehen kaum zusehen konnte.

"Ah, fuck! Das war keine Kugel!", fluchte er, die Hände so verkrampft, dass seine weißen Knöchel durch die Haut hindurch hervor stachen, während er die Fäuste ballte. "E-es tut mir leid..", erwiderte ich piepsig, nicht in der Lage normal zu antworten. Ich war so angeekelt von dem, was sich vor mir abspielte. Bis ich auf etwas Festes traf.

Ich fixierte meinen Blick wieder, nun etwas hoffnungsvoller und griff mit der Zange nach dem kleinen, runden Gegenstand. Das Gesicht des Jungen war verkrampft, während ich vorsichtig die Zange wieder herauszog. Tatsächlich lag die mit Blut verschmierte, silberne Patrone zwischen den Greifern, die ich sofort beiseite legte. "Und jetzt?", fragte ich leise.

"Jetzt nähst du das zu und wir hoffen, dass die Kugel keine lebenswichtigen Organe beschädigt hat.", brummte er, als sei es das selbstverständlichste der Welt.

"Zunähen? Ich kann nicht mal Löcher in meiner Kleidung nähen! Wie soll ich-"

"Es ist schwerer als es aussieht. Aber ich sag dir, was du machen sollst. Nimm die Nähten aus dem Rucksack und diesen kleinen runden Haken. Beides vorne in dem kleinen Fach." Obwohl seine Stimme müde und schwach klang, sprach er mit fester Sicherheit mit mir, was mich dazu veranlasste, einfach auf ihn zu hören. Er wusste schon, was er tat. Mit zittrigen Händen suchte ich beide Sachen zusammen und wusch mir dann ohne Aufforderung die Hände mit bloßem Wasser aus der Wasserflasche, eine Prozedur, die ich bis jetzt aufgrund des kostbaren Wassers umgangen hatte.

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