Part 33

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Nach einer kurzen Pause des Durchatmens kam er wieder. Trotzdem schien nicht wirklich eine Gefahr von ihm auszugehen. Er war eben wieder da. Ging seine Wege. Und ich ging meine. Das dachte ich zumindest am Anfang. Bis es dann doch anders kam.

Jasons Pov

Die Gänge kommen mir vertraut vor und doch so fremd. Es ist fast so als kehrte ich nach den Sommerferien in ein neues Schuljahr zurück. Mit dem Unterschied, dass es nicht Herbst ist, sondern Winter. Dass ich keine Ferien gehabt habe, sondern Therapie. Dass ich nicht erholt bin, sondern angespannt. Dass meine Freunde nicht mehr meine Freunde sind, sondern mir ängstliche (Scarlett), oder wütende (Cole) Blicke zuwerfen. Ich weiß, dass ich diese Blicke verdient habe und doch brennen sie sich in mein Fleisch wie hartnäckige kleine Insekten in das Fell eines Hundes oder einer Katze.

Die meisten Leute gehen mir schlicht und einfach aus dem Weg. Ich bin mir sicher, dass mal wieder etwa eine Million Gerüchte über mich im Umlauf sind. Ich habe schließlich knapp zwei Monate gefehlt. In dieser Zeit hat sich wirklich viel verändert. Ich habe mich verändert. Ich lebe nicht mehr bei meinem Vater, sondern in einem Wohnheim. Am Anfang habe ich mich dagegen gewehrt. Es kam mir wie Verrat an Dad vor. Kommt es mir immer noch. Aber ich hatte einfach keine Chance gegen die Leute vom Amt. Obwohl ich volljährig bin, durften sie mich dorthin schleppen. Weil irgendein Psychofutze ein Gutachten aufgesetzt hat, dass sagt, dass ich nicht in der Verfassung bin, alleine leben zu können. Wegen dem, was damals in der Hütte geschehen ist. Dabei kennen sie nicht einmal die ganze Geschichte. Sie kennen nur einen Teil meines Parts. Von der anderen Hälfte meines Parts und Scarletts Rolle ahnen sie nichts. Weil sie schweigt. Anfangs habe ich gehofft, sie würde reden. Dann hätte ich meine gerechte Strafe erhalten. Aber dadurch, dass sie ihren Mund gehalten hat, trage ich diese Schuld unausgesprochen und unverarbeitet in mir herum und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Vor allem jetzt, wo ich sie wieder täglich in der Schule sehen werde, frisst mich der Selbsthass auf und der Drang, meine Faust gegen etwas hartes, oder scharfes schmettern zu lassen, steigt mit jedem ihrer verstohlenen, verstörten Blicke. Mit jeder Sekunde.

Scarletts Pov

Den ganzen Tag über weichen Cole und Lissy nicht von meiner Seite. Selbst, wenn ich Kurse ohne die beiden habe, wartet mindestens einer von ihnen schon vor der Klassentür, wenn ich nach 45 Minuten Unterricht auf den Gang hinaus trete. Sie versuchen zwar so zu tun, als wäre das normal, aber wir alle drei wissen, dass es das nicht ist. Als die Sportstunde näher rückt, merke ich, wie Coles Anspannung steigt.

„Entspann dich. Das wird eine ganz normale Sportstunde wie jede andere auch. Was soll schon passieren? Bei so vielen Leuten.“ Lissy versucht Cole zu beruhigen und bemüht sich noch nicht einmal mehr den Grund für seine und ihre Nervosität geheim zu halten.

„Verdammte Scheiße. Leute. Ich bin keine zehn. Ich kann alleine auf mich aufpassen.“, sage ich genervt und erhebe mich von der Mauer nachdem ich sowohl meine Schul-, als auch Sportsachen vom Boden aufgehoben habe. Ich laufe los in Richtung Sporthalle ohne Rücksicht auf meine Freunde zu nehmen. Lissy hat Recht. Hat Cole wirklich Angst, Jason könnte mir im Sportunterricht etwas antun? Vor dem gesamten Kurs und Mr Miles? Ich zwinge mich absichtlich dazu, Jasons Namen in meinen Gedanken auszusprechen, weil ich mich dazu entschieden habe, ihm nicht mit Angst, sondern mit Stärke entgegenzutreten. Denn wenn ich schon Angst vor seinem Namen habe, wie soll es dann erst sein, wenn ich ihm gegenüber stehe? Es dauert nur Sekunden, da haben die beiden mich auch schon eingeholt. Lissy nimmt meine Hand und Cole legt schützend den Arm um meine Hüfte.

„Es tut uns leid, Schatz. Wir machen uns wirklich nur Sorgen um dich.“ Lissy versucht es mit einer Entschuldigung, aber eigentlich ist das überhaupt nicht nötig. Ich weiß ja, dass sie nur das Beste für mich wollen und dass sie eigentlich auch Recht haben, was Jason angeht. Deshalb drücke ich Lissys Hand fest zu und lege auch meinen Arm um Coles Hüfte.

„Das weiß ich doch.“, antworte ich und zu dritt gehen wir auf das Gebäude zu, in dem der Sportunterricht stattfindet. 

Jasons Pov

Als die drei die Halle betreten, bin ich schon dabei Runden zu laufen. Eine nach der anderen. Das ist in den letzten beiden Monaten zu einer Art Therapie für mich geworden. Wenn ich merke, dass ich wütend werde, oder die Kontrolle verliere, ziehe ich mir meine Laufschuhe an und laufe los. So lange, bis ich nicht mehr kann und erschöpft nach Luft schnappen muss. Genau das mache ich jetzt auch. Laufen, da ich nicht weiß, wie ich mich Cole und Scarlett gegenüber verhalten soll. Da ich weiß, dass sie mich vermutlich beide hassen.

Scarletts Pov

Wie spielen Volleyball und das ist mir ausnahmsweise einmal ganz Recht. So befinde ich mich die ganze Stunde über nicht in der gleichen Hälfte der Halle wie Jason, da er nicht in meinem Team ist und ich auch nicht gegen ihn spielen muss. Dafür ist die Zeit in der Umkleidekabine nach der Stunde umso schrecklicher.

„Er hat es in diesen zwei Monaten geschafft, noch heißer zu werden.“ Ashley und ihr Gefolge staksen in den kleinen Raum hinein.

„Ich weiß. Ich hatte schon fast wieder vergessen, wie muskulös er ist.“ Ashley wirft ihre Anhängerin nur einen abfälligen Blick zu.

„Ich werde ihn heute Nachmittag anschreiben und mich dann mit ihm treffen.“, sagt sie während sie sich ihr Sport Oberteil über den Kopf zieht. Ich möchte laut nein schreien, da ich selbst Ashley nicht wünsche das zu erleben, was ich erlebt habe, aber ich weiß, wie lächerlich das rüberkommen würde, da sie mich schlicht und einfach als eifersüchtig hinstellen würde. Lissy wirft mir einen merkwürdigen Blick zu und ich könnte sie echt zum Mond schießen dafür, dass sie und Cole heute so übervorsichtig mit mir sind.

„Bist du soweit?“, frage ich sie deshalb leicht genervt und als sie nickt, bahne ich mir meinen Weg an Ashley vorbei zur Tür. Ich will einfach nur raus hier.

„An Scarlett hat er ja wohl den Gefallen verloren, so wie er sie heute ignoriert hat. Naja. Wenn er je wirklich was von ihr wollte.“ Ashley spricht absichtlich laut und in meine Richtung. Und ich bin kein Mensch, der so etwas einfach auf sich sitzen lässt.

„Kannst du nicht ein einziges Mal deine verfickte Makeup Fresse halten?“, sage ich und lasse sie dann mit ihrer Gefolgschaft alleine in der Umkleide. Miese Schlampe.

„Da seid ihr ja. Bereit für die letzten beiden Stunden des Tages?“, begrüßt uns Cole, der an der gegenüberliegenden Wand neben der Tür zur Jungenumkleide auf uns wartet. Ich verdrehe die Augen über sein aufgesetztes Grinsen.

„Haben ja keine andere Wahl.“, entgegne ich und gehe an ihm vorbei den Gang hinunter. Es dauert nicht lange, da hat er auch schon aufgeschlossen.

„Komm schon. Noch zwei Stunden, dann kommt ihr mit zu mir und ich bestelle die beste Pizza der Welt.“, versucht er mich aufzumuntern. Mit der Aussicht auf zwei Stunden Spanisch Unterricht ist das nicht so einfach. Außerdem ist da immer noch Jason. Da hilft selbst Pizza nicht. Aber ich möchte kein Spielverderber sein und schenke ihm deshalb ein sogar halbwegs echtes Lächeln.

„Besorg mir noch Wodka und Cola und ich kann mich vielleicht mit dem Gedanken anfreunden, den Abend mit dir und Lissy zu verbringen.“, ziehe ich ihn auf und lasse zu, dass er seinen Arm um mich legt. Das macht er in letzter Zeit oft und obwohl ich nicht wirklich einschätzen kann, wo das hinführt, mag ich es.

„Aye Aye Captain!“, scherzt er und wir müssen beide lachen. Es freut mich, dass ich die Stimmung lockern und ihm etwas von seiner Nervosität nehmen konnte.

„Vergesst mich nicht. Ich bin auch hungrig und durstig.“, schließt sich Lissy unserer kleinen Gruppe an und gemeinsam laufen wir den Gang hinunter bis wir uns notgedrungen trennen müssen, als wir zu unseren unterschiedlichen Kursräumen abbiegen müssen.

He Ain't All BadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt