Nach der schlaflosen Nacht konnte ich meine Augen im Unterricht kaum offen halten. Trotzdem musste ich gut aufpassen und mitschreiben. Nach den Ferien würden einige Klassenarbeiten anstehen.
In der Pause setzte ich mich wieder auf meine Lieblingbank, schloss die Augen und genoss die Sonne. Auf einmal spürte ich wie die Bank sich bewegte und sich jemand neben mich setzte. Ein angenehmer Geruch stieg mir in die Nase. Etwas Unbekanntes und ein Hauch von Apfel. Das ließ mich nur mehr entspannen und ich atmete beruhigt und tief aus. Wie gut dieses Gefühl tut nach dieser langen Nacht. Ein warmer Hauch kam an meiner Kehle an. Erschrocken öffnete ich die Augen und saß steif da. "Ganz ruhig, ich wollte dich nicht erschrecken... nur sehen ob du schläfst." Es war Sylvester. Seine Hand berührte meinen Rücken. Das machte mich nur nervös. "Puuh.. Gott, ich dachte schon du bist einer dieser Kindsköpfe.." Er lachte. "Entschuldige." Im Raucherbereich stand der ganze Haufen und glotzte rüber. "Warum bist du nicht bei den Anderen und verbringst mit denen die Pause?" Es war ungewohnt das sich jemand in der Pause zu mir gesellte. "Das sollte ich wohl eher dich fragen. Warum sitzt du hier so ganz allein?" Mitleid spiegelte sich in seinen Augen wieder. Erst jetzt fiel mir die aussergewöhnliche Farbe auf. Nicht grün, nicht braun und nicht blau. Es war irgendwie eine neue Farbe die jedoch sehr schön war. Mit seiner Hand fuhr er sich über seinen Dreitagebart. Meine Gedanken machten mich wahnsinnig. Hör auf damit so anziehend auf mich zu wirken. "Das ergab sich damals so. Es... ich... die Pause ist für mich der Zeitpunkt wo ich mich meinen Gedanken widmen kann. Es tut gut einfach mal abschalten zu können. An manchen Tagen hänge ich aber auch mal bei meinen Mädels in der Runde." Jetzt sprudelte es einfach wieder aus mir heraus obwohl ich das nicht wollte. Sofort entschuldigte ich mich. "Entschuldige dich doch nicht. Immerhin habe ich dich gefragt. Das war auch der Grund weshalb ich mich zu dir gesetzt habe, weil ich das wissen wollte." Was will er nur von mir? Diese geheimnisvolle Aura bereitete mir eine Gänsehaut und gleichzeitig ein warmes Gefühl. "Bist du eigentlich Italiener? Das interessiert mich schon seit dem Vorfall mit dem Ordner." Er grinste. "Nein, das sollte nur ein Scherz sein mit dem italienisch um die Stimmung zu lockern. Warum, bist du etwa eine kleine Italienerin? Dein Name würde ja passen." Meinen Blick widmete ich den Wolken. "Nein, ich habe keine italienischen Wurzeln. Aber die Bedeutung meines Namens gefällt mir sehr gut. Ich wäre zu gerne für jemanden ein hoffnungbringender Stern." Für IHN war es ja damals nicht genug. Sonst hätte er mich nicht von sich gestoßen!, setzte ich den Dialog im Kopf fort. "Ja, die Welt ist ungerecht aber du darfst die Hoffnung in dich selbst nicht verlieren. Du wirst für jemanden da draußen etwas ganz besonderes sein. Hab Geduld." Jetzt konnte ich die Tränen nicht weiter unterdrücken.
"Wenn es Hoffnung gäbe, dann würde ich mich nicht so selbst bemitleiden. Ich bin mir nicht mal sicher ob..." Ich unterbrach mich selbst. Nein, ich konnte es ihm nicht verraten. Meine Gedanken sprachen weiter, wärend meine Stimme versagte.
...nicht mal sicher ob ich ihn wirklich geliebt habe oder ob der Schmerz nur durch die Sehnsucht nach Nähe ausgelöst wurde...
Wieder ein Schreckensmoment. Ohne Vorwarnung umarmte er mich tröstend ohne auch nur ein Wort zu sagen. Es war seltsam. Als würde mein Gedanke in seiner Stimme wiedergehallt werden hörte ich leise so etwas wie "manchmal ist eine Umarmung mehr wert als Worte".
Der Rest der Schüler starrte mit offener Kinnlade rüber.
Mir war es zum ersten Mal egal was die Anderen dachten. Der Druck auf meiner Brust, der schon so lange angehalten hatte, war urplötzlich verschwunden. Dieses Gefühl frei atmen zu können tat so unendlich gut.
Ein paar Stunden später, nach dem Unterricht, wartete ich am Eingang auf ihn. Gemeinsam gingen wir wieder zur Seepromenade. "Sylvester, das klingt jetzt vielleicht etwas seltsam aber.. obwohl wir uns praktisch grade erst kennengelernt haben vertraue ich dir." Man merkte ihm sofort an dass er sich über diese Aussage freute. "Vielen Dank, du bist aber auch sehr vertrauenswürdig." Mein Vorhaben, womit ich mit meiner Aussage hinaus wollte, setzte mich unter Druck. Durchatmen Stella, frag ihn. Irgendwie fühlte sich alles grade seltsam an. Seine Aura.. "Liegt dir was auf dem Herzen?" Na klasse, war es so eindeutig? Ich fasste Mut. "Also, normal mach ich sowas nicht und.. Es ist das erste Mal das ich jemanden sowas frage aber... Hast du WhatsApp?" Hoffentlich dachte er nicht dass das eine Anmache meinerseits war. Aber einfach nach der Nummer zu fragen schien doch sehr plump und meine Nummer wollte ich ihm nicht aufzwingen. "Ja klar. Soll ich dir meine Nummer eintippen?" Ich zog den Kopf ein. "Mein Akku ist leer.." Natürlich hätte ich ihn besser wann anders gefragt was meinen Akkustand betraf, jedoch wusste ich nicht ob ich den Mut später nochmal aufbringen konnte. "Kein Problem", meinte er locker. Aus seiner Jackentasche zückte er einen Kugelschreiber hervor, nahm meine Hand und schrieb seine Nummer auf meinen Unterarm. Stolz betrachteten wir beide das neue "Tattoo". Eine Durchsage vom Bahnhof war zu hören. "Bahn 43, von Bregenz nach Lindau fährt in Kürze ein. Ankunft: 13:50 Uhr, Gleis 3." Wie schade. Das bedeutete er musste los. Zum Abschied umarmte er mich kurz aber fest. "Pass auf Dich auf", rief er mir zu, als er schon ein Stück weit von mir weggelaufen war. "Du auch auf dich", rief ich zurück. Die pure Wärme schien durch meine Adern zu fließen und gleichzeitig diese gribbelnde Gänsehaut. Dieses Gefühl war mir fremd. Es fühlte sich viel schöner, viel besser an als damals wenn... Milo mich festhielt oder gar küsste. Damals fühlte es sich einfach nur schön an. Dieser Mann löste in mir etwas ganz neues aus.
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Eulenmond (2) - Schottische Prinzessin
Fantasía(Band 2) Der scheinbare Liebeskummer hatte Stella zurück in ihre Heimat geführt. Dort ging sie wieder zur Schule, zum arbeiten und versuchte ihr Leben nach den schweren Erlebnissen wieder in den Griff zu bekommen. Wäre da nur nicht dieser geheimnis...