Kapitel 35

316 21 0
                                    

Es ist Samstagmittag. Ich habe beschlossen, nicht aufzustehen. Aiden ist weg. Ich will mich nicht der Realität stellen. Ich drehe mich auf die andere Seite und sehe die Rose. Sie ist tiefrot und wunderschön. Seinen Brief habe ich mir unter das Kopfkissen gelegt. Wie ein kleines Mädchen. Blöd. Ja. Aber ich will es so.

Joshua klopft vorsichtig an. „Komm rein." Er bringt mir ein Tablett mit Kaffee und Frühstück. „Möchtest du?" Ich rücke weiter und biete ihm mit meiner Hand an, mit ins Bett zu kommen. Er balanciert das Tablett auf einer Hand, während er sich ins Bett setzt. Er legt das Tablett auf seinen Beinen ab.

Er reicht mir wortlos meine Tasse Kaffee. Er fängt an, mir ein Toast mit Frischkäse und Erdbeermarmelade zu schmieren. „Ich bin eine Rabenmutter. Ich stehe nicht auf, mache euch kein Frühstück und gehe nicht einkaufen."

„Quatsch. 1. Stimmt das nicht. 2. Sind wir schon groß genug. Wir können uns selber Frühstück machen. Und 3. Alina ist schon los zum Einkaufen. Du darfst dich auch einmal gehen lassen." Ich beiße vom Toast ab. Erst jetzt merke ich, wie hungrig ich bin.

Wann habe ich zuletzt gegessen? Donnerstag, bevor ich ins Fitnessstudio gegangen bin. Ich habe gestern gar nichts gegessen und es nicht bemerkt.

„Wollen wir Madison fragen?" Ich blicke erstaunt auf. „Ich möchte sie nicht da hineinziehen, Josh. Das ist Aidens Sache. Wenn er nicht will..." Ich zucke mit den Schultern und habe Tränen in den Augen. Dann ist es vorbei. Diese Worte schleichen sich immer wieder durch mein Gehirn. Wie eine Dauerschleife. Vorbei.

Aidens Handy ist tot. Ich versuche es auf dem Festnetz. Es ist mir egal, dass es mitten in der Nacht bei Aiden ist. Er nimmt ab. „Aiden?" Ich höre ihn atmen. Ich zittere. „Aiden, lass es mich bitte erklären." Er legt auf. Ich versuche es erneut. Nur noch ein Besetztzeichen.

Samstagabend bin ich so aufgelöst, dass ich Joshua um Madisons Telefonnummer bitte. Ich erkläre ich nur sehr knapp den Sachverhalt. „Kannst du ihn bitte anrufen und fragen, ob es ihm gut geht? Ich mache mir Sorgen." Madison räuspert sich.

„Ich habe eine bessere Idee. Ich bitte Mum nach ihm zu sehen. Sie fährt bei ihm vorbei. Am Besten gleich. In Ordnung?"

„Ja, das wäre mir sehr lieb." Ich wische mir die Tränen weg. „Kann ich Mum deine Telefonnummer geben? Dann kann sie dich anrufen." Ich schnäuze meine Nase. „Entschuldige bitte, Madison, ja selbstverständlich."

Ich vermisse ihn nicht nur. Ich habe Sehnsucht nach ihm. Nach ihm, nach seinen Berührungen, nach seinem Lachen, seinem amerikanischen Akzent. Ich bin nicht bereit, ihn einfach gehen zu lassen. Mein Kampfgeist kehrt zurück.

Eine halbe Stunde später klingelt das Telefon. „Hi, hier ist Kathy. Ich bin Aidens Schwester." Ich erstarre. „Hallo Kathy!" Sie räuspert sich kurz – genau wie Madison, kommt es mir in den Sinn.

„Es tut mir leid, dass wir uns so kennenlernen müssen, Emily. Ich darf doch Emily sagen, oder?" Ich nicke. „Ja sicher!"

„Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber ich würde es besser finden, wenn du deinen Hintern in den nächsten Flieger schwingst und herkommst." Mir entweicht meine Farbe aus dem Gesicht. „Was ist passiert?"

„Oh, Aiden geht es... naja..., er ist stinkbesoffen und schläft zur Zeit auf seinem Sofa im Wohnzimmer. Emily, er hatte vor, nach Hamburg zu ziehen, zu dir. Was ist passiert?"

Ich antworte ihr wahrheitsgemäß: „Nichts. Er hat nur etwas falsch interpretiert."

„Unsere Familie hatte wirklich den Eindruck, es wird alles gut mit euch. Er schwärmt von dir. Er ist verliebt. Aber wir kennen Aiden. Er ist auch stur. Eine zweite Chance erhält man selten bei ihm. Wenn es dir ernst ist, kommst du her und vielleicht hört er dir zu."

...nur für eine NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt