Part 3

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Scarletts Pov

Ich betrete die Sporthalle und sofort steigt mir der widerliche Geruch von Schweiß und Gummi in die Nase. Den gibt es also auch hier.

„Fang!“, ruft jemand und ehe ich darauf reagieren kann, habe ich auch schon einen Basketball in der Fresse. Lissy neben mir saugt scharf die Luft ein, doch ich kann mir schon denken, wer den Ball geworfen hat und nun nicht einmal den Anstand dazu besitzt, sich zu entschuldigen. Ich nehme die Hand von meinem pochenden Auge und blicke mich um. Etwa zwei Meter vor mir steht Jason und grinst mir entgegen.

„Ich hab dich gewarnt, Süße.“, ruft er und rennt in die linke Ecke der Halle zum Basketballkorb, wo seine Freunde ihn lachen empfangen.

„Alles klar?“, fragt Lissy vorsichtig von der Seite. Ich nicke und schlucke meinen Ärger hinunter. Ich soll mich nicht mit ihm anlegen, hat sie gesagt. Vielleicht hat sie ja Recht und ich habe mit Ashley und ihren Schlampen schon genug Ärger am Hals.

„Geht schon. Er ist halt ein Idiot, schätze ich.“, murmele ich. Schon wieder stiehlt sich dieser verträumte Ausdruck auf ihr Gesicht.

„Ein verdammt heißer Idiot.“, schwärmt sie. Als sie merkt, dass ich sie anstarre, fängt sie sich jedoch schnell wieder.

„Und ein Krimineller dazu. Wie gesagt. Halt dich fern von ihm.“

„Kriminell?“, frage ich, doch werde von Ashley unterbrochen, die gefolgt von ihren Freundinnen in die Halle stolziert kommt. In der rechten Hand hält sie ihre wild verknoteten Sportschuhe. Ich bin mir sicher, dass die eben noch ganz normal aussahen.

„Jason!“, flötet sie. Natürlich. Ist ja irgendwie klar, dass die sich an ihn wirft. Ich meine zu erkennen, wie Jason die Augen verdreht.

„Ich kriege meine Schuhe irgendwie nicht auseinander. Kannst du mir helfen?“, ruft sie mit gekünstelt verzweifelter Stimme durch die Halle und läuft auf Socken zu ihm hinüber. Ihre Freundinnen folgen ihr laut schnatternd.

„Soll im Knast gesessen haben letztes Jahr. Deshalb wiederholt er jetzt.“, sagt Lissy völlig aus dem Zusammenhang gerissen.

„Wer?“, frage ich daher. Sie wirft mir einen verwirrten Blick zu und schnipst mit ihren Fingern vor meinem Gesicht herum.

„Jason? Du hast mich doch gefragt, warum er kriminell ist. Bist du überhaupt da?“ Stimmt. Ashleys Auftritt hat mich wohl irgendwie ziemlich aus der Fassung gebracht.

„Klar. Sorry. Ich geh mich mal vorstellen.“, antworte ich schnell und laufe zu einem älteren Mann, den ich für unseren Sportlehrer halte.

„Ich bin Scarlett. Heute ist mein erster Tag und ich habe noch keine Sportsachen dabei, Mr..“ Warum habe ich mir seinen Namen nicht gemerkt, als Lissy ihn eben erwähnt hat?

„Miles. Mr Miles.“, antwortet er und hilft mir aus der Patsche.

„Das ist kein Problem solange du sie zur nächsten Stunde dabei hast. Setz dich heute einfach auf die Bank da vorne.“ Ich folge seinem ausgestreckten Zeigefinger und mein Blick fällt auf die Bank, die direkt unter dem Basketballkorb hängt. Toll. Ist das nicht die, vor der Lissy mich ausdrücklich gewarnt hat?

„Kann ich mich nicht vielleicht dort drüben hinsetzen?“, frage ich und deute auf die Bank am anderen Ende der Halle.

„Normalerweise schon. Aber heute brauche ich die für den Unterricht. Die unter dem Korb ist defekt. Deshalb kann ich sie nicht benutzen.“, antwortet Mr Miles und lässt mich einfach stehen, um in den Geräteraum zu gehen. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mich auf die gefürchtete Bank zu setzen. Aber was denke ich da eigentlich die ganze Zeit? Seit wann lasse ich mir von irgendjemandem Angst machen? Wenn der Idiot es noch einmal wagt, mich abzuwerfen, bekommt er es mit einer ganz anderen Scarlett zu tun. Denn er ist nicht der einzige hier, der schon einmal gesessen hat.

Als ich mich niederlasse, steht Lissy direkt neben mir.

„Sag mal hörst du mir überhaupt zu? Ich hab dir doch gesagt, dass du dich gerade hier nicht hinsetzen sollst.“, flüstert sie aufgebracht. Ich verstehe nicht wirklich warum sie flüstert und antworte deshalb in normaler Lautstärke.

„Mr Miles hat mir gesagt, dass er die anderen für den Unterricht braucht. Außerdem lasse ich mir von so einem Möchtegernkriminellen wie Jason keine Angst einjagen.“ Während ich spreche, verzieht Lissy das Gesicht und ich frage mich, was sie so beunruhigt, bis Jasons Stimme hinter ihr ertönt.

„Das ,Möchtegern‘ lässt du nächstes Mal aber weg, Süße.“, sagt er und Lissy springt vor Schreck zur Seite, sodass auch ich seine Anwesenheit jetzt bemerke. Deshalb hat sie geflüstert. Macht Sinn.

„Ich muss mich einlaufen.“, sagt Lissy schnell und ist genauso schnell weg. Die ist echt ein feiges Huhn. Ich frage mich, was sie über Jason gehört hat, dass sie so eine Angst vor ihm hat.

„Ich denke nicht, dass dich das was angeht. Und hör auf mich Süße zu nennen.“, sage ich zu Jason, der immer noch vor mir steht. Dieser dehnt seinen Hals nach links und rechts, sodass seine Sehne deutlich sichtbar wird und lässt dann seine Gelenke knacken.

„Leck mich, Süße.“ Er spuckt mir die Worte förmlich entgegen und geht dann einfach weg. So ein Arsch. Ich spare es mir, ihm durch die Halle eine Antwort hinterherzurufen und beobachte lieber, wie Ashley angewidert zwischen ihm und mir hin und her schaut. Sie ist dabei, ihre Schuhe zu entknoten. Tja. Klappt halt nicht immer so, wie man es sich vorstellt, Bitch.

„Kommt alle zusammen. Wir fangen an!“, ruft Mr Miles und alle Schüler, Jason eingeschlossen, treffen sich in der Mitte der Halle in einem Sitzkreis. Süß. So etwas gab es an meiner alten Schule in Toronto nur bis zur sechsten Klasse. Danach hat sich keiner mehr für das interessiert, was der Lehrer gesagt hat. In Stratford sind wohl selbst die „Kriminellen“ gehörig.

Als die Stunde vorbei ist bin ich doch erleichtert, keinen Zusammenstoß mehr mit Jason gehabt zu haben. Ich bin mir sicher, dass vom ersten Mal schon eine Beule auf meiner Stirn zurückbleibt. Ich hätte das kühlen sollen. Aber da habe ich eben irgendwie nicht dran gedacht.

Jasons Pov

Sobald wir die Umkleide betreten, fangen wir an über Ashley und ihre Kumpaninnen zu lästern. Ja, richtig. Jungs lästern auch.

„Alter wie die ankam mit ihren Schuhen ich hab dich innerlich so ausgelacht, Jason!“, lacht Cole und es macht mich aggressiv. Soll der sich mal mit der Schlampe rumschlagen. Die lässt keine Gelegenheit aus, sich am mich ranzumachen und denkt dabei auch noch, ich würde sie mögen.

„Die Abfuhr, die du ihr erteilt hast, war aber noch besser.“ Jai zieht sich sein Shirt über den Kopf und hält mir die Hand hin, damit ich einschlage. Soll der sie halten. Ich bin keine zwölf mehr. Außerdem habe ich schlechte Laune. Ich muss eine rauchen gehen.

„Kommt jemand gleich mit in den Park?“, frage ich deshalb in die Runde.

„Kann nicht. Muss zu Bio. Der Miles hat ja grade schon gesehen, dass ich da bin.“, entschuldigt sich Cole. Auffordernd blicke ich zu Jai. Er sagt immer ja. Der typische Mitläufer eben.

„Klar. Bin dabei, Bro.“, sagt er und wendet sich wieder dem Gürtel seiner Jeans zu.

Scarletts Pov

Ein Blick auf meinen Stundenplan zeigt mir, dass ich jetzt eine Freistunde habe. Innerlich hoffe ich, dass Lissy Unterricht hat. Sie ist ja ganz in Ordnung, aber ich brauche einfach mal ein bisschen Zeit für mich. Dieses Mädchen ist ziemlich anstrengend.

„Was hast du jetzt?“, fragt sie da auch schon und blickt mich wartend an.

„Frei.“, murmele ich, während ich in mein Brötchen beiße. Mum hat es heute morgen extra für mich aufgebacken. Wahrscheinlich wollte sie sich wieder nur bei mir einschleimen. Trotzdem genieße ich den knusprigen Bissen.

„Schade. Ich hab jetzt Mathe. Aber sehen wir uns in der Mittagspause? In der Cafeteria?“ Ihr Blick ist fast flehend.

„Klar.“, antworte ich deshalb und schenke ihr ein Lächeln. „Ich geh dann mal.“, füge ich noch hinzu und lasse sie stehen. Jetzt heißt es herauszufinden, wo man vom Schulgelände verschwinden kann. Ich brauche nicht nur eine Auszeit von Lissy. Ich brauche eine Auszeit von dieser ganzen Schule. Vielleicht finde ich ja irgendwo einen ruhigen Ort, an dem ich Musik hören und mein Brötchen essen kann. 

He Ain't All BadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt