Kapitel 11

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Die letzten drei Tage hatte ich die Schule geschwänzt. Ich sah mich absolut nicht in der Verfassung mich auf irgendetwas zu konzentrieren. Die ganze Zeit beschäftigte mich Trevor und seine ach so tolle neue Schlampe, die die Frechheit besass halbnackt in meinem Haus herumzulaufen, als ob sie die Grösste wäre und ihr alles gehört. Meine Combox war vollgemüllt mit Nachrichten von Trevor, aber ganz ehrlich: Er ging mir gerade sowas von am Arsch vorbei!

Tristans Eltern hatten mich wirklich mehr als nett aufgenommen. Sie waren schwer in Ordnung, auch wenn mir Tristen immer die Ohren vollheulte weil sie ihm Grenzen setzten. Aber mal ganz ehrlich: Tristan brauchte Grenzen. Er hatte eine grosse Klappe und legte sich mit jedem an. Kurz gesagt: er war wie ich. Wahrscheinlich verstanden wir uns darum so gut. Es war erstaunlich wie gut wir uns verstanden, denn ein Blick des Anderen reichte um zu wissen was er sagen wollte. Und das war mal mehr als praktisch.

Am Mittwoch, dem Tag nach dem Streit mit Trevor, hatte Marvin mich entführt. Wortwörtlich! Weil ich mir die Augen nicht verbinden lassen wollte, musste Tristan ihm helfen und hielt meine Hände hinter meinem Rücken fest. Als dann Marvin die Augenbinde angebracht hatte, wehrte ich mich und wollte nicht mit ihm mit. Nun ja, das ging Marvin so ziemlich auf die Eier und kurz darauf waren meine Hände hinter meinem Rücken mit einem Tuch verbunden. Ja, ziemlich übertrieben oder? Wie auch immer, die ganze Mühe hatte sich aber gelohnt. Marvin fuhr mit mir in einen Zoo und als er mir die Augenbinde abgenommen hatte, freute ich mich wie ein kleines Kind. Ich hatte ihm nämlich erzählt das ich noch nie in einem Zoo war und unbedingt einmal einen sehen wollte. Den ganzen Tag verbrachten wir so, wobei ich wie ein Kind hin und her rannte und Marvin mich fast wieder gefesselt hätte, wären keine kleinen Kinder in der Nähe gewesen. Den Tag würde ich auf jeden Fall niemals vergessen.

Nun war es Freitag und ich stand in einer Kabine und wärmte mich auf. Ja, richtig gehört. Ich wärmte mich für meinen ersten Kampf auf. Der Vollidiot von Mr. Ward, alias Manager, hatte sich im Datum geirrt. Der Kampf war nicht nächsten Freitag sondern heute. Und der werte Herr hatte mir das erst am Nachmittag gesagt. "Vergiss nicht Luna, konzentriere dich auf deine Abwehr. Blende das Publikum aus!" sagte Mr. Lance zum gefühlten hundertsten Mal. Ich nickte bloss als Antwort und schlug weiter auf den Boxsack ein.

Ich hatte Marvin und Tristan nur eine Nachricht geschrieben das der Kampf vorverlegt wurde. Auf eine Antwort wartete ich aber vergebens. "Komm Luna, es geht los!" ich folgte Mr. Lance aus dem Raum. Wir gingen den langen Gang entlang und man hörte die Rufe der Zuschauer immer besser, bis ich sie sah. Ich atmete tief durch, setzte mein Pokerface auf und trat hinaus als mein Name aufgerufen wurde. Ganz auf mich, den Ring und meiner Gegnerin konzentriert, blendete ich die Kameras und die Zuschauer aus und lief zum Ring. Die Treppe ignorierte ich und sprang mit einem Satz auf den Rand des Rings und betrat ihn. Tja, Coolness musste auch mal sein. Ich stellte mich in die Ringecke und kreiste mit den Schultern, während ich meine Gegnerin mit den Augen fixierte. Sie sah schwach aus, aber ich wusste aus eigener Erfahrung das ich das nicht unterschätzen sollte. Ich hob meine Fäuste die ausnahmsweise in Boxhandschuhen versteckt waren. Die Ringglocke erklang und der Kampf konnte beginnen.


Ich betrat mit Mr. Lance wieder meinen Raum und lehnte mich grinsend an die Wand. "Das war super Luna. Morgen werden alle über dich reden!" sagte er lächelnd und klopfte auf meine Schulter. Ja ich hatte gewonnen. Der Kampf zog sich über fünf Runden, mehr brauchte es auch nicht. Denn in der fünften Runde ging meine Gegnerin k.o. und somit hatte ich gewonnen. Ich hatte meinen ersten Kampf als Profi gewonnen, besser konnte es doch nicht werden. "Geh erst mal duschen und zieh dich um. Ich warte am Hinterausgang." ich sah Mr. Lance noch kurz zu wie er verschwand und zog mich dann aus um zu duschen.

Die Dusche war mehr als erfrischend und so ging ich in Jeans und einem simplen Shirt nach draussen. Meine Tasche hing über meine Schultern. "Ich fahre dich nach Hause, komm." wieder tat ich wie geheissen und stieg in seinen Wagen. Die Fahrt dauerte zwei Stunden und es war bereits 02.00 Uhr morgens als wir vor Tristans Haus ankamen. "Vielen Danke Mr. Lance, wir sehen uns dann am Montag." sagte ich lächelnd, stieg mit meiner Tasche aus und ging zur Haustür. Von Tristans Mum hatte ich sogar einen Schlüssel bekommen und musste somit niemanden Wecken um rein zu gehen. Aber so leise wie ich war, hätte ich es mir auch sparen können.

Denn kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen sah ich das im Wohnzimmer noch das Licht brannte. Ich wollte gerade die Treppe hoch schleichen, als Tristan aus dem Wohnzimmer auf mich zu gerannt kam. Ehe ich überhaupt reagieren konnte zog er mich in eine Umarmung und wirbelte einmal mit mir im Kreis. "Du warst fantastisch Casey!" sagte er worauf ich nur lachen konnte. Langsam liess er mich wieder los und zog mich mit in das Wohnzimmer. Meine Augen weiteten sich als ich Marvin sah und rannte zu ihm. "Du hast es auch gesehen?" rief ich und sprang in seine Arme. "Natürlich, was denkst du denn Prinzessin?"

"Du warst der Hammer Kleine. Morgen werden alle über dich reden. Ich wette du kommst in die Sportzeitung. Ich sehe es schon vor mir: Newcomerin Luna gewinnt ihren ersten Kampf!" grinsend löste ich mich von Marvin und sah Tristan an. "Wir wollen es ja nicht übertreiben." Marvin drückte mich wieder an sich. "Wir feiern das jetzt, Tristan, hol den Alkohol. Weisst du Cas, seine Eltern sind nicht zu Hause." sagte er und zwinkerte mir zu. "Na dann! Lass uns trinken!" Hätte ich gewusst was mir noch bevorstand, hätte ich meine Finger von dem Alkohol gelassen.


Es war bereits 04.00 Uhr und wir drei hatten schon einiges intus. Wir wollten gerade hoch um zu schlafen, als es an der Tür klingelte. Verwirrt setzte ich mich neben Marvin auf die Treppe während Tristan die Tür öffnete. "Wo ist sie?" knurrte eine mir bekannte Stimme. "Das geht dich einen Scheiss an, wer auch immer du bist und jetzt hau ab!" er wollte die Tür schliessen, aber dadurch das er selber schon Blau war, hatte Trevor kein Problem die Tür aufzudrücken. Er drückte sich an Tristan vorbei und blickte sich kurz um, bis sein Blick auf mir hängen blieb. "Was fällt dir eigentlich ein?" schrie er und wie immer machte es mich wütend wenn er so mit mir redete. Mühsam stand ich auf und auch Marvin neben mir stand auf. "Hau ab Trevor! Ich möchte dich nicht sehen!" knurrte ich und machte schwerfällig einen Schritt nach unten. "Sag mal hast du getrunken?"

"Ja und wenn schon, ich bin alt genug und ich hatte etwas zu feiern!" sagte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. "Oh ja das habe ich gesehen! Mia hat es zufällig im Fernsehen gesehen. Sag mal bist du jetzt völlig bescheuert? Du gehörst in die Schule und nicht in einen Boxring verdammt! Und wann hattest du überhaupt vor mir das zu sagen hm?" ich konnte es nicht fassen. Jetzt hatte er auch noch die Frechheit mir Vorwürfe zu machen! "Das sagt gerade der Richtige! Wer hat mir nicht gesagt wer seine verfluchte neue Schlampe ist? Und mir machst du Vorwürfe das ich dir nichts gesagt habe? Verpiss dich einfach von hier du Vollspast!"

Plötzlich ging alles ganz schnell. Trevor hob seine Hand und verpasste mir wieder eine Ohrfeige. Im gleichen Moment stürzte Marvin nach vorne und warf Trevor auf den Boden und schlug seine Faust in sein Gesicht. Der Alkohol schien wie weggeblasen, bei uns allen. Trotzdem konnte ich nur zusehen wie Marvin Trevor an seinem Kragen packte und ihn durch die offene Haustür warf. "Lass die Finger von ihr! Sollte ich noch einmal sehen das du Hand an ihr anlegst bringe ich dich höchstpersönlich ins Krankenhaus!" brüllte Marvin und knallte die Tür zu. Sofort drehte er sich um und kam zu mir und Tristan, der mich stützend an den Armen hielt. Ohne etwas zu sagen umarmte Marvin mich und trug mich im nächsten Moment die Treppe hoch, wo er mich auf das Bett legte und er sich neben mich legte.

Vorsichtig strich er mit einem Finger über meine rote Wange. "Er wird dich nicht nochmals anfassen Cas, dafür werde ich sorgen." ich lächelte schwach und sah in seine Augen. "Danke das du mir geholfen hast Bean." flüsterte ich und küsste ihn flüchtig auf die Lippen. Meine Augen weiteten sich als ich merkte was ich getan hatte. Wieso hatte ich das gemacht? Marvin schien weniger überrascht als ich, denn er sah mich weiterhin an und zog mich an meinen Nacken zu sich. Bevor ich aber weiter nachdenken konnte lagen seine Lippen auf meine. Ein Schauer durchfuhr meinen Körper und dieser Kuss gefiel mir besser als er eigentlich sollte.

Nach einer gefühlten zu schnellen Ewigkeit löste er sich von mir und zog mich an sich. "Du solltest schlafen. Wir reden morgen darüber Prinzessin." nickend schloss ich meine Augen und legte einen Arm um ihn. Ich hatte keine Ahnung was der Kuss zu bedeuten hatte und das würde morgen definitiv ein langes Gespräch geben.

Das Trevor mich wieder geschlagen hatte konnte ich immer noch nicht fassen, aber so wütend wie er gekommen war musste sowas schon fast passieren. Trotzdem war es keine Entschuldigung und ich würde ihm jetzt ganz sicher nicht verzeihen. Ich musste wohl oder übel auch mit Tristan reden.

Aber damit, dass alles noch viel schlimmer kommen würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechnen.

Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt