Scarletts Pov
Als ich morgens aufwache spüre ich, dass mein Rücken schmerzt. Ich muss mich wohl noch an das neue Bett gewöhnen. Schlaftrunken knipse ich meine Nachttischlampe an und schwinge die Beine über den Bettrand. Ich bin wirklich gespannt, wie Mum sich heute mir gegenüber verhalten wird. Vielleicht findet sie ja jetzt Gefallen daran, mich komplett zu ignorieren, nachdem meine Strafe so milde ausgefallen ist. Gähnend tapse ich ins Bad und betrachte mich im Spiegel. Um ehrlich zu sein sehe ich besser aus, als in Toronto. Auch, wenn ich in meiner ersten Nacht hier in Stratford überhaupt nicht geschlafen habe, komme ich mir wesentlich erholter vor. Keine Augenringe. Gesunde Gesichtsfarbe. Wahrscheinlich liegt das daran, dass hier so wenig los ist. In solchen Momenten vermisse ich Toronto und die Freunde, die ich dort hatte. Wir konnten machen, was wir wollten. Wir waren frei. Die Stadt bot tausende von Möglichkeiten unterzutauchen.
„Scarlett beeil dich. Ich muss auch noch da rein.“ Joseys Stimme reißt mich aus meinen Erinnerungen. Seufzend streife ich meine Schlafsachen ab und steige in die Dusche. Das warme Wasser prasselt angenehm über meinen Rücken und ich schließe die Augen. Ich bin immer noch heilfroh, dass mein Geld noch da ist. Auch, wenn es absurd ist, dass anscheinend jemand an meinem Schließfach war, der den Code kannte, dann aber nichts mitgenommen hat. Wer tut so etwas? Und vor allem wieso tut man so etwas? Nachdem ich gestern viel zu spät zum Sportunterricht erschienen bin und gefühlte hundert Strafrunden laufen musste, bin ich mit Lissy zum Direktor gegangen. Ich war eigentlich der Meinung, dass es unnötig war, den Fall zu melden, aber Lissy hat darauf bestanden. Ich hatte keinen Bock mir den Rest des Tages ihre vorwurfsvollen Blicke reinziehen zu müssen und bin deshalb mitgegangen. Das Ergebnis des ganzen ist, dass ich ein neues Schloss bekomme. Mit neuem Code. Na toll. Weil ich auch so unheimlich gut darin bin, mir Zahlenkombinationen zu merken.
„Scarlett, was soll der Scheiß?“ Josey steht anscheinend immer noch vor der Badezimmertür und steht wahrscheinlich kurz vor der Explosion. Kann nur noch eine Sache von Sekunden sein, bis sich Mum einschaltet. Drei… zwei…
„Scarlett verdammt komm sofort darauf! Deine Schwester kommt sonst deinetwegen zu spät zur Schule!“
Wow. Ich kann hellsehen. Obwohl ich eigentlich in der Stimmung dazu bin mir jetzt extra viel Zeit zu lassen, schalte ich das Wasser aus und wickle mir ein Handtuch um den Körper. Dann beeile ich mich so schnell wie möglich das Bad zu verlassen und die vorwurfsvollen Blicke meiner Mutter und Beschimpfungen meiner Schwester zu ignorieren. Zurück in meinem Zimmer werfe ich mir schnell irgendwelche bequemen Klamotten an und ziehe meine dunkle Mütze über. Dann greife ich mir meine Tasche und laufe die Treppe hinunter. Als ich die Tür zur Straße hin öffne, höre ich auch schon wieder die Stimme meiner Mutter.
„Scarlett du kommst nach der Schule sofort nach Hause. Hast du mich verstanden?“
„Klar.“, rufe ich zurück und knalle die Tür extra laut hinter mir zu was dazu führt, dass Mum drinnen laut flucht. Soll sie. Nicht mein Problem. Die zwanzig Minuten bis zur Schule vergehen viel zu schnell. Nach gefühlten Sekunden betrete ich den Schulhof und sehe mich nach Jason oder Lissy um. Ersterer ist jedoch nirgendwo zu sehen. Mir fällt wieder ein, dass er auch gestern in Sport gefehlt hat und auch danach nicht mehr in der Schule gewesen zu sein scheint. Da er aber ziemlich offensichtlich keinen allzugroßen Wert auf die Regelmäßigkeit seiner Bildung legt, mache ich mir keine größeren Gedanken und laufe hinüber zu Lissy, die mich schon auf unserer Mauer erwartet.
„Morgen.“, begrüße ich sie nüchtern und setze mich lustlos neben sie.
„Hey“, strahlt sie mir entgegen. Typisch. Lissy ist auch vor der ersten Stunde die Motivation pur. Das komplette Gegenteil von mir. Ich brauche morgens immer erst ein paar Stunden um gesellschaftsfähig zu werden.
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He Ain't All Bad
Fanfiction„Wer ist der da drüben?“, frage ich und deute quer durch den Gang auf einen tättowierten Jungen, der mir schon seit einigen Minuten aufgefallen ist. Ich merke, wie sich ein verträumter Ausdruck auf Lissys Gesicht breit macht. "Das ist Jason. Jason...