Kapitel 12: Im Garten

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Ich sehe auf meine Armbanduhr. Noch 3 Minuten. Ich finde es selbst ein bisschen albern, dass ich mir extra eine Uhr umgemacht habe. Ich weiß nicht, warum ich so aufgeregt bin. Es ist nur Henry. Er war bisher auch sehr nett und ganz normal. Ich hätte mir nicht extra dieses hübsche bodenlange, pfirsichfarbene Kleid mit der Schleife am Rücken anziehen müssen. Ich hätte mich für ihn nicht extra schick machen müssen. Andererseits... was spricht denn dagegen, mich für mich schick zu machen? Sonst ziehe ich mir ja auch schicke Kleider an, weil sie mir gefallen. Genau. Es liegt gar nicht an Henry. Wem mache ich etwas vor. Mir ist dieses Treffen wichtig. Wichtiger als ich es zugeben würde. Immerhin muss es einen Grund haben, weshalb Henry mich hierher eingeladen hat. Das zeigt mir, dass er genauso gerne wissen will, ob er mich lieben kann, wie ich wissen möchte, ob ich ihn lieben kann. Natürlich möchte Henry wissen, ob er mich lieben könnte. Aber das will er ja auch bei 24 anderen Mädchen wissen. Ich sollte mir also nichts darauf einbilden, dass ich schon so früh ein Date bekommen habe. Wahrscheinlich hat das gar nichts zu bedeuten. Wahrscheinlich hat er einfach ausgelost, wer als nächstes drankommt und dann zufällig mich gezogen. Und überhaupt: wer hat je gesagt, dass das hier ein Date sein soll? Er hat ja nur geschrieben, dass ich hier um 21 Uhr herkommen soll. Es könnte also auch genauso gut sein, dass er nur etwas wegen des Blogs klären will.

„Guten Abend, Georgie." Ich erschrecke mich zu Tode und fahre herum. „Oh mein Gott! Henry! Hast du mich erschreckt! Guten Abend." Er lächelt. „Du warst wohl grad in Gedanken?" „Ja", gebe ich zu. Er schmunzelt leicht. Ich frage mich, warum. Dann hält er mir seinen Arm hin und fragt: „Wollen wir ein Stückchen gehen?" Zögerlich ergreife ich ihn. Wie hakt man sich richtig bei einem Prinzen unter? Alle Erfahrung, die ich in so einem Bereich habe, habe ich aus Büchern und Filmen. Warum habe ich nicht nochmal den Knigge gelesen, bevor ich aufs Schloss gekommen bin? Ich muss unbedingt nochmal in der Bibliothek gucken, ob ich den da finde. Am Ende überlebe ich hier sonst nie. Henry öffnet die Tür, die, wie ich finde, erstaunlich klein für den Palast ist, und geht in den Garten. Die warme Sommerluft ist schwül und die exotischen Blumen stehen in voller Blüte. Das gelbliche Licht der verschnörkelten Laternen neben dem Weg verleiht ihnen etwas Magisches. „Was genau ist das hier eigentlich?",versuche ich etwas Klarheit zu bekommen, „Ist das ein Date?" Er grinst mysteriös. „Ja und nein." Ich hebe eine Augenbraue. „Wie ja und nein?" „Ja es ist ein Date, aber kein offizielles. Normalerweise muss ich jedes Date im Rahmen des Castings anmelden. Aber das habe ich nicht gemacht." „Wieso?" „Ganz einfach: weil nun niemand von diesem Treffen weiß. Ich darf hingehen, wo ich will und so lange, wie ich will, ohne Diener und ohne Wachmann. Nur wir beide." Die Art und Weise, wie er das sagte, ließ mich ein bisschen rot werden. „Ist das denn nicht gefährlich?", frotzle ich, „So ganz ohne Wachen?" „Natürlich. Unglaublich gefährlich." „Und du glaubst, du könntest mich im Notfall beschützen?" „Selbstverständlich", er sah mich von der Seite an, „Glaub mir, wenn es um dich geht, kann ich ungeahnte Kräfte entwickeln, Georgie." Jetzt weiß ich, was Fiona mit flirten meint. Aber flirtet Henry nicht genauso sehr mit den anderen Mädchen? „Robert hat mir erzählt, dass du im Diamantenflügel warst", wechselt er das Thema. „Die Castingteilnehmerinnen dürfen eigentlich nicht in meine Privatgemächer." Oh Gott. Hoffentlich nimmt er mir das nicht übel. „Ich weiß. Es tut mir leid. Es war ein Versehen. Ich hab..." „Ich weiß, ist in Ordnung", unterbricht er mich. „Es macht mir nichts aus, wirklich. Du kannst gerne auch meine Privatbibliothek nutzen. Nur geh bitte nicht alleine. Wenn du mit mir zusammen bist, ist das etwas anderes. Aber wenn du ganz alleine unterwegs bist, mache ich mir Sorgen." Da ist es wieder. „Wieso eigentlich?", will ich wissen, „Garrett, also meine Wache, meinte, es wäre wegen der Paparazzi, aber das glaube ich ihm nicht." Henry beißt sich auf die Lippe, so als würde er mit sich ringen. „Ist es wegen der Rebellen, die dich, als du ein Baby warst, angegriffen haben? Sind sie doch nicht alle gefangen?" „Oh sieh mal!", lenkt Henry ab und weicht meinem Blick aus.

Selection- Der versteckte PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt