Der Tag davor:
„Sie ist nett, deine Freundin.", meinte Jimmy und grinste mich an. „Freut mich, dass ihr euch so gut versteht.", erwiderte ich und grinste zurück. Wir waren kurz vor der Einfahrt zum Hof und Lizzy war schonmal voraus gelaufen. Jimmy hatte einen Arm um mich gelegt und wir schlenderten ihr hinterher. „Großvater, das ist die falsche Richtung!", hörten wir Liz rufen. „Wir wohnen hier drüben" Ich seufzte. „Nicht schon wieder." Wir bogen um die Ecke und sahen Liz und meinen Großvater darüber diskutieren in welcher Richtung unser Haus lag. Wenigstens war er nicht allzu weit gekommen. „Großvater wo läufst du denn hin? Wir müssen hier lang.", sagte ich und ging einfach weiter Richtung Haus. Das funktionierte immer, keine Ahnung warum. Jimmy sah erst mich, dann Großvater verdutzt an. „Passiert schonmal, dass er sich hier in der Gegend verläuft.", erklärte ich ihm und er gab sich damit zufrieden. Ich hatte ihm schon ziemlich am Anfang erzählt, dass er Gedächtnisprobleme hatte. Endlich zu Hause angekommen ging ich erst einmal duschen, nachher wollte ich noch die Wäsche waschen. Es tat mir ein bisschen leid für Jimmy mir nur beim arbeiten zusehen zu können, aber es musste nunmal erledigt werden. Frisch geduscht und noch mit nassen Haaren kam ich runter und keiner war da. Ich ging deshalb zur Hintertür und guckte durch eines der drei verbliebenenFenster (eins war seit dem Sturm ja kaputt) und fand meine Schwester und meinen Freund wie sie die bereits gewaschene Wäsche aufhingen. „Es war seine Idee.", sagte auf einmal jemand neben mir. Mein Großvater hatte sich von hinten angeschlichen und ich sprang wie ein aufgeschrecktes Reh zur Seite. „Er ist ein guter Junge, ganz gleich wo er herkommt oder was er ist. Ich bin stolz auf dich, dass du eine so gute Wahl getroffen hast, Charlotte." Er lächelte schwach, dann ging er ins Wohnzimmer und ließ sich auf dem Sofa nieder. Ich schaute wieder nach draußen, zu Jimmy, der gerade meine Schwester hochhob, damit sie an die Wäscheleine rankam, und musste ebenfalls lächeln. Ja, es schien tatsächlich so, als hätte ich die richtige Entscheidung getroffen als Jimmy mich gefragt hatte ob ich mit ihm ausgehen wolle und ,Ja' gesagt hatte.
Der Tag danach:
Ich wachte auf, weil mein Kopf so sehr pochte als wäre ich vor eine Wand gelaufen. Langsam öffnete ich meine Augen und sie fühlten sich so trocken an. Das kam bestimmt von dem Salz in den Tränen. Ich musste ein paar Mal blinzeln um klar sehen zu können. Ich befand mich in meinem Zimmer in meinem Bett. Ein Geräusch direkt neben meinem Ohr ließ mich kurz zusammenzucken. Vorsichtig, um die Person nicht zu wecken, drehte ich mich um. Dabei fiel mir auf, dass ich gar keine Klamotten anhatte bis auf Unterwäsche und die Person neben mir schien auch keine anzuhaben. Nach dem kurzen Schreck in dem ich innegehalten hatte erkannte ich den Geruch der Person und fühlte mich etwas erleichterter. Ich lag in Jimmys Armen und er schlief noch tief und fest. Dennoch war ich ein wenig nervös ohne Klamotten in seinen Armen zu liegen. Warum überhaupt? Und wieder traf mich die Wucht der Erinnerungen wie ein harter Schlag in den Magen und ein Stich in mein Herz. Mein Großvater hatte sich umgebracht. Er hatte alle seine Tabletten auf einmal genommen und sich damit umgebracht. Ohne es aufhalten zu können fing ich wieder an zu schluchzen und weckte dadurch meinen Freund. Er schien einen Moment überrascht hier zu sein, doch dann fiel auch ihm wieder ein wieso. Er drückte mich fest an sich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Tut... (schluchz) tut mir leid. Ich wollte dich nicht (schluchz) nicht wecken.", krächzte ich. Meine Stimme hörte sich furchtbar an und ich hatte ein Kratzen im Hals weswegen ich husten musste. „Nein schon gut. Du bist jetzt erstmal wichtiger.", flüsterte er und ich konnte seinen Atem in meinem Gesicht spüren, unsere Nasenspitzen berührten sich fast. Eine Weile passierte gar nichts, wir lagen einfach nur so da und sahen uns an. Doch irgendwann entschied ich mich dazu aufzustehen. Ich setzte mich auf und schlug die Decke zurück. Sofort wurde mir wieder kalt und ich bekam eine Gänsehaut, aber nicht nur wegen der Kälte. Jimmy trug tatsächlich kein Oberteil und auch keine Hose. Er hatte nur eine karierte Boxer an und ich spürte wie mir bei seinem Anblick die Röte ins Gesicht schoss. Plötzlich war mir ganz heiß und ich sah schnell wieder weg. Jetzt war nicht der richtige Augenblick für solche Momente. Es klopfte an unserer Zimmertür. Ich sprang auf und zog mir schnell meinen Bademantel über, der in meinem Schrank hing. Ich öffnete die Tür einen Spalt breit und eine schwach lächelnde Abby stand vor der Tür. „Es gibt Frühstück.",sagte sie ganz leise und ich nickte nur. Dann stieß sie auf einmal die Tür weg und umarmte mich ganz fest. „Ich bin mit Papa mitgefahren als er mir erzählt hat was los ist. Wir haben vorher noch schnell Jimmy abgeholt, ich dachte du brauchst jetzt jemandender auf dich aufpasst wenn ich arbeiten muss.", flüsterte sie noch leiser, aber direkt neben meinem Ohr. „Weißt du noch etwas von gestern Abend?", fragte sie mich dann und ich überlegte. „Nicht viel. Ich weiß nur noch, dass ich Holz gehackt hab und dass mich jemand rein getragen hat.", meinte ich dann. „Ja, du hast im Regen gestanden und wir haben dich gerufen, aber du hast uns nicht gehört. Du schienst total durchgefroren und deshalb hat Jimmy dich rein getragen. Papa und ich haben auf den Bestatter gewartet. Er hat deinen Großvater schon mitgenommen und du sollst heute dort vorbeifahren wenn es möglich ist.", erklärte sie mir. Wieder kamen mir die Tränen, doch ich versuchte sie zu unterdrücken und nickte nur. Dann ließ sie mich los und sagte nochmal, dass das Frühstück fertig sei. Ich sagte, dass wir gleich kommen würden und sie ging hinunter. Ich drehte mich um und sah Jimmy an, der die ganze Zeit unter der Decke gelegen hatte und sich, nun da Abby weg war, doch traute aufzustehen. Schnell schaute ich weg um nicht wieder rot zuwerden, aber das Kopfkino, dass ich nun hatte half dabei nicht wirklich. Schweigend zogen wir uns um und gingen dann Hand in Hand runter in die Küche. Ziemlich kitschig, wie ich fand, aber im Moment tat es mir gut, dass er da war. Abby und ihr Vater saßen am Tisch und hatten sich bereits Rührei aufgetischt. Als wir reinkamen stand Mr. Sprout auf und umarmte mich ebenfalls. Er gab mir sein Beileid und bot uns dann die übrigen zwei Stühle und Rührei an. Das Frühstück verlief ebenfalls schweigend und mit einer bedrückenden Stimmung. Aber ich war dankbar nicht allein sein zu müssen. Nach wenigen Minuten schon mussten die beiden auch schon los und wir verabschiedeten uns voneinander. Abby umarmte Jimmy und mich und flüsterte mir nochmals tröstende Worte zu. Ihr Vater umarmte mich ebenfalls, Jimmy gab er dann doch lieber nur die Hand. Wenn auch etwas widerwillig. Abby hatte mir erzählt, dass er bereits mit Charles über ihn gesprochen hatte. Ich wüsste gerne was. Für Abbys Eltern war ich so etwas wie eine Nichte, ein Teil der Familie auf die man aufpassen muss. Ich konnte verstehen, dass sie sich Sorgen machten. Ich würde es auch verstehen, wenn sie Jimmy nicht akzeptierten, aber Mr. Sprout gab sich größte Mühe sich nichts anmerken zu lassen. Vermutlich hatte Abby schon ein Wörtchen mit ihm geredet. „Liz kann natürlich erst einmal bei uns bleiben wenn dir das lieber ist, Charlotte.", bot er mir an, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein, wir sind eine Familie, wir stehen das zusammen durch. Wir kommen sie heute wie sonst auch im Diner abholen.", erklärte ich ihm. „Ich hab übrigens bei deiner Arbeit angerufen und dich entschuldigt.", meinte er dann noch und ich nickte dankend. Ich war ja kaum in der Lage normal zu reden ohne eine Heulattacke zu kriegen, wie sollte ich dann vernünftig arbeiten. Kaum waren die beiden zur Tür raus sackte ich in mich zusammen und Jimmy konnte mich gerade noch so auffangen. Er hob mich hoch und trug mich zum Sofa. Dort setzte er sich hin und mich auf seinen Schoß. Sofort fing ich wieder an zu weinen, ich weiß nicht wie lange, ob es Stunden waren oder nur Minuten, und er tröstete mich die ganze Zeit. Ich musste ihm doch irgendwann damit auf den Geist gehen, aber ich konnte auch nicht aufhören. Die ganzen Gefühle über den Tod meiner Eltern und Großvater schlugen wie Hagel auf mich ein und mit der Tatsache, dass nun nur noch Lizzy und ich übrig waren schien es mich fast zu erdrücken. Irgendwann schaffte ich es dann doch aufzuhören und sah Jimmy an. Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Geischt und küsste mich auf den Scheitel. „Ist es jetzt etwas besser?", fragte er leise und ich nickte kaum merkbar. Das Weinen hatte wirklich geholfen. Bei dem Tod meiner Eltern hatte ich es nicht gewagt zu weinen, weil ich Lizzy eine gute große Schwester sein wollte. All die Jahre seit dem hatte ich nie wirklich geweint, auch wenn mir manchmal alles zu viel wurde. Ich hatte die Verantwortung für sie und Großvater gehabt, viele Jahre lang. Da konnte ich mir einen Ausrutscher oder Schwäche nicht leisten. Doch Großvaters Tod hatte das Fass zum überlaufen gebracht. Doch jetzt ging es mir etwas besser, nachdem ich alles rausgelassen hatte. Ich war jetzt bereit zum Bestattungsunternehmen zu gehen und stand auf. Ich ging hoch in mein altes Zimmer, das ich mittlerweile eher als Rumpelkammer benutzte und durchsuchte einen großen alten Schrank. „Was suchst du?", kam es von der Tür her und ohne mich umzusehen erklärte ich ihm: „Eine Beerdigung ist nicht umsonst, aber ich hab für den Fall vorgesorgt." Ich fand die kleine hölzerne Kiste die ich gesucht hatte und öffnete sie. „Wow.", staunte Jimmy und ich konnte ihm nur zustimmen. Die Kette die darin lag war wunderschön und die Taschenuhr daneben hatte schöne Verzierungen im Ziffernblatt. „Das haben sich meine Eltern gegenseitig zu ihrem 15. Hochzeitstag geschenkt. Ich hab sie für schlechte Zeiten und solche Fälle aufgehoben.", murmelte ich. „Wir müssen vorher noch zum Pfandhaus." Dabei drehte ich mich um und sah in Jimmys wunderschöne, braune Augen. Sie funkelten im Licht der Sonne, die geradewegs durch das Fenster schien und für wenige Sekunden vergaß ich den ganzen Mist vom gestrigen Tag und ohne es wirklich zu beabsichtigen küsste ich ihn innig. Leider holte mich die Realität viel zu schnell wieder ein und ich schob leicht perplexen Jimmy aus dem Zimmer, damit wir endlich losgehen konnten.
Hier ein neuer Part :)
Ich hatte gerade einfach Lust ihn schon hochzuladen, sonst wär er erst morgen gekommen.
Es ist ein Hoch und Tief der Gefühle für Charlie. Ist ja auch nicht anders zu erwarten wenn ein geliebter Verwandter stirbt und man gleichzeitig Hals über Kopf verliebt ist. Bald wird es aber wieder etwas anders (im nächsten Part noch nicht, aber bald :) ) und ich würde dann gerne die Beziehung der beiden einen Schritt weiter führen.
Immer fleißig kommentieren und voten und ich hoffe es hat euch gefallen und
bis zum nächsten Kapitel,
eure MA4rt4.
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Was ist daran so schlecht?
FanfictionCharlotte "Charlie" Abbott ist allein verantwortlich für ihre kleine Schwester und ihren senilen, alten Großvater. Als sie sich eines Tages freiwillig für zusätzliche Arbeit bei einer Freakshow meldet um sich etwas dazu zu verdienen, weiß sie noch n...