Kapitel 17

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Die Polizisten waren mittlerweile verschwunden und ich sass im Wohnzimmer auf der Couch. Links und rechts neben mir Tristan und Marvin, vor mir stand Rose. Sie beendete gerade ihre Standpauke von wegen 'einfach abhauen ohne etwas zu sagen und das um diese Zeit' und ging dann. Sie war aber alles in Allem nicht annähernd so wütend wie die Zwei neben mir. Das ich mir immer noch den Arsch abfror schien allen egal zu sein. Nicht mal das ich zitterte interessierte sie. Nice to know!

 Kaum war Rose nicht mehr im Zimmer fing es auch schon an. "Sag mal spinnst du?" fing Marvin an. "Nicht schlimm genug das du abhaust, nein, du sagst uns nicht einmal wo du hingehst und kommst dann um 03.00 Uhr morgens in aller Seelenruhe zurück!" machte Tristan weiter. Jetzt waren sie also auf einmal beste Freunde. Ja, stimmt, das waren sie ja sowieso schon. Innerlich gab ich mir gerade ein Facepalm wegen meiner Dummheit. "Du hättest wenigstens dein verdammtes Handy mitnehmen können." sagte Marvin nun und wurde deutlich lauter. Langsam verlor ich meine Geduld wenn sie so mit mir weiter redeten. "Dir hätte weiss ich nicht was passieren können mit deiner Verletzung. Du machst nie wieder so einen Alleingang, verstanden?" schrie nun auch Tristan. Dieser letzte Satz brachte das Fass zum überlaufen. "Haltet eure Fresse verdammt!" schrie ich, nahm meine Krücken und stand auf. Ich drehte mich zu ihnen um und sah sie wütend an. "Ich mache das was ich will und wann ich es will und ihr habt mir überhaupt nichts zu sagen! Ich bin bloss ein verdammter Krüppel und nicht ein kleines Kind, welches nicht auf sich aufpassen kann!" wütend drehte ich mich um und liess zwei perplexe Idioten im Wohnzimmer sitzen.

Mal ganz ehrlich: Klar ich hätte ihnen sagen können wohin ich ging, aber sie hätten mich sowieso nur davon abgehalten. Nur weil ich einen klitzekleinen Fehler machte, mussten sie 1. nicht gleich die Polizei rufen und 2. mich nicht anschreien. Ich hasste es wenn man das machte und bei mir ging sowas sowieso nie gut aus. Ich wiederhole mich sehr gerne: Ich war ein Krüppel und kein Kind!

Irgendwie schaffte ich es die Treppe humpeln hoch zu kommen ohne irgendwelche Zwischenfälle. Kaum kam ich oben an, hörte ich schon die Rufe von Marvin und Tristan, jedoch ignorierte ich sie und knallte meine Tür lautstark zu und schloss sie ab. Nach gefühlten zehn Jahren hatte ich dann auch endlich meine Schlafsachen an und legte mich erschöpft ins Bett. Im Gegensatz zu den Jungs musste ich nicht ausschlafen und hatte daher mehr als 4 Stunden Schlaf vor mir. Das war der einzige Vorteil an meinem Krüppeldasein, ich konnte so lange schlafen wie ich wollte. Auch wenn es nur noch eine Woche war und ich dann wieder in die Schule machte. Wie ich mich doch freute - nicht!

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Verschlafen öffnete ich meine Augen und warf einen Blick auf meine Uhr. 13.00 Uhr, also langsam aber sicher Zeit zum aufstehen und ich musste dringend duschen. Langsam setzte ich mich auf und sah an mein Bein runter. Seit ich im Krankenhaus war, vermied ich den Blick auf mein Knie. Ich konnte und wollte einfach nicht wissen wie es aussah. Im Krankenhaus hatten die Pfleger mir immer geholfen als ich duschen mussten und die letzten Male zeigten sie mir auch wie ich die Schiene anziehen musste. Ausziehen war ja das kleinste Problem, nur das anziehen stellte immer ein Problem für mich da. Es war nicht zwingend die Schiene die ich anziehen musste, nein, es war der Verband den ich um mein Knie binden musste nachdem ich geduscht hatte. Ich war so stur, das die Pfleger mir widerwillig den Verband umbanden und ich dann schliesslich die Schiene selber anzog. Die Kommentare, dass ich es irgendwann sowieso ansehen musste, ignorierte ich dabei immer.

Langsam öffnete ich jeden Klettverschluss der Schiene, zog sie aus und legte sie schliesslich auf das Bett. Eine Weile sah ich den weissen Verband an der um mein Knie gewickelt war. Ich legte meine Hand auf den Verschluss und schloss meine Augen. Ich wollte das nicht sehen und würde es auch nie sehen! Mit geschlossenen Augen entfernte ich langsam den Verband und griff dann blind nach meinen Stöcken. Mein Knie zu bewegen getraute ich mich nicht, vor allem nicht, weil ich immer noch Schmerzen hatte und das sowieso erst nach 6 Wochen machen durfte. Stöhnend hob ich mich hoch und ging zu meinem Kleiderschrank, wo ich mir frische Unterwäsche, kurze Jogginghose und Shirt mit einer Hand nahm, während ich mich mit der anderen Hand auf den Krücken abstützte um mein gesundes Bein etwas zu entlasten. Ich legte meine Klamotten einfach um meinen Hals und lief dann mit den Krücken aus meinem Zimmer. Da ich um diese Zeit sowieso alleine war, war es egal wie ich rumlief.

Nach endlos langen Minuten legte ich meine Kleider auf das Waschbecken, zog mich mühsam aus und stellte mich, nachdem ich die Krücken in die Ecke gestellt hatte, unter die Dusche. Nach einer viertel Stunde stieg ich aus der Dusche und zog mich ohne meine Krücken an. Hätte ich sie doch als Stütze benutzt. Denn als ich mich endlich angezogen hatte, drehte ich mich hüpfend zum Spiegel um. Jedoch rutschte ich auf dem nassen Boden aus und flog geradewegs auf mein verletztes Bein. Kaum küsste ich den Boden, durchzog der Schmerz mein Knie und ich schrie auf. Ich lag auf der Seite und umklammerte mit meinen Händen mein Knie. Nach ein paar Minuten in denen ich mich nicht bewegt hatte, wagte ich dann doch einen Blick nach unten. Sofort schossen mir die Tränen in die Augen. Nicht nur das ich von der Operation eine riesige Narbe hatte, nein, durch den Aufprall auf dem Boden war mein Knie um das doppelte angeschwollen und färbte sich langsam blau. Wie dumm musste man auch sein um die Krücken links liegen zu lassen. Das war doch wieder einmal typisch Casey und ich konnte nicht einmal jemandem bescheid sagen, weil ich ja wieder einmal mein Handy nicht dabei hatte. Niemand sagt mir noch einmal das ich Handysüchtig bin!

Ich lag schon eine Stunde weinend auf dem Badezimmerboden, bis ich die Haustür hörte und ein Stimmengewirr. "Tristan!" schrie ich und schloss meine Augen. Augenblicklich verstummten die Stimmen. "Cas?" das war Marvin, aber was machte er hier? "Marvin!" schrie ich nun und hörte gleich darauf Schritte auf der Treppe die dem Badezimmer näher kamen. Ich vernahm ein Rütteln an der Tür, aber ich Hirn hatte natürlich abgeschlossen. "Cas mach die Tür auf!" hörte ich Marvin auf der anderen Seite. Als ich nicht Antwortete knallte etwas gegen die Tür und ich hörte Hold splittern, doch sie öffnete sich nicht. Beim dritten Knall öffnete sie sich schliesslich und Marvin stürmte rein. "Scheisse Cas! Was ist passiert?" fragte er und kniete sich hinter mich. "Ich...ich bin ausgerutscht und...und dann..." schniefte ich und nahm vorsichtig meine Hände von meinem Knie. "Marv, was ist-" ich hob meinen Blick und sah zu Tristan der in der Tür stand, hinter ihm Jack und Bradley. "Ich bringe sie ins Krankenhaus. Hilf mir mal Tristan!" ohne zu zögern kam er in das Badezimmer. Marvin drehte mich vorsichtig auf den Rücken und setzte mich langsam auf. Ich unterdrückte dabei ein Stöhnen und legte einen Arm um Marvins Schulter und die Andere um Tristan. So halfen sie mir hoch, wobei sie darauf achteten das sich mein Knie weder bewegte, noch auf dem Boden ankam. Zusammen gingen wir dann so raus zum Wagen, wobei ich eher an den Armen getragen wurde als das ich lief.

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Wortlos betraten wir Tristans Haus. Wobei ich ja nicht erwähnen musste das Marvin wütend war, ich am Boden zerstört und Tristan ausnahmsweise die Ruhe in Person. Ohne etwas zu sagen hob Marvin mich hoch und brachte mich in mein Zimmer, wo er mich auf das Bett legte. "Du hast den Arzt gehört, also bleib liegen." sagte er tonlos und ging wieder aus dem Zimmer.

Ja ich hatte es mehr als versaut. Im Krankenhaus hatte Dr. Evans mich einmal mehr untersucht. Durch meinen Sturz auf den Badezimmerboden hatte ich dafür gesorgt, das ich im Kniegelenk eine Blutung hatte. Mit einer überdimensional grossen Nadel hatte er das Blut herausgezogen und mir anschliessend absolute Bettruhe versorgt. Kurz gesagt: wenn ich mich nochmals bewegen würde, konnte ich mein Knie ganz und gar vergessen. Ehrlich gesagt war mir das egal, ich war ja eh schon ein Krüppel.

Marvin und Tristan hatten die ganze Zeit über nichts gesagt. Besser gesagt Tristan, auf dem Rückweg platzte Marvin und schrie mich ununterbrochen an. Was soll ich da schon sagen, ich wurde wütend und habe mir das nicht gefallen lassen. Jetzt redete er praktisch kein Wort mehr mit mir und ich auch nicht mit ihm. Ich hatte also keine Ahnung wie es um unsere Beziehung stand.

"Erde an Cas!" ich sah verwirrt zur Tür wo Tristan stand. "War in Gedanken. Was gibt's?" fragte ich ihn und klopfte auf mein Bett, er schüttelte aber bloss seinen Kopf und blieb stehen. "Das wird schon wieder Cas. Er macht sich bloss Sorgen um dich und weiss nicht wie er das zeigen soll." ich lachte bitter auf. "Das zeigt er ja ganz toll." Tristan seufzte. "Marvin kommt schon wieder zur Besinnung. Ich rede mit ihm. Wenn du etwas brauchst, ich bin für dich da Cas." sagte er und verschwand nach einem 'Danke' meinerseits wieder aus dem Zimmer.

Ich hatte keine Ahnung was los war. Marvin hatte sich verändert, was mir bis jetzt überhaupt nicht aufgefallen war. Aus dem liebevollen Jungen ist ein...ich fand nicht einmal das richtige Wort für ihn. Ich war in ihn verliebt, das stand ausser Frage, aber er war auf dem besten Weg das alles zunichte zu machen.

Kalt wie SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt