T W E N T Y F O U R

57 12 2
                                    

T W E N T Y F O U R | Ich wachte auf durch entnervtes Gebrummel neben mir und blinzelte müde meine Augen auf, nur um zu beobachten, wie der Junge versuchte, etwas von mir wegzurücken. Ich hätte darüber gelacht, dass ich ihm zu nahe war, obwohl ich ihn nicht einmal berührte, wäre ich nicht an diesem Ort und insgesamt glücklicher gewesen.

"Bleib liegen. Ich weiß nicht, wie die Nähte halten.", seufzte ich und setzte mich auf, auch wenn ich am liebsten weitergeschlafen hätte.

"Müssen sie wohl.", brummte er und verzog kurz darauf das Gesicht, als er wieder versuchte, sich im Liegen von mir weg zu bewegen. Wieder seufzte ich und schüttelte den Kopf über ihn. "Wenn du nicht sterben willst, und das willst du offensichtlich nicht, dann solltest du jetzt liegen bleiben. Und das für eine ganze Weile. Und damit meine ich keine Stunden, sondern Tage oder Wochen. Ich hoffe, das ist dir klar.", erklärte ich etwas grob.

Kurz darauf schenkte er mir einen bösen Blick, und dieser Blick zeigte ein so großes Missfallen an dieser Situation, dass ich nicht anders konnte und schmunzelte. Er wusste, dass ich recht hatte, auch wenn er das nie offen zugeben würde. "Ja, diesmal bleibst du für ein paar Wochen liegen.", grinste ich amüsiert.

"Vielleicht sollte ich mich schon mal von meinem Leben verabschieden. In beiden Fällen werde ich sterben müssen.", grummelte er leise, eher zu sich selbst als zu mir, doch ich hatte ihn gehört. Mein Grinsen verblasste und ich verschränkte etwas gekränkt die Arme vor der Brust. "Anstatt widerstandslos aufzugeben, könntest du mir auch erstmal eine Chance lassen. Ich hab viel gelernt, wahrscheinlich genug fürs Erste. Ich müsste nur wissen, wo du dein Brot herbekommst, und dann wären wir startklar." Und eigentlich war das auch alles, was ich wissen wollte. Woher bekam er die Nahrung? Das hatte ich mich schon lange gefragt.

Er verdrehte die Augen. "Vergiss es.", fauchte er und setzte sich auf. Zumindest versuchte er es, kippte aber noch bevor er oben war wieder nach hinten und presste sich stöhnend die Hand auf den Bauch.

"Hast recht. Wir können hier auch qualvoll verhungern. Auch eine schöne Todesart.", entgegnete ich ironisch und zuckte die Schultern. Ein weiterer böser Blick seinerseits traf mich, doch ich reagierte nicht sondern setzte mich bloß an den herausragenden Schornstein hinter mir, um mich daran anzulehnen. Ich hatte ihn gleich. So wenig er es auch wahrhaben wollte, wir wussten beide, dass er gehandikapt war. Es blieb ihm keine andere Wahl außer nachzugeben.

"Fein.", zischte er schließlich, "weißt du, wo die ganzen Industriegebäude stehen?"

Überrascht schüttelte ich den Kopf und er seufzte, dann zeigte er nach kurzem Umsehen in eine Richtung. "Da lang. Schau dich einfach mal um. Dir den genauen Eingang zu beschreiben, wäre zu umständlich und würde dich nur verwirren. Und wenn du so schlau bist wie du immer tust, muss ich dir auch keine weiteren Tipps geben."

Ich schnaubte bei seiner groben Aussage. "Was ist jetzt schon wieder dein Problem, huh?", fragte ich gereizt, doch er legte nur mit geschlossenen Augen seinen Kopf zurück. "Deine Selbstgefälligkeit ist extrem nervtötend. Das ist alles.", brummte er.

Augen verdrehend stand ich auf. Weil er selbst ja auch nie selbstgefällig war. Aber ich sollte wohl lieber los, anstatt mich zu beschweren, denn ohne 'Tipps' konnte das Ganze lustig werden und ein Weilchen dauern. Ich schulterte meinen Rucksack und schritt zur Leiter.

"Warte.", erklang seine Stimme hinter mir. Ich blieb stehen und drehte mich verwirrt um, um ihn zu mustern. "Was?", fragte ich. "Nimm die mit. Könnte dir das Leben retten.", entgegnete er rau und warf mir seinen Revolver zu. Ich fing ihn auf, überrascht darüber, dass er mir freiwillig seine liebste Waffe gab. 

"Sicher? Was ist mit dir?", fragte ich.

"Ich habe genügend Waffen hier, falls mich etwas angreifen sollte.", meinte er und nickte zu seinem Rucksack hinüber, "du kannst sie jetzt mehr gebrauchen als ich. Pass einfach auf."

IsolatedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt