Kapitel 1: Die Ankunft

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„Georgina Eastwood.", sagte der Mann in dem gut gebügelten Anzug. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Sie war eine der 35 Erwählten. Das größte Abenteuer ihres Lebens erwartete sie. Auch wenn sie ihre vier jüngeren Geschwister und ihre Eltern vermissen würde, freute sie sich, endlich aus diesem Kaff in St. George zu kommen. Nicht mehr nur über Dinge zu phantasieren, sondern sie wirklich zu erleben. Wie sehr hoffte sie, nicht mehr nur Geschichten über die Liebe zu schreiben, sondern selbst zu erfahren, wie sie sich anfühlte, wie sie war. Doch sie wusste auch, dass man Liebe nicht erzwingen konnte. Wenn Prinz Henry der richtige für sie war, wäre es schön, aber sobald sie merken würde, dass sie ihn nicht lieben konnte, würde sie freiwillig gehen. Allerdings wusste sie ja noch nichts über ihn. Er hatte sich noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt. Kein Fernsehauftritt, keine Interviews, ja nicht einmal ein Foto gab es von ihm. Es war, als würde er gar nicht existieren. Sie wollte dieses Geheimnis unbedingt lüften. Sie wollte herausfinden, wer er war, wie er aussah. Sie war gespannt, auf den Klang seiner Stimme, auf die Worte, die er... 

„Hast du deinen Laptop mitgenommen?" Ich sehe auf. Ein Mädchen mit glatten, langen Dunkelbraunen Haaren blickt mit ihren smaragdgrünen Augen auf mich herab. Durch ihre kleine Stupsnase wirken sie gigantisch. Ich lächle freundlich. „Ich gehe nirgendwo ohne meinen Laptop hin", kläre ich sie auf, „Nicht einmal in den Palast." Ihre vollen Lippen verformen sich ebenfalls zu einem Lächeln. „Ich bin Cloe", stellt sie sich vor und reicht mir ihre Hand. Ich ergreife sie und erwidere: „Georgina. Aber Georgie reicht." Sie setzt sich mir gegenüber auf die mit Samt bezogene Couch. Die schwarze Hose und die weiße Bluse der Erwählten stehen ihr viel besser als mir. Und das Vergissmeinnicht in ihrem Haar macht dem Frühling alle Ehre. Es symbolisiert ihre Provinz, Columbia. Ich habe gar nicht bemerkt, dass wir schon in Columbia, geschweige denn gelandet sind. „Was schreibst du da?", fragt Cloe. „Ich bin auf dem Weg Autorin zu werden", erkläre ich, „und das alles hier ist so inspirierend. Ich versuche eine Kurzgeschichte darüber zu schreiben. Ich habe auch überlegt, einen Blog über die Erlebnisse zu machen. So können die Bürger mitten im Geschehen dabei sein und wissen, was gerade so vor sich geht." 

„Das ist eine super Idee", höre ich eine nahe Stimme. Ein weiteres Mädchen stieg ein und verlädt nun ihren Koffer. Sie trägt eine Rose im Haar. Oh Mist. Wir stehen ja. Ich hab so gut wie den ganzen Flug verträumt und verschrieben. Jetzt sind wir schon in Likely. „Können wir da auch mitmachen?", fragt das große, dünne Mädchen und wirft sein blond gewelltes Haar zurück. Sie sieht aus wie ein Model. Aber trotzdem wirkt sie nicht überheblich, sondern ganz nett. „Ja klar! Je mehr mitmachen, desto lustiger wird es!", meine ich begeistert. Sie setzt sich neben Cloe, die sich anscheinend den gesamten Flug über nicht getraut hatte, mich anzusprechen, weil ich so vertieft ins schreiben war. „Der Bericht der Erwählten", überlegte Cloe. „Das hat doch was!" „Find ich auch!", bestätigt das Model, „Ich bin übrigens Linda." „Freut mich. Ich bin Georgina, oder kurz Georgie, und das ist Cloe." Cloe hebt leicht unsicher zur Begrüßung ihre Hand. Anscheinend ist sie sehr schüchtern. Hoffentlich macht das dem Prinzen nichts aus. „Und? Wie glaubt ihr wird der Prinz sein?", frage ich interessiert. „Oh, ich glaube er ist ein richtiger Gentleman. Solche Prinzen sind doch immer gut erzogen, oder? Und wenn ich sehe, wie schön Königin Clarice und König Lionel sind, glaube ich auch, dass er unglaublich gut aussehen wird", schwärmt Cloe und legt ihr Kinn auf ihre Hände. „Vielleicht hat er aber auch eine riesige Nase, wie der Bruder des Königs, Richard. Oder ist einfach nur ein Idiot. Und von den guten Manieren würde ich auch nicht unbedingt ausgehen", überlegt Linda. Cloes Augen werden mit jedem Wort entsetzter. „Jetzt mach ihr doch keine Angst", weise ich sie zurecht, „Ich weiß nicht, wie er sein wird. Aber ich hoffe natürlich, dass er nett ist und gut aussieht. Selbst wenn nicht, dann kann man ja immer noch aussteigen." Die beiden sehen mich geschockt an. „Was? Das würdest du tun?", meint Cloe entsetzt. Ich zucke mit den Schultern. „Natürlich. Sie sind zwar das Königspaar, aber sie können mich ja nicht dazu zwingen, mich in den Prinzen zu verlieben oder Königin werden zu wollen. Und ich hab auch die Bediensteten gefragt. Es ist möglich." „Und was ist mit dem Geld? Das ist auch nicht gerade wenig, selbst wenn man Eltern hat, die gut verdienen", meint Linda. 

Selection- Der versteckte PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt