Kapitel 19

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Ich kann Hannah bestätigen. Messetage vergehen verdammt rasch. Am Donnerstag, an dem ich am Anfang bei jedem Schritt merkte, was ich am Vorabend mit Patrick veranstaltet hatte, war ich tierisch aufgeregt, weil ich von Kunst rein gar nichts verstand. Aber von mir wollte auch niemand etwas von Kunst wissen, was ich bereits bei der dritten Gruppe beruhigend feststellte.

Freitag und Samstag verliefen etwas gemächlicher. Oder meine Füße hatten sich an das stramme Laufpensum gewöhnt. Patrick versüßte mir die Tage mit ein paar SMS. Ich freute mich wie ein kleines Kind auf Montag.

Während der Sonntagvormittag anstrengend war, hatte ich nun am frühen Nachmittag eine ganze Stunde Pause. Eigentlich war der erste Adventssonntag immer unser Weihnachtsmarkttag. Seit die Kinder da waren, sind wir jeden ersten Advent auf den Weihnachtsmarkt gegangen. Nun stand ich hier in den Messehallen und meine Kinder waren mit Michael, Hannah und ihren Cousinen auf dem Markt.

Oliver kam mit zwei Herren auf mich zu. Ich schicke Alina noch schnell eine SMS, dass sie mir unbedingt kandierte Weintrauben kaufen sollte. „Emily, bist du gerade frei? Kannst du die beiden Herren zu der Künstlerin bringen, die die blauen Bilder malt?" „Ja, gern doch. Bitte!" Ich weise die Richtung, in die wir gehen werden.

Die beiden Herren entpuppen sich als überaus charmantes Pärchen. Während die beiden wie ein altes Ehepaar darüber diskutieren, führe ich sie zu dem Stand der „Blauen Künstlerin". Kunst wird nie meines sein. Aber diese Künstlerin versteht es wirklich die Farbe Blau für mich in ein neues Licht zu setzen. Ich verliere meine Gedanken in ein zwei mal zwei Meter großes Bild, das nur blau ist. Alle Schattierungen der Farbe Blau, raffiniert in Szene gesetzt. Ob das Bild so wirkt, weil es so groß ist oder weil die Beleuchtung stimmt? Eine eingehende SMS holt mich zurück.

Auch Sahnenougat? Meine Tochter kennt mich wirklich gut. Ich antworte schnell.

Jaaahaaaa!

Als ich um 19 Uhr zu Hause ankomme, höre ich Hannah und meine Kinder verstummen. „Na, wie war der Weihnachtsmarkt?" Ich schaue in ernste Gesichter. „Linni, Josh, geht doch schon mal nach oben. Ich möchte mit eurer Mutter kurz alleine sprechen!" Ich lasse meine Tasche und meine Jacke einfach auf den Esszimmerstuhl fallen. Diese Situation kenne ich. Nein, bitte nicht.

„Ist was mit meinen Eltern? Mit Michael?" „Nein!", stößt Hannah energisch aus, „Ihnen geht es gut!" Sie nimmt mich in den Arm. „Setzt dich trotzdem, Emily. Das wird jetzt nicht leicht."

Ich fege meine Tasche und Jacke ungeachtet vom Stuhl und setze mich angespannt. „Hannah, bitte, mach es kurz."

„Wir haben Patrick auf dem Weihnachtsmarkt getroffen." Ich schaue Hannah an. Das kann noch nicht alles sein. „Er war nicht alleine dort." Okay, jetzt kommt die Zeitlupe. Das ist der Moment, wo der Hammer aus der Tasche geholt wird.

„Linni und Joshua haben ihn vor der Handwerkergasse gesehen. Linni wollte schon rufen und dann sah sie, dass Patrick mit einer Frau und einem Kind da war." Ich atme erleichtert auf. „Hannah, das ist seine Schwester, sie hat eine kleine Tochter." Hannah runzelt die Stirn. „Da war noch etwas, Hannah...?" „Ja, das war. Nicht. Seine. Schwester!" Hannah kramt in ihrer Handtasche und holt ihr Handy heraus. „Linni war so geistesgegenwärtig, dass sie mich aufforderte ein Foto von ihr und Josh zu machen." Sie schiebt mir ihr Handy über den Tisch. Ich ziehe mir das Handy mit meiner zittrigen rechten Hand über den Tisch.

Ich blicke auf das Foto und muss schlucken. Patrick küsste unter einem Mistelzweig eine Frau. Es war kein schneller Kuss, es war ein inniger tiefgehender Kuss. „Schau dir auch das zweite Foto an." Ich wische über den Bildschirm. Das zweite Bild zeigt ihn mit der Frau und dem Kind auf dem Arm. „Es tut mir so leid, Em." Hannah ist aufgestanden und nimmt mich erneut in den Arm.

...nur für eine NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt