F O U R T E E N

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F O U R T E E N | Es war dunkel, während ich noch wach lag. Doch, was hieß schon dunkel. Es war Nacht, der Himmel war blutrot, die Luft dick und schwül, wie jedes Mal. Und wieder einmal konnte ich nicht schlafen. 

Doch diesmal lag es nicht an dem unbequemen Untergrund - vielleicht ein wenig, doch darum ging es nicht -, es lag auch nicht an meiner Wut oder an den unmenschlichen Gedanken über den Lebenssinn. Er war es, der mich wach hielt. Nicht aus denselben Gründen wie zuvor, doch weil ich überrascht war.

Zu sagen, dass er sich zu ändern schien, war zu viel verlangt, das würde ich gar nicht erst versuchen. Zu sagen, dass er seine Menschlichkeit wiederfand... Ich weiß nicht so recht. Doch dieser eine Satz, so nett und sanft und würdevoll gesagt, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt, ihn um etwas zu bitten. Natürlich wäre ich nie auf diesen Gedanken gekommen, das zu tun.

Doch kurz nachdem er es gesagt hatte, hatte er mir wirklich ohne meine Bitte ein paar Scheiben Brot gereicht, und ich war das erste Mal in Wochen wenigstens ansatzweise satt gewesen. 

So wenig ich auch hineininterpretieren wollte; es war eine Wandlung. Nicht mal als ich verletzt gewesen war, hatte er mir so viel Brot gegeben. Fast schon schien es mir zu nett zu sein, zu auffällig. Als würde er einen neuen Plan schmieden. Und ich war hin und her gerissen, inwiefern ich ihm diesmal glauben sollte. 

Es war Zeit für einen Wandel. Das Zeitgefühl hatte ich verloren. Keine Ahnung, wie lange ich hier schon fest saß. Einen Monat? Zwei? Länger? Ich wollte wenigstens ein wenig Gesellschaft. Und wenn es nur er war.

Sterben würde ich doch sowieso, also wieso nicht dieses Risiko eingehen? 

Kurz nach diesem Gedanken lachte ich leise. War mein Lebenswille wirklich schon so weit zurückgeschraubt? Seufzend streckte ich mich. Wie hatte er die Kraft noch immer überleben zu wollen, zu kämpfen? Ich verstand ihn nicht. Das würde ich wahrscheinlich nie.

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Dass ich eingeschlafen war, merkte ich erst, als ich umgeben von weißer Asche aufwachte. Ich merkte recht schnell, dass ich lange geschlafen haben musste, denn ich fühlte mich vergleichsweise ausgeruht zu sonst, und das, obwohl ich noch ewig lange wach gelegen hatte. 

Ich richtete mich auf, stöhnend, weil mein Rücken wehtat, wie jeden Morgen, dann sah ich mich um. Der Junge war mal wieder verschwunden, wieso wunderte es mich noch? Doch er hatte mir diesmal eine ordentliche Portion Brot hier gelassen. Anstatt mir einfach zu sagen, wo er es herbekam..

Trotzdem wollte ich mich nicht darüber beschweren. So gesehen war es eine nett gemeinte Geste mir Essen dazulassen, denn es war nicht selbstverständlich. Doch ich wollte nicht mehr ständig auf ihn angewiesen sein, was ich jedoch immer wieder sein müsste, wenn ich nicht bald eine eigene Nahrungsquelle fand. 

Seufzend stand ich auf. Ich wollte mich trotz Brot dennoch auf Nahrungssuche begeben. Ich wollte selbstständiger werden. Und je früher ich dies schaffte, desto besser. Kurzerhand packte ich also das Brot in meinen Rucksack, nachdem ich mir eine Scheibe als Frühstück genommen hatte und kletterte vom Dach, dann sah ich mich um.

Gleich dort vorne hatte mich der Junge im Haus abgefangen. Von dort aus müsste ich weitersuchen. Also machte ich mich kurzerhand auf den Weg, immer der Straße folgend, in jedes Haus sehend, obwohl ich schon längst gelernt haben müsste, dass in den normalen Häusern keine Nahrung zu finden war. 

Doch anscheinend war ich schon einige Tage die Straße entlang gelaufen. Schon bald wurden die Häuser am Straßenrand weniger und eine Fläche öffnete sich breit vor mir. Das andere Ende der Stadt. Sicher eine weitere Sackgasse. 

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