9 - Geduldsprobe

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Ich blinzelte in das helle Licht, welches meine Augen überhaupt nicht gewohnt waren. Um nicht umzufallen krallte ich mich regelrecht in Namraels Arm. Vor uns erstreckte sich eine breite Marmortreppe, die runter in einen riesigen Saal führte. Der Saal war eigentlich mehr schwarz beziehungsweise grau. Durch die ganze Kerzen und großen Kronleuchter leuchtete er jedoch auch Gold. In der Mitte war eine breite Tanzfläche, an den Wänden war ein großes Buffet aufgebaut worden. Gegenüber des Eingangs war eine Art Podest, auf welchem ein Thron stand. Hinter dem schwarzen Thron befand sich ein breiter Durchgang, welcher durch zwei dicke, rote Stoffvorhänge verdeckt war. In den Stoff war groß das Symbol der Hölle eingestickt. Ab und zu sah man einen Diener sich durch die Menge schieben. Sie trugen Tabletts mit kleinen Häppchen oder Getränken herum.

Rechts neben mir stand ein Mann, der eine große Schriftrolle in der Hand trug. Auf dem Papier standen die Namen aller Persönlichkeiten, die heute Abend erschienen. Der Mann sah uns nur kurz an und wande sich dann dem Saal zu. "Die Prinzessin der Hölle und Tochter Luzifers, Cherubyn Morgenstern und der Dämon der verdammten Seelen, Herrscher über einen Teil der Hölle, Namrael!" rief er laut und gab somit unser Ankommen kund. Genauso wie die meisten anderen Engel und Dämonen hatte Namrael keinen Nachnamen, oder wollte ihn einfach nicht nennen. Bei mir hatte man stattdessen einfach den ehemaligen Namen meines Vaters als Nachnamen angehängt. Die Menge wurde kurz ruhig und sah uns mit großen Augen an. Doch Namrael zog mich einfach die Stufen hinunter, die ich möglichst elegant herunter ging. Als wir am unteren Treppenabsatz ankamen wurden die Gespräche wieder aufgenommen. So gut wie alle Frauen betrachteten kritisch mein Kleid und bewerteten es. Ich ignorierte es und nahm mir ein Glas, von einem Diener, der gerad an mir vorbei lief. Neben dem Getuschel der Frauen spürte ich jedoch auch die Blicke deren Männer auf meinem Nackten Rücken. Ich schüttelte grinsend den Kopf. Sie sind keinen Deut besser als die Menschen. Die Frauen trugen bunte, aufgebauschte Kleider, die teilweise einfach bloß schrecklich aussahen. Die von ihnen, die noch keinen Mann hatten, versuchten an solchen Abenden einen zu beeindrucken. Ich fand das einfach bloß erbärmlich. Gab es denn keine selbständigen Frauen in der Hölle? Na gut, ein paar gab es schon, aber nur wenige.

Plötzlich beugte sich Namrael zu mir runter. "Ich muss noch ein paar Leute begrüßen gehen. Bis dann." sagte er mir ins Ohr und verabschiedete sich mit einem Zwinkern. Ich machte mich auf zum Buffet und schob mir eine Erdbeere mit Schokolade in den Mund. So viel Essen gab es hier selten. Ich hatte zwar Köche aber die Zutaten für besonderes Essen mussten meistens aus der Menschenwelt besorgt werden, was sich schwierig gestaltete. Das, was die meisten Dämonen verschmähten, aß ich nur zu gerne. Ich war nicht unbedingt gefräßig, aber so eine Chance musste man ja nutzen. Ich konnte förmlich die vorwurfsvollen Blicke der anderen Frauen spüren. Tja, im Gegensatz zu euch kann ich auch etwas essen, ohne fett zu werden! Dachte ich gehässig und nahm mir provokant noch ein Schokotörtchen. Ich leckte mir über die Lippen und sah mich nach bekannten Gesichtern um. Schnell erkannte ich Jensit, der sich schon etwas eher auf den Weg gemacht hatte. Nicht weit weg sah ich Sitris, in einer hellen Rüstung, die die Zugehörigkeit zu seinem Herren zeigte. Der Dämon redete gerade mit einer Frau, die auf ein Kommentar von ihm lachte. Ich erkannte außerdem etliche anderen Adlige und Fürsten. Nur mein Vater und die anderen Höllenfürsten waren noch nicht da. Gerade wollte ich mich weiter umsehen, als ich von jemanden angerempelt wurde. "Passen sie doch auf!" keifte ich sofort und sah den Mann wütend an. Dieser sah mich mit seinen dunkelbraunen Augen unbeteiligt an. Dann drehte er sich einfach herum und setzte sein Gespräch mit einer Frau fort. Mir klappte die Kinnlade runter. Gehts noch?!

"Hey!" fauchte ich und packte den Typen am Arm. Ich versprach mir selber noch, jetzt keine Szene zu machen. "Es ist ihnen vielleicht nicht klar, aber man entschuldigt sich, wenn man jemanden anrempelt!" sagte ich möglichst freundlich, jedoch mit einem warnenden Unterton. Die Frau sah mich überrascht an, genauso wie der Mann. "Du hast mich angerempelt." sagte dieser nur kalt. Damit warf ich meinen Vorsatz über Bord. "Jetz pass mal auf. Wenn du die Prinzessin der Hölle anrempelst, dann hast du dich zu entschuldigen! Ich weiß zwar nicht welchen Teil deines Gehirns es zerstört hat, als du in der Hölle gelandet bist, aber wenn du nicht mal zum Denken in der Lage bist hast du hier nichts verloren!" knurrte ich leise, aber dennoch bedrohlich. Dabei grub ich meine Krallen tief in seinen teuren Anzug, sodass große Löcher entsanden. Der Mann machte große Augen, hatte offenbar nicht mit so einer Gegenwehr gerechnet. "Entschuldigt." sagte er, ziemlich geschockt. Ich nickte und warf ihm noch einen bedrohlichen Blick zu, dann drehte ich mich herum und strich mein Kleid glatt. Zum Glück hatte niemand diesen kleinen Streit mitbekommen.

Mein Name ist MorgensternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt