Kapitel 19: Der Ball

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Ich bin zurück! Tut mir leid für die lange Wartezeit. Dafür ist dieses Kapitel aber auch extrem umfangreich. Ich hab (wortwörtlich) ewig gebraucht, um es zu schreiben. Hoffentlich hat sich das warten für euch gelohnt ;-)

- Liebe Grüße Eure Fillili

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Tausende von Farben wirbeln durch den Raum wie fallende Herbst Blätter. Das Motto „Der Mensch als Kunstwerk" wurde wirklich ernst genommen. Man kommt sich vor wie in einer Galerie. Die Kleider sind allesamt atemberaubend. Die Näh-Fähigkeiten der Zofen sind wirklich beeindruckend. Der ganze Saal sieht fantastisch aus: Komplett in Weiß mit Dekorationen, die an ausgeschüttete Farbe erinnern. Ich hatte gedacht, ich würde mich so aufgetakelt unwohl und fehl am Platz fühlen, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Vielleicht liegt das auch mit an der Maske? Ich meine: es wissen eh alle, wer wer ist. Nur die wenigsten können mit einer Halb-Maske nicht erkannt werden. Und ich steche mit meinen kurzen roten Haaren sowieso immer aus der Menge heraus. Aber trotzdem vermittelt diese Maske ein unbegründetes Gefühl der Anonymität, das wirklich gut tut. „Und? Nervös? Immerhin ist es dein erster Ball?", spricht mich Garrett von der Seite an. Wie alle Männer trägt er einen komplett weißen Anzug mit dazugehöriger weißer Maske. Damit sollen sie unbemalte Leinwände darstellen und nicht zu sehr von dem Wettbewerb der Erwählten ablenken. Auch alle anderen Frauen sind komplett weiß gekleidet. „Es ist auch dein erster Ball, oder?", will ich wissen. „Da müsstest du mir doch am besten sagen können, wie sich das anfühlt." Ich bin schon sehr aufgeregt, aber nicht so schlimm, wie ich es erwartet hätte. Es ist eher eine freudige Aufregung. „Ja, aber bei mir ist das etwas anderes. Mich kennt hier so gut wie keiner außer den anderen Wachen. Die Leute, die mich im Fernsehen sehen, haben keine Ahnung, wer ich bin. Und mit so einer unterm Anzug versteckten Notfall-Pistole fühlt man sich sehr sicher." Er zwinkert mir zu. „Ich finde gut, dass wir nicht bedrohlich an den Seiten stehen müssen, sondern richtig am Ball teilnehmen dürfen. Dadurch ist die ganze Stimmung nicht so angespannt. Und außerdem: wer kann schon von sich sagen, dass er auf einem königlichen Ball war? Ich weiß schon, warum ich mich als Wache für die Erwählten eingeschrieben habe." „Ich auch", meint Atreju, welcher rechts von mir steht, „Und Georgie: ich bin traurig, wenn du mir heute nicht mindestens einen Tanz schenkst." Ich lache: „Selbstverständlich tanze ich mit dir! Nichts lieber als das! Aber ich muss dich warnen: ich bin eine miserable Tänzerin." „Das hört man sehr ungern." Diese Stimme würde ich überall wieder erkennen. Henry. Ich bin so froh, dass es ihm wieder gut geht, dass ich mich kurz bemühen muss, ihm nicht vor lauter Freude um den Hals zu fallen. Ich bin kein Experte, was Etikette angeht, aber ich würde mal vermuten, dass sich das nicht gehört. Ich wusste gar nicht, wie sehr ich in den letzten Tagen sein typisches leicht schelmisches Lächeln vermisst hatte. Er hat wieder Farbe im Gesicht. Und eine überaus schicke Krawatte, die im Gegensatz zu allen anderen im Raum nicht weiß, sondern von gelb nach rot und anschließend in blau übergehend ist. Bei genauerem hinsehen erkennt man, dass dieser Farbverlauf pointilliert gemalt wurde. Und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit per Hand. „Ich hatte nämlich ebenfalls gehofft, heute mindestens einmal mit dir tanzen zu können", fährt Henry fort. „Allerdings bin ich mir, nachdem ich das jetzt gehört habe, nicht mehr ganz sicher, ob ich das wirklich noch will." Ich grinse. „Wie? Du hast keine Stahlkappen-Schuhe angezogen?" „Ich hatte gehofft, die zwei Tanzstunden, die wir für euch organisiert haben, hätten gereicht." Trostlos schüttle ich den Kopf. „Nicht bei einem so hoffnungslosem Fall wie mir. Tut mir leid. Es ist schön dich wiederzusehen, Henry. Ich habe mir Sorgen gemacht." Henry lächelt und sein Fokus liegt plötzlich auf etwas oder jemandem hinter mir. „Ach, es besteht absolut kein Grund für Sie zur Sorge. Ihr Outfit sieht absolut perfekt aus, Lady Georgie. Finden Sie nicht auch, Nicola?" Ich drehe mich um. Vor mir steht eine Reporterin in einem schicken, weißen Kostüm mit einem Kameramann. Sie sind nicht vom Fernsehen, sondern von der Zeitung. Das erkenne ich sofort, da der Mann keine Filmkamera, sondern eine zum Fotografieren in der Hand hält und die Frau auch kein Mikrofon besitzt. Augenblicklich versteife ich mich ein wenig. „Absolut atemberaubend", stimmt Nicola Henry zu und ich erröte leicht. „Wirklich alle Achtung, Lady Georgie. Sie sind wirklich ein lebendes Kunstwerk." „Das sind wir alle hier", meine ich. „Haben Sie Lady Rose gesehen? Ihr Kleid ist von Klimts ‚Kuss' inspiriert. Es ist ein Traum in Gold." Atreju und Garrett entschuldigen sich. Sie wollen sich eine Erfrischung holen. Ich kann verstehen, dass sie gehen und nicht bei einer Reporterin stehen wollen. Trotzdem fühle ich mich irgendwie allein gelassen. Henry tritt neben mich und lächelt mir beruhigend zu. Der hat leicht zu lächeln. Schließlich hatte er ja viel mehr Zeit als ich, um... Nein. Hatte er ja gar nicht. Plötzlich fällt mir auf, dass er ja rein theoretisch fast genauso wenig Erfahrung mit der Presse haben muss wie ich. Sicherlich wurde er besser auf den Umgang mit ihr vorbereitet. Aber es wäre trotzdem gut möglich, dass viel von seiner ruhigen Fassade nur gespielt ist und er eigentlich auch nervös ist. Bei unserem ersten Auftritt beim Bericht war er es ja auch. Also lächle ich ihm ebenfalls aufmunternd zu. Keiner von uns muss diesen Abend alleine durchstehen. „Sagen Sie", fragt die Reporterin mich, „Hat es sehr lange gedauert, dieses Kleid zu entwerfen? Überhaupt erst ein Kunstwerk, an dem man sich orientieren will, auszuwählen, stelle ich mir unglaublich kompliziert vor." Ich sehe auf mein Kleid hinab. „Ach, wissen Sie", antworte ich aus dem Bauch heraus ehrlich, so wie eigentlich immer, „der Prozess des Kleid-Designens, mit allem was dazugehört, war an sich gar nicht so schwer. Ich habe nur eine gewisse Zeit dafür gebraucht, mich überhaupt zum Bild raussuchen durchzuringen. Es ging mir nicht so gut und ich brauchte ein wenig Zeit, um die Geschehnisse, zum Beispiel..." Eigentlich kommt mir sofort der Angriff in den Sinn. Aber von dem kann ich unmöglich erzählen. Also sage ich stattdessen: „Die neue Umgebung, die ganzen neuen Eindrücke und vor allem die weite Entfernung zu meiner Familie, zu verarbeiten. Aber als ich das endlich überwunden hatte und Kandinskys Bild sah, war mir eigentlich sofort klar, was ich machen will." „Oh", meint die Reporterin verblüfft. „Aber jetzt geht es Ihnen besser?" Oh Gott. Man soll auf keinen Fall denken, ich wäre hier am Boden zerstört. „Oh Gott, ja! Keine Sorge. Ich habe mich dank der vielen netten Menschen hier sehr gut eingelebt." Ich dachte genauer darüber nach und wurde leicht traurig. „Nur meine Familie vermisse ich immer noch sehr. Ich glaube, das werde ich auch immer tun, solange sie nicht bei mir ist."

Selection- Der versteckte PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt