Kapitel 22

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Ich sitze schon seit einer halben Stunde in dem Alstercafé. Von meinem Sitzplatz kann ich die lange Uferpromenade zu den Alsterschiffen sehen. Es ist noch wenig los in der Innenstadt. Ich habe mich noch nicht entschlossen. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.

Ich habe Hannah nicht gefragt. Ich muss das irgendwie mit mir selber ausmachen. Nur wie? Ich rühre den Zucker in meinem zweiten Milchkaffee um. Ich beobachte zwei Geschäftsmänner in ihren Anzügen und dem Coffee-to-go in der Hand, einen Obdachloser, der leere Pfandflaschen sammelt und ein knutschendes Pärchen.

Es ist ein klarer kalter Wintermorgen. Die Sonne kämpft mit ein paar Wolken. Dann sehe ich ihn und seine Nichte. Sie gehen zum Fahrkartenschalter und verschwinden aus meinem Blickfeld. Es ist 9.30 Uhr. Ich habe noch Zeit mich zu entscheiden. Oder habe ich mich bereits entschieden, weil ich schon hier bin? Ich brauche nicht nach Draußen zu gehen.

Gestern habe ich geweint, weil ich ihn mit einer anderen Frau im Hotel angetroffen habe. Ich denke an unseren Abend zurück. Es zerreißt mich. Da sind sie wieder. Aiden trägt einen dunkelblauen langen Trenchcoat und Jeans. Seine Nichte eine weinrote gefütterte Kurzjacke, Jeans und einem hellen Schal und eine helle Mütze. Sie gehen an der Promenade entlang.

Aiden schaut zur Uhr. 9.38 Uhr. Er schaut über seine Schulter zurück zum Fahrkartenschalter. Sie kommen näher. Mein Gott, sieht er gut aus. Noch besser, als ich ihn in Erinnerung habe. Den 5-Tage-Bart mochte ich. Doch ohne sieht er noch besser aus. Sahneschnitte. Ich habe einen Kloß im Hals.

Wieder dreht Aiden sich um und schaut zur Uhr. 9.41 Uhr. Ich greife nach meinem Portemonnaie, lege Geld an meine Tasse und nehme meine Jacke. Ich gehe zu den Toiletten. Ich bin so aufgeregt, dass ich mich noch einmal dringend erleichtern muss.

Ich komme aus dem Café und schaue auf die Uhr. 9.47 Uhr. Ich gehe um das Gebäude und laufe die Stufen hinab. Mittlerweile steht Aiden mit seiner Nichte am Ausflugsschiff. Sie lachen. Seine Nichte boxt ihn mit der Faust an die Schulter. Mein Herz klopft. Aidens Kopf dreht sich in meine Richtung und meine Schritte werden zögerlich. Ich habe einen Schweißausbrauch der besonderen Klasse.

Seine Augen funkeln und er schenkt mir ein strahlendes Lächeln. Nur noch 10 Meter. „Guten Morgen!", begrüße ich die beiden. Aiden greift nach meinen beiden Händen und küsst die meine beiden Handrückenknochen. Warme große Hände. Eine rührende Geste- ich bin hin und weg.

„Hallo Emily, ich freu mich, das du hier bist." Er lässt meine Hände los. „Das ist Madison, meine Nichte. Sie ist die Tochter meiner großen Schwester Cathy." Ich gebe Madison die Hand. „Hi Madison! Ich möchte mich für meinen Auftritt gestern entschuldigen. Ich war etwas überrascht."

„Nachdem, was mir Onkel Aiden erzählt hat, hatten Sie auch einen guten Grund!" Ich mustere Aiden. „Du kannst mich duzen, Madison. So? Was hat er denn erzählt?" Bevor Madison antwortet, bringt Aiden sich ins Spiel. „Ich habe Madison versprochen, ihr Hamburg zu zeigen. Wir haben Fahrkarten für die Alsterrundfahrt gekauft. Kommst du mit, Emily?"

Madison hält Kopfhörer hoch. „Ich habe meinen Guide, ihr könnt reden." Ich nicke. Madison hält dem Matrosen drei Fahrkarten hin, die gescannt werden. Wir gehen an Bord und suchen uns einen schönen Platz aus. Aiden nimmt mir und Madison die Jacken ab. Außer uns sind nur noch 10 weitere Gäste an Bord. Aiden legt die Jacken hinter uns auf die Bank.

Er zieht seinen Mantel aus. Er trägt einen grauen Wollpullover. Ich möchte ihm am liebsten einen Spiegel vor die Nase halten, um ihm zu zeigen, wie unverschämt gut er aussieht. Madison rutscht in die Bank direkt an das Fenster. Ich setze mich auf die Bank gegenüber, Aiden mir gegenüber.

...nur für eine NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt