Kapitel 7

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Ophelia p.o.v

Jetzt sitze ich hier. Weinend in einer Ecke des Zimmers, wo er mich immer geschlagen hatte. Wieso war ich nur so naiv? Wieso kann ich nicht einmal nein sagen. Wieso?

Toll. Du bist so intelligent dich jetzt noch in Selbstmitleid zu suhlen. Beweg mal deinen Arsch und tret die verdammte Tür ein anstatt hier runzuflennen wie du es auch sonst immer gemacht hast.

Also tue ich das was mein Verstand mir gesagt hatte und ich stand auf. Mit dem Handrücken wischte ich mir die Tränen aus meinem Wutverzeerten Gesicht.

Ich würde nicht zulassen, dass es nochmal so weit kommt.

Mit festen Schritten ging ich also auf die Tür zu und mit jedem Schritt wurde ich unsicherer. Andre würde austicken, wenn er es mitbekommt und dann würde ich bestimmt nicht ungestraft davonkommen. Aber ich musste es probieren.

Ich war von meinen Gedanken überrascht. Vor ein paar Monaten, als ich noch mit Andre zusammen war, war mein Selbstbewusstsein gleich 0. Erst als ich bei Ju wohnte lehrte er mich immer an mich zu glauben. Wenn ich hier rauskomme werde ich ihm dafür danken.

Aber zurück zur Flucht.

Ich ging einige Schritte zurück und schloss die Augen. 3...2...1...Lauf!

Und ich lief mit voller Wucht auf die Tür zu und warf mich mit kräftig mit meiner Schulter dagegen. Wie in Zeitlupe sah ich wie sich die Tür aus den Angeln riss und ich mit ihr zu Boden fiel.

Ich schüttelte den Kopf und erwachte aus meiner Trance. Ohne Zeit zu verlieren rannte ich an der Küche und an den ganzen Zimmern vorbei, zur Wohnungstür.

"Hey! " hörte ich aus der Küche Andres wütende Stimme.

Voller Angst riss ich an der Tür rum, um zu bemerken, dass auch diese Abgeschlossen war. Ok... Plan B.

Ich schlug mit meiner Faust ein Glasfenster der Tür kaputt und suchte verzweifelt nach der Türklinke, die ich auch fand.

In diesem Moment dankte ich Gott einfach nur, dass Andre immer zu faul war um die Tür auszutauschen, denn wenn sie abgeschlossen war, konnte man sie immernoch von aussen öffnen.

Ich drückte das kalte Eisen hinunter und die Tür öffnete sich. Gerade als ich einen Schritt in die Freiheit machen wollte, zog mich eine kalte, feste Hand an der Schulter zurück. Mit Tränen der Angst und Verzweifelung sah ich ihn an.

Ok lass mich machen. Du rennst einfach wenn ich es sage.

Danke Verstand, dass du mir mal hilfst.

Ich ließ ihn also machen und meine Stimme im Kopf ließ mein Bein nach vorne schnellen, direkt zwischen die Beine meines Peinigers. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich sah, wie er sich vor Schmerzen krümmte.

Seine Hand ließ mich los und ich rannte einfach nur los nach draußen.

Danke mir später ;)

Ok halten wir mal kurz das Bild an.

Also, eine junge Frau mit blutigen Schrammen im Gesicht, einer aufgeschlitzen Hand läuft mit Tränen in den Augen aber mit einem Lächeln durch die Dämmernden Straßen Kölns. Ich glaube man kann sich die Blicke der Passanten, die auch unterwegs waren, denken :D.

Ok, Zeit läuft weiter.

Viele fragen mich ob alles ok sei, ob ich Hilfe bräuchte oder ähnliches. Ich ignorierte nur. Es war zwar unglaublich nett von den Menschen, doch ich wollte nur zu Ju.

Auch wenn es meine schmerzende Schulter und meine Hand es mir nicht leicht machten, lief ich immer weiter, bis ich vor dem Mehrfamilienhaus stand.

Sturm klingelte ich bei Julien und hoffte inständig, dass er aufmachte, denn Andre würde bald da sein, wenn er sich von meiner Attacke erholt hätte.

Ich stand also dort und mit jeder Minute wurde mein Lächeln kleiner, bis ich wieder anfing zu weinen. Das kann doch nicht wahr sein! Warum machte er nicht auf? Gerade jetzt wo ich um mein Leben fürchte kann man doch wohl mal die Tür öffnen oder ist das zu viel verlangt?!

Ich musste hier weg. Andre würde jeden Moment auftauchen, das war klar.

Ich schlich also um das Haus herum, bis ich ein kleines vergittertes Kellerfenster fand. Ich rüttelte dran, doch es war Bombenfest drangeschraubt.

Tja, Ophelia. Pech gehabt. Aus die Maus. Es ist vorbei. Du hast es nicht geschafft und erleidest jetzt Schlägen und Schlägen und Schlägen.

Warum muss ich auch immer auf meinen Verstand hören!? War ja klar das es nichts bringt...

Wieder merkte ich, wie sich dicke Salztränen einen Weg über meine Wange suchten und komplett erschöpft und fertig setzte ich mich an die kalte Mauer des Hauses. Sollte Andre mich doch finden. Mir war es egal. Ich war nur enttäuscht von Ju. Ja, möglich das er nicht zuhause ist, aber ihm wäre die Sache schon Spanisch vorgekommen, dass ich plötzlich wieder weg wäre. Er hätte mich gesucht oder mich wenigstens angerufen, glaubte ich zumindest mal. Jetzt weiß ich, wie sehr man sich in Menschen täuschen kann.

Ich zuckte zusammen, als ich eine Stimme von der Haustür hörte. Ich schlich weiter nach vorne um mehr verstehen zu können, vielleicht war es ja auch Andre.

"Ich hab überall gesucht."
...
"Ja wirklich."
...
"Sie ist wahrscheinlich irgendwo hin oder so."
...
"Ja, mir kommt es doch auch komisch vor das sie nichts gesagt hat, aber zu Andre konnte ich jetzt auch nicht. Hab keine Lust auf Stress."
...
"Ja, ok. Halt die Augen offen, ja? Und wenn du was von ihr hörst ruf mich direkt an."
...
"Danke, Bro. Du bist der Beste. Tschüssss."

Der Typ hat telefoniert. Das war klar. Doch ob es Ju war oder jemand anders konnte ich nicht anhand der Stimme erkennen, doch Andre war es auf keinen Fall. Ich beschloss also aus meinem 'Versteck' herauszukommen. Vielleicht konnte derjenige mir helfen.

Ich trat also in das Sichtfeld des jungen Mannes und sah ihn verängstigt, verstört uns hilfesuchend an: "Bitte, Hilfe. "

Damit machte ich unsanfte Bekanntschaften mit dem Boden, der so weich war wie Zuckerwatte - nicht - , und da meine Augen sich dachten "Ja komm penn doch ne runde " wurden diese schwerer, sodass sie auch zufielen.

Und schwupps, war ich in meiner Zuckerguss-Einhorn-Märchenland-Traumwelt :)

Naives Mädchen ~ Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt