Kapitel 9: Der Wettbewerb

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„Welche Farben meinen Sie, sollten wir benutzen?", fragt Henry. Er hat sich einen Stuhl geschnappt und sich mit mir und Fiona an einen Tisch im Damensalon gesetzt. Die anderen Mädchen werfen uns eifersüchtige Blicke zu, was ich jedoch gekonnt ignoriere. „Irgendetwas, das man gut lesen kann und das trotzdem gut aussieht", meint Fiona. Ich nicke. „Wie wäre es mit einem dunklem Türkis im Hintergrund und weißer Schrift darauf?", schlage ich vor. Fiona macht sich daran, ein Programmierprogramm auf meinem Laptop herunterzuladen und klickt, nachdem es sich geöffnet hat, auf einen hübschen Türkis-Ton an der Seite. „Welche Schriftart?", will sie wissen. Henry zeigt auf eine mit Schnörkeln verzierte, aber trotzdem gut lesbare Schriftart, mit welcher Fiona anschließend „Der Blog der Erwählten" schreibt und sie weiß färbt. Ich lächle zufrieden. „Also mir gefällt es", sage ich. Henry nickt ebenfalls zufrieden. „Dann sind wir uns ja einig", meint Fiona. „Wie finden die Bürger eigentlich heraus, dass es den Blog gibt?" „Sobald ich die Vorstellungs-Videos ausgewertet habe, werde ich sie von Ihnen hochstellen lassen und anschließend eine Art „Werbe-Sendung" vorm Bericht machen. Aber keine Sorge: das werde ich alleine regeln. Da müssen Sie sich keinen Kopf machen." Ehrlich gesagt beruhigt mich das ein bisschen. Der letzte Bericht verlief zwar erstaunlich gut, aber wer weiß, wie der nächste wird. Nach circa einer Stunde ist die Internet-Seite fantastisch. Fiona weiß definitiv, was sie tut. „Das sieht wirklich gut aus", stellt auch Henry fest und steht auf. Er richtet seine Manschettenknöpfe und sagt: „Es tut mir wirklich leid, meine Damen, aber ich denke, ich muss mich nun wieder meinen anderen Pflichten widmen. Meinen Sie, Sie werden auch ohne mich auskommen?" Ich ziehe scharf die Luft ein und meine sarkastisch: „Nein, dann können wir, befürchte ich, nicht mehr weiter machen. Ohne Euch werden wir gar nichts zustande bekommen." Henry lacht: „Ach was. Ich habe vollstes Vertrauen in Sie", er zwinkert uns zu. Fiona erhebt sich und knickst: „Vielen Dank für Eure Zeit und Hilfe, Eure Hoheit. Wir werden Sie nicht enttäuschen." Jetzt trägt sie aber ein bisschen dick auf. Henry lächelt charmant wie immer, deutet eine Verbeugung an und wendet sich den anderen Mädchen zu: „Einen schönen Tag noch meine Damen." Dann verlässt er den Raum. 

Viele der Mädchen schmachten ihm noch einige Sekunden hinterher. Ich hingegen wende mich sofort wieder dem Computer zu. „Also", meine ich zu Fiona, „Ich würde sagen, wir brauchen noch ein Feld für Kommentare, was meinst du?" Fiona starrt mich an und schüttelt langsam den Kopf. „Ich wünschte, ich könnte das so leicht wie du." Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Was?" Ihre Augen werden groß und sie zeigt auf die Tür. „Mit ihm flirten selbstverständlich!" Ich lache auf: „Ich flirte doch nicht mit Prinz Henry! Ich bin ihm gegenüber einfach nur genauso freundlich und sarkastisch, wie zu jedem anderen auch." „Genau das meine ich!", sagt sie und zeigt mit dem Finger auf mich, „Du gehst so locker mit ihm um. Als wäre er ein ganz normaler Mann, wie jeder andere auch!" Ich zucke mit den Schultern. „Ist er doch auch." „Nein, ist er eben nicht. Er ist der Kronprinz. Der zukünftige Herrscher Illeás. Wenn du ihn verärgerst, könnte er dir sonst was antun lassen." „Wirst du da nicht ein bisschen melodramatisch?", frage ich sie ernst. „Vielleicht.", gibt sie zu. „Aber willst du denn nicht trotzdem versuchen, einen möglichst guten Eindruck bei ihm zu hinterlassen?" Ich denke kurz nach und antworte dann: „Ich versuche einen ehrlichen Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Ich will ihm nichts vormachen. Er soll sehen, wer ich bin und dazu zählen nicht nur meine guten, sondern auch meine schlechten Seiten. Es bringt nichts, so zu tun, als wäre man jemand anderes, sich zu verstellen. Ich stehe zu den Dingen, die ich sage. Denn ich meine sie auch so. Ich schäme mich nicht für die, die ich bin. Und wenn ich weggeschickt werden sollte, ist das in Ordnung. Dann kann ich mir nämlich ganz sicher sein, dass ich nicht zu ihm passte. Und nicht das Bild, welches er von mir hatte. Henry macht dieses Casting ja immerhin, um herauszufinden, welche von uns er lieben kann. Und wie sollte er das herausfinden, wenn er uns gar nicht richtig kennt? Deshalb erleichtere ich ihm die Arbeit, indem ich auch bei ihm einfach ich selbst bin." Oh, das ist richtig gut und richtig wahr. Das muss ich mir irgendwo aufschreiben für meine Kurzgeschichte. Fiona guckt nachdenklich. „Ich wünschte, ich könnte das so sehen wie du", gesteht sie, „Das würde mir das ganze Casting erheblich erleichtern. Aber weißt du: ich denke mir, wenn man schon die Chance hat, einen Prinzen kennen zu lernen und ihn nicht heiraten wird, dann sollte man zumindest versuchen, bei ihm in bester Erinnerung zu bleiben." Ich kann ihren Standpunkt gut nachvollziehen. Auch, wenn ich nicht vorhabe, mich so zu verhalten, wie sie es tut. Fiona seufzt: „Also, du wolltest ein Feld für Kommentare haben?" Daraufhin beginnen wir wieder zu arbeiten.

Selection- Der versteckte PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt