E P I L O G U E

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E P I L O U G E | "Sie wurden also vor fünf Monaten und elf Tagen entführt, während Sie eine Mutprobe absolviert haben, und Sie waren während der ganzen Zeit allein?", fragte mich der Polizist nachhakend an unserem Esstisch im Wohnzimmer.

"Ja, Sir.", antwortete ich monoton. Meine Mutter strich mir wohlwollend über den Rücken, ich erschauderte.

"Sie hatten in dieser ganzen Zeit keinen Kontakt zu den anderen Opfern?", fragte er weiter, die Augen auf die Notizen vor ihm geheftet. Seine blauen Augen und die hellblonden Haare ließen ihn jünger aussehen, als er wahrscheinlich war.

"Nein, Sir.", entgegnete ich wieder in monotonem Tonfall.

"Miss Donovan. Können Sie mir die ganze Geschichte noch einmal erzählen, bitte?", fragte er dann seufzend und strich sich durch das kurze Haar. Keine Frage, er war jung. Anscheinend neu auf der Arbeit, er schien überfordert.

"Mr Morris, bitte. Meine Tochter hat diese Geschichte jetzt schon zwei Mal erzählt, sie möchte jetzt damit abschließen.", versuchte meine Mutter den Polizisten zu überzeugen, doch dieser schüttelte den Kopf. 

"Mrs Donovan. Ich möchte nicht unhöflich klingen, aber nach einem solchen Erlebnis wäre psychologische Hilfe zur Verarbeitung des Traumas angebracht. Und wir müssten hier anfangen. Ich möchte verstehen, wieso Sie die Jillson Villa in Brand gesetzt haben und somit einen Waldbrand ausgelöst haben, Miss Donovan. Das müssen Sie verstehen.", erklärte Mr Morris freundlich, doch die nette Geste ließ mich kühl. Trotzdem willigte ich ein, die Geschichte ein letztes Mal zu erzählen.

"Ich habe mich, wie viele vor mir, auf die Mutprobe in der Jillson Villa eingelassen, Sir. Meine Freunde müssen wohl nach einer Weile gegangen sein, ich sollte die Nacht dort verbringen. Und nachts, als ich versucht habe zu schlafen, habe ich Geräusche gehört, und....ehe ich mich versehen hab, hat mir schon jemand von hinten auf den Kopf geschlagen und ich habe das Bewusstsein verloren.", begann ich zögernd.

"Ich hab meinen Entführer nie gesehen. Er war immer ganz in schwarz angezogen, wenn er mal zu mir kam. Ich saß die ganze Zeit eingesperrt in einem Zimmer im Keller, ohne Fenster, und Essen habe ich auch selten bekommen. Ich wurde dort alleine gehalten. Und eines Tages hat er mich gepackt, mir die Augen verbunden, meine Hände gefesselt und mich in sein Auto geführt. Er ist irgendwo hingefahren. Es waren immer wieder abwechselnd feste Straßen und Waldwege, und irgendwie konnte ich schließlich nach langem Versuchen den Türgriff fassen und habe mich aus dem Auto gestürzt, da hab ich mir die Schulter verletzt.", ich machte eine kurze Pause, um auf meine verletzte Schulter zu deuten, die in der Tat eine Fraktur erlitten hatte, als ich mich gegen die Tür geworfen hatte, "und dann bin ich gerannt, mitten in den Wald rein. Zu verlieren hatte ich ja schließlich nichts, oder? Das Duct Tape habe ich an einem kahlen Ast zerreißen können. Und schlussendlich bin ich bei der Jillson Villa angekommen. Was hätte ich sonst tun sollen, Sir? Dieser Mensch...er hat diese Mutproben ausgenutzt, um Jugendliche zu entführen. Und alle anderen sind dabei nicht wieder lebend herausgekommen. Ansonsten müsste er einen sehr großen Keller haben. Und ich habe nur seine Waffe zerstört.", beendete ich schließlich meine Erzählung. Wahrscheinlich schien ich ruhiger als ich in solch einer Situation sein sollte. Doch im Endeffekt basierte alles auf einer Lüge, die ich mir im Laufe der letzten Tage hatte zurechtlegen können.

"Woher hatten Sie das Feuerzeug?", fragte er. Seine Augen folgten meinen Bewegungen aufmerksam.

"Das sagte ich Ihren Kollegen doch schon. Mein Entführer hat meinen Rucksack in der Villa gelassen. Er wusste wohl nicht, dass ich einen dabei hatte. Er lag unter dem Sofa, auf dem ich geschlafen hab. Da war auch ein Feuerzeug dabei."

"Okay, vielen Dank, Miss Donovan, und nochmals Entschuldigung für die Umstände. Wir versuchen nur die Geschichte zu verstehen und weitere Hinweise zu finden, um die Festnahme des Entführers zu ermöglichen.", er stand auf und streckte seine Hand zu mir aus, die ich nur zögernd ergriff und schüttelte.

Ich sagte nichts, stattdessen nickte ich nur, um ihm zu zeigen, dass ich seine Worte wahrgenommen hatte. Fast schon taten mir die Polizisten leid, die diese Ermittlungen führten. Einen Entführer gab es schließlich nicht.

"Und Mrs Donovan. Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Brandstiftung. Ihre Tochter ist erst 17 Jahre alt und nebenbei wird ihr psychischer Zustand beim Urteil ebenfalls berücksichtigt. Es wird sicher keine schweren Folgen für Sie und Ihre Familie haben, solange Sie einen Psychologen für Ihre Tochter aufsuchen.", erklärte er meiner Mutter noch und schüttelte auch ihre Hand, in wenig kräftiger als meine zuvor.

"Natürlich, Mr Morris. Vielen Dank.", bedankte sich schließlich auch meine Mutter und begleitete den jungen Polizisten zur Haustür, während ich starr am Küchentisch sitzen blieb und leer auf den Tisch starrte.

Es war schön gewesen, wieder hier zu sein. Doch die Stille und Ruhe und Häuslichkeit gab mir zu viel Zeit und zu viele Möglichkeiten der Reflexion über das, was geschehen war. 

Ich war fünf Monate und elf Tage verschwunden gewesen. In dieser Zeit war ich wie vom Erdboden verschluckt in einer Art Paralleluniversum gefangen. Und es war kein Traum. Ich hatte einen Jungen namens Harry getroffen, der mit mir aus diesem Haus herausgekommen war, und vorher hatten jegliche Suchaktionen keine Antworten oder Funde über meinen Aufenthaltsort aufgewiesen.

Doch Harry war weg. Während von mir alle 20 Minuten Fotografien im Fernsehen gezeigt  und mein Name im Radio genannt wurden und mein mysteriöses Verschwinden sowie plötzliches Auftauchen wieder und wieder durchgekaut werden mussten, blieb von ihm keine Spur. Und so hatte ich ihn aus meiner Erzählung gestrichen.

Doch Recherchen zeigten, dass in der Tat ein Harry Styles existiert hatte und vor einem Jahr und vier Monaten gemeinsam mit einem Matthew Corey und einem Finnley White verschwunden war, nachdem er die Jillson Villa betreten hatte, ebenso ein Fremder namens Nick Benett, 20 Jahre alt, der vor etwas weniger als zwei Monaten die Jillson Villa betreten hatte und nie wieder gesehen wurde. Was niemand außer Harry und mir wusste, er war tot, erschossen. Er würde nie wieder die Welt außerhalb sehen.

Diese Geschichte war real. Und obwohl ich nun wieder hier war, in Sicherheit und wohliger Umgebung meiner Liebsten, und obwohl ich meine Freunde wiedersah und Zeit mit ihnen verbrachte, und obwohl mir jetzt schon, nach nur einer Woche meiner Flucht, geholfen wurde, Vergangenes zu vergessen. Obwohl ich wusste, dass ich in zwei Monaten mein Leben so leben konnte wie früher, mit nur einer etwas dunkleren Vergangenheit.

Die stechend grünen Augen gingen mir nie aus dem Kopf. Und ich fühlte es.
Irgendwas in mir fehlte.


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Wow. This is officially the end. Ich kann es kaum glauben.
Ich bin noch immer verdammt stolz auf diese Story und deren Verlauf, ehrlich. Und ich bin froh und traurig zugleich, diese Geschichte nun beendet zu haben. Was soll ich groß sagen, was ich nicht noch in die Danksagung schreiben werde? Erstmal ein riesiges, fettes Dankeschön an jeden einzelnen Leser dieser Geschichte, egal ob die, die im Geheimen und Stillen gelesen haben oder die, die fleißig gevotet und kommentiert haben. Ihr ward alle bis zum Ende da, und das bedeutet mir die Welt.
Ich hoffe, dass euch die Fortsetzung genauso gefallen wird. Was ich euch mit Sicherheit sagen kann, ist, dass sie zumindest anfangs nicht GANZ so actionreich verlaufen wird wie diese Geschichte hier. Aber die Hintergründe und alles weitere über 'SIE' wird nochmals aufgegriffen werden und es wird trotzdem hoffentlich spannend. Es werden Antworten kommen, die Amalia brauchen wird, um mit ihrer Vergangenheit abschließen zu können, und blah blah blah. Bald werde ich die Danksagung posten, vielleicht schon heute, und dann kommt auch direkt der Klappentext und Prolog der Fortsetzung, die ich aber noch nicht regelmäßig updaten werde, bis ich wieder zuhause bin. Der Klappentext wird die restlichen Fragen, worüber die Fortsetzung sein wird, beantworten.
Nochmal, Dankeschön fürs Lesen.

All my love, Vicky Xx



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