T W E N T Y S E V E N

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T W E N T Y S E V E N | Die Wochen vergingen, monoton und einfältig. Es hatte nicht viel gegeben, was ich hatte tun können. Stattdessen war ich alle paar Tage Brot und Wasser holen gegangen und hatte mich um den Jungen gekümmert, dem es nie ganz recht geworden war.

Inzwischen war er wieder so gut wie der Alte. Er hatte etwas abgenommen, doch verglichen zu mir war er immer noch ein Hulk, was möglicherweise daran gelegen hatte, dass er schon bald auf meine Hilfe verzichtet und sich, meiner Meinung nach viel zu früh, wieder zu bewegen begonnen hatte. Eine richtige Auszeit hatte er wohl nie gehabt, aber er schien die zu kurze Phase der Ruhe ohne weitere Komplikationen verkraftet zu haben.

Außerdem bestand er darauf, dass ich ihn mitnahm, wenn ich Brot und Wasser holen ging. Er war schrecklich gewesen, als er sich nicht hatte bewegen können, eine richtige Nervensäge war er geworden, aber umso lieber stimmte ich seinen Forderungen zu. Es war immerhin Tag, und es war relativ sicher, sodass wir nicht wirklich rennen mussten.

Gerade waren wir auf dem Rückweg zu unserem neuen Dach - der Junge hatte sich auf dem alten nicht mehr sicher genug gefühlt, weil wir zu lange dort geblieben waren - und der Junge verstaute seine Flasche wieder in seinem Rucksack, während wir mal wieder schwiegen. Er hatte wie immer das Brot im Rucksack, das er nach dem Backen direkt mit seiner Machete in Scheiben schnitt. 

So schnell, wie seine Verletzung gekommen war, so schnell war sie auch wieder vorbei gewesen und er hatte wieder das Sagen in unserer kleinen Zweiergruppe übernommen. Ich denke aber schon, dass ich behaupten konnte, dass uns dieser kleine 'Zwischenfall', wie der Junge ihn nun gerne nannte, doch etwas enger zusammengeschweißt hatte. Das hieß nicht, dass ich das jemals erwartet hätte, und würde ich eines Morgens aufwachen und er wäre verschwunden, würde es mich noch immer nicht wundern, höchstens ein wenig verletzen.

Dennoch fühlte es sich nicht so an, als würde er jetzt noch einfach so verschwinden. Wahrscheinlich war er dankbar. Er hatte mir nie vorgeworfen, dass sein 'Zwischenfall' meine Schuld gewesen war. So ungern er es auch wollte, er hatte sich sogar nie gegen meine Hilfe gewehrt, dabei hätte ich ihn als noch viel weniger verhandlungsfähig eingestuft, was seine Kontrolle betraf.

Ich musste ganz schön in Gedanken versunken gewesen sein, denn die sich verdichtende, unerträglich werdende Asche um uns hatte ich gar nicht bemerkt. Aus den Gedanken gerissen hatte mich das Zögern des Jungen, der den Mund verzog, als ich ihm einen Blick zuwarf.

Es wurde plötzlich schrecklich warm um uns herum, und das machte mich nervös. Die Temperatur an diesem Ort blieb immer gleich, sowohl tagsüber als auch nachts. Im Gegensatz zu mir aber schien der Junge eine Ahnung zu haben.

Sein Blick richtete sich Richtung Himmel, und als ich seinen Augen folgte, bildete sich ein dunkler Wirbel direkt über uns, kaum sichtbar durch die Asche, doch so dunkel, dass er sie dennoch durchdrang. Mein Blick flog direkt zu dem Jungen, und ich konnte Sorge auf seinem Gesicht erkennen.

"Komm.", meinte ich leise und lief schnell los, in der Hoffnung er würde folgen und wir würden schnell das Dach erreichen, in der Hoffnung, dass es dort sicherer war.

"Nein. Bleib stehen.", erwiderte er etwas grob, doch das hörte ich nicht mehr richtig, als ich stehen blieb und auf der Kreuzung nach links blickte.

Eine Gruppe von ungefähr Dutzend Menschen, so schien es mir zumindest, stand zusammen. Ich hörte nichts, sie unterhielten sich nicht. Ihre schwarzen Umhänge reichten bis zum Boden, ich sah sie nur von hinten, die Köpfe hatten sie mit Kapuzen bedeckt. Als hätten sie meinen Blick bemerkt, drehten sich allesamt zu mir um, in monochromer Bewegung. Ihre hässlichen Gesichter zierte ein unmenschlich breites, böses Grinsen. Ihre Augen waren getränkt von einem tiefen, bannenden Schwarz.

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