Kapitel 6 - Ich vermisse ihn

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Lukas POV:

Ein Rumpeln reißt mich aus dem Schlaf. Verwirrt schaue ich auf die Uhr. Zwei Uhr morgens.
Danach ein lautes Krachen.

Mit pochendem Herzen trete ich die Decke von mir, stolpere aus dem Bett und reiße meine Zimmertür auf.

Marie sieht mir mit angsterfülltem Blick entgegen, während sie sich an ihrer Zimmertür festklammert. Ihr Zimmer liegt gegenüber von meinem.

Nicht schon wieder...

"Süße, alles ist gut, okay?", sage ich leise und versuche sie zu beruhigen. "Leg dich wieder ins Bett und versuch zu schlafen, ich werde mich um Mama kümmern, verstanden?" Eindringlich sehe ich sie an, damit sie nicht auf irgendwelche dumme Gedanken kommt.

Sie nickt widerwillig und flitzt in ihr Bett.
"Alles ist gut, vertrau mir. Schlaf gut." Ich mache langsam ihre Tür zu.

Wenigstens Marie soll das erspart bleiben.

Ich poltere die Treppe nach einem weiteren Knall die Treppe hinunter.
Als ich um die Ecke springe erblicke ich meine Mutter, wie sie sich im Wohnzimmer mit einer halbvollen Weinflasche an einem Schrank festklammert.
Neben ihr liegt eine kaputte Vase in tausend Teilen.

"Mama!", rufe ich und komme ihr schnell zu Hilfe.
Ich versuche sie auf die Couch zu bringen, doch sie wehrt sich.
"Lass m-mich.", lallt sie und stößt mich von ihr.

Ich kann sie nicht hier lassen.

"Mama, bitte!", flehe ich.

Dasselbe ist schon einmal passiert. Damals ist sie umgekippt und war bewusstlos, nachdem sie ihren Kopf an dem Schrank angeschlagen hat.

"Gib mir die Flasche!" Entschlossen komme ich wieder auf sie zu und nehme sie ihr weg.

Ich kenne das schon auswendig. Sie wird jetzt aggressiv, ich werde ins Bad rennen und hoffen, dass sie keine weiteren Flaschen im Haus versteckt hat.

So schnell ich kann renne ich ins Bad, knalle die Tür zu und schließe ab. Ein paar Sekunden später haut jemand seine Faust gegen die Tür.

Meine Mutter ist kein böser Mensch, das weiß ich. Das da draußen ist sie nicht. Der scheiß Alkohol verändert sie. Wenn Papa nicht da ist, so wie jetzt, habe ich die Verantwortung.
Wenn er da ist, trinkt sie normalerweise nicht. Als er es mal mitbekommen hat, hat sie sich mit einer Flasche im Dach eingeschlossen und mein Dad die Tür eingetreten.

Bei dem lauten Krachen gegen die Tür kneife ich die Augen zu.

Wieso ausgerechnet ich?

Bleib ruhig, Lukas...
Du musst jetzt für Marie da sein. Hoffentlich bleibt sie in ihrem Bett.

Mein eines Bein stemme ich gegen die Tür um die Schläge zu dämpfen und kippe den Wein in den Abguss. Die rote Flüssigkeit ruft eine Erinnerung in mir hervor.

Schlagartig sehe ich vor mir, wie Mike meine Hand hielt, als ich den Wein das erste mal weggeschüttet habe. Früher habe ich es mich nie getraut. Er hat mich gerettet.
Aber dann war plötzlich alles anders. Mike war nicht mehr da und konnte mir nicht mehr helfen. Er hat mich alleine gelassen...

Eine Ewigkeit konnte ich nicht begreifen, dass ich alles zerstört habe, was wir hatten.

Ich wische mir eine Träne weg.

Was Mike jetzt wohl macht? Bestimmt nicht dasselbe wie ich. Bestimmt lacht er gerade mit seinem perfekten Manager und seiner hübschen Fangemeinde.

Es tut weh, zuzugeben, dass ich mich an seiner Stelle auch alleine gelassen hätte. Wieso hätte er auch bleiben sollen, nachdem ich ihn verletzt habe?

Ich drehe den Deckel auf die Flasche und warte ab. Nach kurzer Zeit hört das Poltern auf und ich öffne wieder vorsichtig die Tür.

Da liegt sie wieder. Auf der Couch mit ihrer Jeans und schnarcht. Wie fast jedes Wochenende.

So oft habe ich mir gewünscht, dass es aufhört. Dass sie aufhört. Dass der Schmerz aufhört. Dass ich nicht alleine wäre.

Ich decke sie zu und begebe mich wieder nach oben.
Auf dem Weg in mein Zimmer sehe ich nochmal nach Marie. Sie tut als würde sie schlafen, aber ihr Körper bebt.

"L-Lukas?", fragt sie, als ich mich an ihr Bett setze. "Geht's ihr besser?"
Ich schenke ihr ein trauriges Lächeln.

Früher dachte ich auch unsere Mutter wäre abends nur krank. Die Wahrheit zu erfahren hat weh getan.

"Sie schläft.", erkläre ich und streiche ihr über das blonde Haar. Sie seufzt müde.
Nach ein paar Minuten will ich in mein Zimmer gehen, doch sie fragt plötzlich: "Lukas? Wo ist Mike?" Verunsichert sieht sie mich an, als hätte sie Angst die Frage gestellt zu haben.
Ich erstarre.

Ich kann sie nicht anlügen. Meine Schwester soll nicht falsche Hoffnungen haben und letztendlich enttäuscht werden.

"Er wird nicht wiederkommen."
"Weiß ich doch." Sie verdreht die Augen, als wäre ich dumm.
"Was?" Ich blinzle.
"Ich bin doch nicht blöd. Bin schließlich schon in der zweiten Klasse." Stolz grinst sie.
"Ich meinte wo er ist? Geht's ihm gut? Er hat nicht dasselbe wie Mami, oder?" Ängstlich werden ihre Augen größer.
"Nein! O Gott, denk sowas nicht. Ihm geht's gut, das verspreche ich dir. Ich habe Bilder von ihm und Videos gesehen. Wenn du willst...", ich schlucke, "können wir zusammen eins ansehen."
Erwartungsvoll rappelt sie sich auf.
"Nicht jetzt!" Ich kichere belustigt. "Morgen natürlich."
"Es ist morgen." Sie schaut ungeduldig auf die Uhr.
"Kluges Mädchen.", grinse ich, hole mein Handy von meinem Nachttisch und öffne das Musikvideo von Karma.
"Lass die Kopfhörer drinnen.", füge ich hinzu.

Ich kann seine Stimme jetzt nicht ertragen...

"Ein Video, nicht mehr.", warne ich vielsagend.
"Ich vermisse ihn.", flüstert sie, nachdem ich ihr die Lautstärke minimal eingestellt habe.

"Ich auch.", sage ich leise. "Ich auch."

Hey Cuties 💗

Neues Kapitel :* Wie findet ihr es denn?

Freue mich sehr über Kommentare und Vots❤

Ly

Bring mich wieder zum Singen | Mukas ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt