Kapitel 38 - Ein wundervoller Ort

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Kapitel 38 - Ein wundervoller Ort

*Severus' Sicht *

Genervt blicke ich auf das Pergament vor mir und streiche abermals komplette Sätze. Ich verstehe einfach nicht, weshalb einige Schüler so unfassbar retardiert sind. Die Hausaufgaben, die ich aufgebe, sind wirklich nicht schwierig. Anspruchsvoll vielleicht, aber nicht schwierig. Es sind alles Themen, die ich ihnen in meinen Unterrichtsstunden versucht habe nahe zu bringen und dennoch schafft es nahezu keiner von diesen Trollen eine ordentliche Arbeit abzugeben.
Ich hatte bisher eine Schülerin, die meine Erwartungen übertroffen hat, auch wenn ich das nie zugegeben hätte. Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht, als ich an das kleine elfjährige, übereifrige, besserwisserische Mädchen denke, das mir so manchen Tag verdorben hat. Hermine Jean Granger.
Ich hatte mir in letzter Zeit bereits Sorgen um sie gemacht, weil ich spürte, dass sie etwas bedrückt. Umso glücklicher bin ich, dass sie nun endlich mit mir gesprochen hat.
Nachdem ich ihre Sorgen bezüglich des hinterlistigen Malfoysprosses zerschlagen konnte, haben wir uns an unsere Aufgaben gemacht. Ich habe mich in meinen Klassenraum begeben und sie in ihr kleines Büro, welches ich ihr eingerichtet hatte, als sie zu mir zog.
Meine Gedanken schweifen zu ihrem wundervollen Lachen, ihren widerspenstigen Locken und ihrer herzlichen Art ab. Alles, was ich an ihr liebe.
Eine wohltuende Wärme durchfährt mich und ich vergesse tatsächlich für einen Moment den Aufsatz, der unter meinen Fingern brütet und darauf wartet weiterhin in leuchtendem Rot zu erstrahlen.
Doch meine glücklichen Gedanken werden überschattet. Überschattet von den düsteren – den traurigen Gedanken. Ihre Augen, die so viel Sehnsucht und Neid ausdrückten, als Miss Weasley ihre baldige Niederkunft verkündete. Meine Gedanken, die darum kreisen, ob ich sie nicht lieber freigeben sollte. Ob es ihrem Leben nicht zuträglicher wäre, wenn ich keine Rolle mehr darin spielen würde. Die Unsicherheit und Panik, ihr ihr Leben verdorben zu haben, fressen sich erbarmungslos durch meine Adern und verätzen mein Herz. Wie könnte ich es nur wagen sie für immer an mich zu binden, wenn ich in jeglicher Hinsicht so schlecht für sie bin?
Mein Blick schweift zu der obersten Schublade meines Schreibtisches und das darin enthaltene schwarze Päckchen scheint zu brennen und schürt das Feuer der Unsicherheit in mir.
Abrupt werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als es an der Tür klopft. Meine Mine verfinstert sich, als ich schnaube und laut „Herein!" rufe.
Die Tür öffnet sich und Justin Fletcher, ein Erstklässler, steht verloren im Rahmen, den Blick zu Boden gesenkt.
„Mr. Fletcher?", zische ich und bringe ihn dazu, zusammenzuzucken. Sein Kopf hebt sich, ehe er mir verängstigt ins Gesicht blickt und mit zitternder Stimme zu sprechen beginnt.
„E-es ist ein B-Brief für Sie gekommen, Sir", stottert er, was mir eine perverse Genugtuung bereitet. Meine Augen bilden schmale Schlitze, während ich schweigend die Hand ausstrecke und er sofort auf mich zu gestolpert kommt, um mir den Brief in die geöffnete Hand zu legen. Hilflos bleibt er vor meinem Schreibtisch stehen, bis ein leises Knurren, dass sich den Weg aus meiner Kehle bahnt, ihn dazu bringt fluchtartig den Raum zu verlassen. Ich blicke ihm hinterher und schaue, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hat, auf das weiße Stück Pergament in meiner Hand. Der Brief ist von Potter.
Augenblicklich verkrampft sich mein Magen und meine Finger zerknüllen unwillkürlich das Pergament in ihnen. Ein eiskalter Schauer schüttelt mich, sodass ich meine Augen schließen und mehrmals tief durchatmen muss. Als ich meine Augen wieder öffne, zittert der Brief in meiner Hand und wartet nur darauf endlich geöffnet zu werden. Diesem Wunsch komme ich nach, in dem ich meinen Finger unter die Lasche stecke und ihn mit Schwung aufreiße. Erstaunlich ruhig fingre ich das gefaltete Pergament aus dem Umschlag, entfalte es und beginne zu lesen.
Mit jedem weiteren Wort, das ich lese, beschleunigt sich mein Herzschlag.
Knarrend schiebe ich meinen Stuhl weg, während ich aufstehe, durchquere sowohl mein Klassenzimmer, als auch meinen Vorratsraum, das Wohn- und Schlafzimmer und betrete direkt, ohne anzuklopfen ihr kleines Büro.
Erschrocken zuckt sie zusammen, was mir nicht annähernd dieselbe Befriedigung beschert, wie die Reaktion des Schülers, und starrt mich mit geweiteten Augen an. In ihrer Hand hält sie noch die Feder, die ich ihr zu ihrem ersten Unterrichtstag geschenkt habe. Sie ist inzwischen ausgefranst und hat bereits einige Stränge verloren. Ich schüttle kaum merklich den Kopf. Sie schreibt definitiv zu viel.
Mein Blick huscht über ihr Antlitz. Ihre Haare hat sie zusammengebunden, nur eine einzelne Strähne hat sich den Weg in ihr Gesicht gesucht, und auf ihrem Schreibtisch stapelt sich bergeweise Pergament.
„Severus?", fragt sie verwirrt, während sie mich von oben bis unten mustert. Als ihr Blick an dem Brief in meiner Hand hängen bleibt, erstarrt sie und sieht mich erneut mit schreckensgeweiteten Augen an. „Ist... Ist der von Harry?", fragt sie leise, beinahe ängstlich. Ein kurzes Nicken von mir scheint sie nicht wirklich zu beruhigend, weshalb ich auf sie zu gehe, um kurz vor ihr stehenzubleiben. Sie legt ihren Kopf in den Nacken, um mich besser ansehen zu können.
„Er fragt mich, ob ich ihn heute nachmittags auf einen Einsatz begleiten möchte, der sich um die Anschläge auf uns dreht. Er meint, dass meine Erfahrung eine große Hilfe wäre", sage ich, lege meine Hand auf ihren Kopf und beginne sie zu streicheln. Meine Fingerkuppen kribbeln bei der Berührung ihrer Haut und mein Herz schlägt wieder in seinem üblichen Rhythmus, welchen es immer hat, wenn ich in ihrer Nähe bin.
Ich bemerke, dass sie sich entspannt.
„Ist es gefährlich?", fragt sie flüsternd, als sie ihre Augen schließt und sich voll und ganz in meine Berührung legt.
„Nein", flüstere ich ebenso leise, „es sind genügend Auroren dabei. Wir werden keine Angriffsfläche bieten. Außerdem vergisst du, mit wem du sprichst."
Ein kleines Kichern ertönt und erwärmt meinen erkalteten Körper schlagartig.
„Dann soll es eben so sein", murmelt sie. Ich beuge mich zu ihr herunter und lege meine Lippen auf die Ihren. Erst sanft, bis sie registriert und den Kuss verstärkt. Ihre Hände krallen sich im Kragen meines Hemdes fest, während sie leise in unseren Kuss hinein stöhnt. Hastig lasse ich den Brief fallen, vergrabe meine Hände in ihren Haaren, ohne darauf zu achten, ob ich ihren Zopf zerstöre, und ziehe sie noch etwas näher an mich heran.
Nach einigen Sekunden lösen wir uns schweratmend voneinander und ich kann ein kleines Lächeln bei ihrem derangierten Anblick nicht zurückhalten. Ihre Wangen sind gerötet, die Haaren stehen ihr in alle Richtungen ab und ihre Lippen sind geschwollen. Sie sieht bezaubernd aus.
„Ich bereite mich vor", schnarre ich, gebe ihr einen letzten Kuss auf die Stirn und lasse sie mit einem sehnsüchtigen Ausdruck in den Augen zurück.

Komm, unsere Herzen zeigen uns den WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt