Zu Hause angekommen sah ich erstmal nach, ob mein Großvater noch da war. Es war nicht unüblich, dass er sich im eigenen Garten verlief und die Haustür nicht wieder fand. Er saß jedoch genau wie heute morgen auf dem Sofa und schien über sein Buch, welches er schon dreimal von vorne angefangen hat zu lesen, eingeschlafen zu sein. Ich sah ihn eine Weile an um sicher zu gehen, dass er tatsächlich nur schlief und nicht gestorben war und als er kurz schnarchte ging ich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen nach oben um nach Lizzy zu sehen. Sie kam bereits aus ihrem Zimmer gerannt als sie die Stufen knarzen hörte und umarmte mich. „Da bist du ja endlich!", rief sie, „Ich hab total Hunger!" Sie schob ihre Unterlippe etwas vor und schmollte gespielt. „Tut mir leid meine Süße, aber von dem zusätzlichen Geld kann ich dir vielleicht ein paar neue Socken und Schuhe kaufen.", meinte ich und begutachtete dabei ihre alten, löchrigen Socken. 'Und hoffentlich auch ein kleines Geburtstagsgeschenk' , dachte ich. „Machst du denn jetzt endlich was zu essen?", drängelte sie und ich grinste, nickte und ging runter in die Küche während sie sich wieder in ihr Zimmer verzog. Während ich Wasser für ein paar Nudeln auf den Herd stellte überlegte ich wie ich das morgen mit Liz anstellen sollte. Ich konnte sie und Großvater schlecht den ganzen Abend alleine hier lassen. Ich würde morgen Abby fragen ob sie nach dem Rechten sehen konnte. Ich weiß, dass sie sich für mich schon lange einen Mann gewünscht hat. Sie hatte sogar schon das ein oder andere Mal versucht mich zu verkuppeln, es hatte allerdings nie so richtig funktioniert. Die meisten wollten nun mal eine Hausfrau und die war ich eindeutig nicht. Das Wasser kochte und ich wog die Nudeln ab, damit für morgen noch welche übrig waren und gab sie in den Topf. „Charlotte.", meldete sich eine raue Stimme hinter mir. Mein Großvater war aufgestanden und sah mich besorgt an. Ich lächelte und umarmte ihn, doch er schob mich weg und sah mich mit ernstem Blick an. „Was ist falsch mit den Nudeln, dass du sie so genau abwiegst?", fragte er und ich antwortete nur: „Du weißt doch, dass wir nicht so viel Geld haben Großvater. Die Nudeln müssen noch für morgen reichen." Er schüttelte den Kopf und sah aus, als fühle er sich für irgendetwas schuldig. „Du solltest nicht für mich mit sorgen müssen. Ich habe sowieso keinen Nutzen mehr für diese Welt und das Geld sollte für euch beide sein und nicht für einen unnützen, alten Mann wie mich." Ich sah ihn entsetzt an. Er hatte doch nicht wirklich gerade gesagt, dass er sterben möchte weil er für uns eine Last sei? „Nein, Großvater, du gehörst zur Familie und die lässt man nicht im Stich!" Doch sein kurzer, klarer Moment schien wieder vorbei zu sein und er sah mich verwirrt an als wisse er nicht mehr wie er von Sofa hierher gekommen ist.
Der Rest des Abends verlief normal und als ich beide ins Bett gebracht hatte und die Küche aufräumte musste ich wieder an Jimmy denken. Er schien wirklich nett zu sein und sah auch noch gut aus. Ich fing schon an, zu hoffen daraus könne etwas werden, als ich mich daran erinnerte, dass mir das die letzten Male nur Enttäuschungen gebracht hatte. Man sollte vom Leben nicht allzu viel erwarten und sich lieber über kleine Dinge freuen, als den großen entgegen zu fiebern. Als ich dann auch endlich im Bett lag fiel ich sofort in einen ruhigen, traumlosen Schlaf, obwohl ich meine mich an eine Wiese und Sonnenlicht, welches sich im Wasser spiegelt, erinnern zu können.
Als ich es nach der Arbeit irgendwie geschafft hatte Josh und Charles abzuwimmeln fiel mir ein Haken an dieser Direkt-nach-der-Arbeit-Sache auf. Ich trug immernoch meine alte Latzhose mit dem dreckigen Hemd und den schon dreimal zusammen genähten Schuhen. Doch bevor ich mir darüber großartig Gedanken machen konnte kam Jimmy um die Ecke. Ich wurde rot, weil er sich anscheinend frische Kleidung angezogen hatte lächelte jedoch nur beschämt als er mich sah und meinte: „Tut mir leid, darüber hab ich gar nicht nachgedacht. Nächstes Mal geb' ich dir etwas Zeit dich fertig zu machen." Wie süß, er gab sich die Schuld dafür. „A..aber du siehst trotzdem wunderschön aus.", stammelte er. Ich lächelte verlegen und murmelte ein „Danke." „Also... äh... ich dachte wir gehen vielleicht zum See und picknicken?" Es war mehr eine Frage als ein Plan. Er schien so unsicher und nervös, also nickte ich entschieden und meinte, dass dies eine schöne Idee sei. Dies schien ihm ein wenig Selbstvertrauen zu geben und wir machten uns auf den Weg. Wir mussten ein Stück durch den Wald und gingen nah beieinander, als hätten wir Angst uns zu verlieren. Meine Hand streifte etwas ledriges und wieder fielen mir die Handschuhe auf. Er bemerkte meinen fragenden Blick doch wandte sich, wieder etwas unsicher, ab. Der See sah wunderschön aus in der glitzernden Sonne, es erinnerte mich wieder an das, was ich vermutlich letzte Nacht geträumt hatte. Wir waren an einer ruhigen Ecke des Sees, was mir gefiel, denn mit den meisten anderen Leuten, die hier ihre freien Nachmittage verbrachten, verstand ich mich nicht so gut. Jimmy setzte seinen Rucksack ab und holte eine hellblaue Decke heraus. Danach packte er ein paar Sandwiches und Eistee aus und deutete mir mich zu setzen. Ich zog meine Schuhe aus, da es ohne einfach bequemer war und ich die Decke nicht auch noch mit meinen verdreckten Arbeitsschuhen versauen wollte, wenn ich mich schon in meiner schmutzigen Latzhose drauf setzen musste. Jimmy reichte mir ein Sandwich und ich nahm es dankend an. Bisher hatten wir noch nicht viel gesagt, also überlegte ich mir ein Gesprächsthema. Er war jedoch schneller als ich. „Also... du kommst aus der Stadt hier, richtig?", fragte er und ich antwortete ihm: „Ja, ich wohne mit meiner kleinen Schwester und meinem Großvater am Stadtrand." Ich war froh, dass Abbs es einrichten konnte auf die beiden etwas aufzupassen heute. Sie hatte geradezu geschrien, als ich ihr erzählte ich hätte ein Date. Ich biss in mein Sandwich und schmeckte echt gut. „Hat meine Ma gemacht.", meinte Jimmy. „Sie arbeitet auch bei der Show.", schob er noch schnell nach, als wäre es ihm peinlich, dass seine Mutter immernoch für ihn Essen machte. „Die sind wirklich lecker.", bestätigte ich meinen vorherigen, begeisterten Gesichtsausdruck. So kamen wir langsam ins Gespräch und als die Sandwiches schon längst gegessen und der Eistee getrunken war lagen wir nebeneinander auf der Decke und sahen uns die Sterne an, die der klare Nachthimmel uns zeigte. Es war immernoch recht warm und er hatte einen Arm um mich gelegt. Es war ein sehr schöner Abend gewesen und wir hatten uns etwas mehr kennengelernt. Nur hatte ich mich noch immer nicht getraut ihn nach den Handschuhen zu fragen und beschloss, es ein andermal zu machen. Als es langsam kalt wurde machten wir uns auf den Weg zurück. Ich wollte mich gerade verabschieden, da bot er mir an mich nach Hause zu fahren, denn er machte sich Sorgen, dass mir um die Uhrzeit etwas zustoßen könnte. Ich hoffe er konnte nicht sehen wie rot ich wurde, denn so etwas hatte noch nie ein Junge zu mir gesagt. Dass er sich Sorgen um mich mache. Also fuhr er mich nach Hause. Ich klammerte mich während der Fahrt an ihn. Es war nicht so, dass er allzu schnell fuhr, jedoch fühlte es sich so gut an, ihm so Nah zu sein. Bei meinem Haus angekommen wollte ich erst gar nicht aufstehen, doch es hätte bestimmt lächerlich und anhänglich gewirkt und deshalb zwang ich mich ihn loszulassen und abzusteigen. Er stieg ebenfalls ab und lächelte leicht gequält. „Das war ein sehr toller Abend, Charlie", meinte er und ich nahm seine Hände, also eher die Handschuhe, in meine und konnte nur nicken. Ich war so überwältigt von dem ganzen Abend, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Jimmy hatte mich so akzeptiert wie ich war. Eine junge Bauarbeiterin, die allein für ihre übrig gebliebene Familie sorgte. Er hatte keine perfekte Hausfrau verlangt, sondern nur mich, so wie ich war. Er beugte sich leicht vor und es kam mir alles wie in einem Traum vor. So unwirklich und trotzdem so intensiv. Ein Kuss.
So Leute, hier der neue Part :)
Ich hoffe er gefällt euch. Eigentlich wollte ich das Date in den nächsten Part packen, aber ich dachte mir ihr habt schon lang genug gewartet. Ich bin nicht so der romantische Typ, deshalb hoffe ich es war trotzdem annehmbar.
Wie immer würde ich mich über Kommentare freuen und bis zum nächsten Part.Eure MA4rt4.
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Was ist daran so schlecht?
FanfictionCharlotte "Charlie" Abbott ist allein verantwortlich für ihre kleine Schwester und ihren senilen, alten Großvater. Als sie sich eines Tages freiwillig für zusätzliche Arbeit bei einer Freakshow meldet um sich etwas dazu zu verdienen, weiß sie noch n...