T W E N T Y F I V E

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T W E N T Y F I V E | Ich hatte keine Nahrung geholt. Ich rannte nur, rannte um mein Leben, rannte zurück zu dem Dach, auf dem der Junge lag, rannte ohne Pause und ohne Stopp. Ich hatte mich nicht weiter umschauen können. Der Ort hatte mir eine solche Gänsehaut verpasst, einen Schauer über den Rücken laufen lassen. Ich würde nie wieder dorthin zurückgehen können. 

Der Fremde war tot und seine Kleidung dort. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, was sie mit seinem Körper getan hatten. Und dies jagte mir nur weitere Tränen in die Augen, während ich rannte.

Irgendwann kam ich an, kletterte in rasendem Tempo die Leiter nach oben und warf mich völlig aufgelöst vor dem Jungen auf den Boden. Dieser schoss bei meiner hektischen Bewegung augenblicklich nach oben und richtete seine Waffe direkt auf meinen Kopf, bis er mich erkannte, dann grunzte er genervt und ließ sich ächzend wieder zurücksinken. 

"Du könntest auch mal ruhiger sein und mich nicht so stressen, wenn du schon nicht willst, dass ich mich so viel bewege oder dass die Fäden reißen.", brummte er. 

"Geht's noch?? 'Sieh dich dort um', hast du nur gesagt.", blöd äffte ich ihn nach, "dachtest du echt, ich würde das Zeug nicht finden?? Wann hattest du vor, mir davon zu erzählen?", rief ich aufgeregt und schüttelte fest den Kopf, immer noch zutiefst getroffen, der Schock noch immer tief in den Knochen.

"Wovon redest du?", fragte er entnervt stöhnend, "hast du das Brot jetzt oder nicht?"

"Das Brot? Das Brot?? Als sei das Brot unser einziges Problem! Du- Ich fass' es nicht! Du sagtest, sie suchen uns und finden uns nicht! Du sagtest, wir müssen abhauen, damit sie uns nicht finden! Dabei waren sie gleich hier, am Fuß dieses Gebäudes, nur ein paar wenige hundert Meter von uns entfernt! Sie wissen, wo wir sind! Sie beobachten uns! Sie- Ich- In der Fabr- Mann, wo hast du mich da reingeritten, verdammte scheiße?", rief ich aufgebracht und völlig außer mir.

Ich merkte, wie er aufmerksam wurde, sich dann angestrengt aufsetzte und sich an der Hauswand hinter sich anlehnte, die ins Innere des Hauses führte. Sein Blick musterte mich genau. "Was hast du gesehen?"

"Diese Hose.. Das Shirt", sauer warf ich es ihm ins Gesicht, "die Kleidung des Jungen, den du gestern erschossen hast, verdammt! Und der Junge ist weg! Er ist weg, verstehst du?! Verschwunden! Und seine Kleidung in diesem Sack mit Kleidern, aus der du diese bescheuerte Hose hast, du b-"

Grob drückte er mir seine schmutzige Hand auf den Mund, um mich zum Schweigen zu bringen. "Halt die Klappe und schrei' nicht so. Ich denke nicht, dass sie uns 'beobachten', wie du das nennst.", erklärte er überraschend ruhig und viel sanfter als ich erwartet hätte. 

"Aber-"

Er unterbrach mich: "Lass mich ausreden. Wir haben darüber geredet, oder nicht? Sie holen dich, wenn du sterben willst, zu viel über dich preisgibst, und was ich möglicherweise nicht erwähnt hab, wenn du stirbst. Es macht keinen Sinn, dass sie uns sonst nicht holen, wenn sie doch wissen, wo wir sind. So wie jetzt sind wir, sagen wir mal wie unsichtbar für sie." Er redete leise, seine Stimme fühlte sich zum ersten Mal beruhigend an, während ich meinen aufgeregten Körper langsam herunterfuhr.

"Vielleicht spielen sie ja nur mit uns...", flüsterte ich, und für eine Millisekunde weiteten sich seine Augen, dann schüttelte er schnell den Kopf. "Nein, das-"

"Du weißt, dass ich recht haben könnte. Wenn sie jeden direkt finden, sobald er stirbt, als hätten sie einen von uns nicht schon längst gefunden.", murmelte ich. Wieder schüttelte er den Kopf. "Sag das nicht.", flüsterte er zurück, während er in den Himmel starrte. Er schwieg eine ganze Weile, bevor er wieder den Mund öffnete: "Wenn es nur ein Spiel ist, will ich nicht verlieren."

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