Part 27

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Die ganze Situation war absurd. Damals kam es mir nicht so vor, aber heute finde ich es seltsam, dass ich das nicht bemerkt habe. Ich saß da mit ihm und kam mir vor wie seine Verbündete. Dabei hätte ich zur Krankenschwester gehen und endlich die Wahrheit sagen sollen. Doch zu diesem Zeitpunkt war ich dazu nicht in der Lage. Nicht, weil ich es nicht gewollt hätte. Nein. Schlicht und einfach, weil ich es für natürlich empfand, da mit ihm zu sitzen, als wären wir zwei Verbrecher, die gemeinsam gegen den Rest der Welt kämpfen müssen. Dabei standen wir im Grunde genommen auf unterschiedlichen Seiten.

Scarletts Pov

Ich weiß nicht, wie lange wir hier schon zusammen sitzen, aber ich weiß, dass wir uns dringend etwas einfallen lassen müssen, wenn wir keinen Ärger bekommen wollen. Jason links neben mir kramt nun schon zum dritten Mal eine Zigarette hervor und steckt sie sich an. Vor einer Woche noch hätte ich mich darüber beschwert, doch mittlerweile erscheint mir seine Nikotinsucht als das Unwichtigste überhaupt. Aus irgendeinem Grund warte ich darauf, dass er die Initiative ergreift. Dass er eine Idee hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass er schon eine Lösung finden wird. Doch er schweigt. Vielleicht denkt er ja genauso wie ich. Vielleicht wartet er darauf, dass ich rede. Ich fühle mich seltsam fremd in meinem Körper, weil diese neue Scheu, die mich fast vollständig lähmt, erneut Besitz von mir ergriffen hat.

„Wir sollten zurück zur Schule gehen.“, sagt er und mein Blick fällt auf die noch nicht einmal halb aufgerauchte Zigarette in seiner Hand. Er macht auch keine Anstalten, sich zu erheben. Also bleibe ich sitzen.

„Sollten wir. Die können ja eigentlich nicht kontrollieren, ob wir im Krankenzimmer waren, oder?“, frage ich, obwohl ich weiß, wie blödsinnig das ist, was ich da von mir gebe. Miles ist Jason gegenüber extrem misstrauisch. Mit Sicherheit wird er zur Krankenschwester gehen und sich erkundigen, ob wir da waren.

„Wenn Miles schnüffelt, sind wir so oder so erledigt. Ob wir jetzt heute wieder hingehen oder morgen ist dann auch egal.“. Jason schnippt etwas Asche weg und setzt ein gequältes Lächeln auf. Das gibt mir wieder Mut, weil es genau das Lächeln ist, das er an dem Tag, als wir uns kennengelernt haben, im Gesicht trug.

„Dann lass uns jetzt zurückgehen, damit wir heute wenigstens nicht noch mehr Fehlstunden haben.“ Ich sage „wir“, wobei eigentlich klar ist, dass er derjenige von uns ist, der in Schwierigkeiten gerät. Ich bin neu an der Schule und habe eine leere Akte. Bei ihm sieht das anders aus. Er kann sich so etwas nicht erlauben.

„Hast Recht.“, murmelt er und drückt die Kippe zwischen seinen Füßen auf dem Boden aus, wo er sie dann liegen lässt. Ich mache mir gar nicht erst den Aufwand, ihn darauf hinzuweisen, dass der Mülleimer direkt neben ihm steht. Etwas scheint ihn noch zu beschäftigen, denn er bleibt unbewegt sitzen.

„Alles in Ordnung?“, frage ich deshalb leicht zögerlich, weil ich nicht weiß, was für eine Laune er gerade hat und in wieweit ich mich zu ihm vorwagen kann.

Jasons Pov

Die Frage soll ja wohl ein schlechter Scherz sein. Ich bin am Ende. Mein Leben ist so gut wie vorbei.

Alles in Ordnung?

Klar. Natürlich. Bei Jason ist immer alles in Ordnung. Bloß nichts anmerken lassen.

Es kotzt mich an. Aber sie meint es gut. Außerdem hat sie Recht. Ich bin bewusst sitzen geblieben. Ich muss ihr noch die Wahrheit beichten. Muss ihr sagen, was mit ihrem Schließfach passiert ist. Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass jetzt der richtige Moment dafür ist und sich sobald auch keine gute Gelegenheit mehr dazu ergeben wird.  

„Ich muss dir noch was sagen, bevor wir wieder da rein gehen.“ Ich versuche ihr beim Sprechen in die Augen zu blicken, doch muss mich schon nach einem kurzen Augenblick wieder abwenden. Ich möchte keine Angst oder Verletztheit darin sehen. Nicht noch einmal.

He Ain't All BadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt